"Es geht nicht mehr nur um Clickraten"

leadersnet.at im Interview mit Doris Riedl, Head of Fastbridge, über die Entwicklungen und Trends am Online-Markt und das digitale "Kaffeekränzchen" Social Media.


leadersnet.at: Die wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre haben bei vielen Branchen Einbußen mit sich gebracht. Wie stark litt Ihrer Meinung nach die Online-Marketing-Branche unter diesen gesamtwirtschaftlichen Veränderungen? Glauben Sie, dass der Agenturfee von 15% auf Dauer quasi ein Todesurteil darstellt?

Doris Riedl: Die Wirtschaftskrise der letzten Jahre war sicherlich einer der Treiber für den Online-Marketing Bereich somit ist die Branche eine der, die hier eher weniger Einbußen hatte. Seit 2010 ist auch wieder ein Aufschwung bei den meisten anderen Medien zu merken. Online wird aber sicherlich in den kommenden Jahren die Mediagattung mit der höchsten Steigerung in Bezug auf die Media Spendings sein.
Ich denke, dass kaum mehr ein Kunde aufgrund der 15% Agenturprovision, die ja üblicherweise 1:1 durchgereicht werden eine Mediaagentur beschäftigt. Es geht vor allem um die Beratungsleistung und die strategisch, konzeptionelle Kampagnenbetreuung seitens der Online Unit in der Zusammenarbeit mit dem Kunden, die in der Regel über andere Honorare abgegolten werden.

leadersnet.at: Was sind aus Ihrer Sicht die zur Zeit spannensten Entwicklungen am Online-Markt? Wie beurteilen Sie diese, was hat Zukunft, was nicht?

Doris Riedl: Im Kreativbereich konzentrieren sich immer mehr Kunden auf Bewegtbildcontent, bei unseren internationalen Kunden ist auch das Thema Rich Media im Vormarsch. Es geht nicht mehr nur um Clickraten, sondern vielmehr darum, dass sich der User mit dem Werbemittel und dessen Inhalten auseinandersetzt und mit der Marke des Kunden interagiert.
Ein weiteres Wichtiges Thema ist Retargeting bzw. Remarketing. Mehr und mehr Kunden nutzen die Möglichkeit Ihre Interessenten ohne Streuverlust im Netz wieder zu finden und diese dann gezielt anzusprechen.

leadersnet.at: Stichwort "Erfolgsmessung von Online-Kampagnen" - Clickraten und Pageimpressions stellen quasi die Leitwährung dar, greift dies zu kurz? Wie beurteilen Sie eine erfolgreiche Online-Kampagne?

Doris Riedl: Den Erfolg einer Kampagne bestimmt vor allem die Zielsetzung die am Anfang steht. Verfolgt ein Kunde Imageziele wird die Evaluierung am besten durch eine qualitative Studie stattfinden. Performanceziele hingegen vor allem durch detailliertes Tracking und laufende Kampagnenoptimierung erreicht. Dabei kann die Clickrate eine gute Messgröße sein, muss aber nicht, wenn es sich zB um ein interaktives Werbemittel handelt wo das vorrangige Ziel die Beschäftigung mit dem Inhalt des Werbemittels und nicht die  „Wegverlinkung“ ist.
Die große Herausforderung wird sein, klassische Media-Währung wie Reichweite auch im Internet anwenden zu können. Weg zu gehen von den vielen online-spezifischen Fachbegriffen die von vielen Kunden noch nicht wirklich verstanden werden und auch nur bedingt eine Aussage über den Erfolg einer Kampagne einbringen. Millionen AIs sind als Messgröße nicht relevant wenn man nicht weiß wie viele Menschen einer Zielgruppe erreicht werden.

leadersnet.at: Werbeblocker sind weltweit im Vormarsch. "AdBlock Plus", ein AddOn für Firefox, wird im Schnitt ca. 75.500 mal täglich heruntergeladen. Wie bewerten Sie solche Trends bzw. überspitzt gefragt, erreicht Online-Werbung schön langsam das Niveau der Übersättigung?

Doris Riedl: Für Österreich sehe ich hier in den nächsten Monaten keine Gefahr, da noch die wenigsten User von den Möglichkeiten wissen geschweige denn diese installieren können. Online-Werbung wird außerdem immer kreativer und zielgerichteter eingesetzt, sodass die Ablehnung, die es früher gegenüber Pop-Ups und den Content störend überlagernden Werbeformen gab, nicht mehr dieselbe ist.

leadersnet.at: Behavorial Targeting ist am wachsen und bewegt sich dabei im Spannungsfeld zwischen maßgeschneiderter Werbebotschaft und, provokant formuliert, Verletzung der Privatsphäre. Laut einer amerikanischen Studie fließt im Jahre 2014 einer von fünf ausgegebenen Dollar der Werbewirtschaft in diese Sparte. Wie sehen Sie die Rolle der Werbewirtschaft in diesem zuvor skizzierten Spannungsfeld? Wie beurteilen sie die Entwicklung und wie steht es um "Behavorial Targeting" in Österreich?

Doris Riedl: Solange das Targeting nur das technische Endgerät erkennt und keine Rückschlüsse auf den User dahinter ziehen lässt, sehe ich in dieser Möglichkeit die Chance für jeden Werbetreibenden sein Marketingbudget noch effizienter einzusetzen. Ich denke außerdem, dass das Thema Re-Targeting – also die Möglichkeit des Wiedererkennens eines Interessenten im Netz – die meiner Meinung nach spannendere ist.

leadersnet.at: Social Media befindet sich zur Zeit auf dem Siegeszug, zumindest laut den Zahlen einiger in der letzten Zeit veröffentlichten Studien. Dennoch werden immer kritischere Stimmen wach - wird Social Media dem Hype gerecht? Wann wird Ihrer Ansicht nach der Peak erreicht, oder anders gefragt, haben wir diesen bereits erreicht?

Doris Riedl: Social Media ist nichts Neues auch nicht im digitalem Bereich, wenn ich an die Anfänge von Apple und die Usenet-Groups von damals denke. Hat man sich früher zum Kaffeekränzchen oder am Stammtisch getroffen und Neuigkeiten, Fotos und Klatsch ausgetauscht, tut man es jetzt digital, mit einer größeren Anzahl von Menschen. So gesehen wird Social Media keinen Peak erreichen sondern sich den jeweils aktuellen Lebensumständen anpassen, sich weiterentwickeln und verändern. Die Frage die sich uns Marketingberatern stellt, ist jeweils, wo und wie kann hier ein Unternehmen sinnvoll, akzeptiert oder vielleicht sogar erwünscht mit seiner Zielgruppe in Kontakt treten.
Durch die Wave 5 (die 5. Welle der weltweit größten Social Media Studie durchgeführt von der UM) sehen wir, dass es bei jüngeren Usern auch immer noch eine Steigerung gibt, wenn man einen Peak sehen will,  so eher bei den älteren Zielgruppe, da hier die Nutzung bereits jetzt abnimmt.

leadersnet.at: Vielen Dank!

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