Gastkommentar Ralf-Wolfgang Lothert
Transformation

| Redaktion 
| 21.07.2024

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Kaum ein Wort wurde in den vergangenen zwei Jahren in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft so oft benutzt wie "Transformation". Für Transformation gibt es verschiedene Definitionen und Verwendungen, angefangen von der geologischen Verwerfung, bis hin zur Großen Transformation im 19. Jahrhundert. Für diesen Gastkommentar geeignet erscheint mir "Transformation als grundlegender Wandel. Aus gesellschaftlicher Perspektive wird damit vor allem eine sprunghafte Veränderung in der politischen, wirtschaftlichen oder technologischen Entwicklung beschrieben".

Ich glaube, es ist mittlerweile unumstritten, dass es in vielen unserer Lebensbereiche eines solchen grundlegenden Wandels bedarf, nicht zuletzt, weil wir in den vergangenen Jahrzehnten doch den einen oder anderen Veränderungsbedarf verschlafen haben.

Fehler vermeiden

Eine grundsätzliche angeschobene Transformation ist die Entwicklung der Automobilwirtschaft vom Verbrenner zu ausstoßärmeren Fortbewegungsmitteln (Treibstoffen) bis hin zur E-Mobilität. Oder der Umbau der (Energie)-Wirtschaft zur CO₂-Neutralität. Daran lässt sich schon eine Eigenschaft von Transformation ablesen: Eine grundlegende Änderung (Transformation) kann Jahre bzw. sogar Jahrzehnte dauern. Etwas verwirrt lassen einen dann eventuell die Meldungen in den Medien zurück, wonach Automobilunternehmen wieder vermehrt in Verbrenner investieren würden. Hier kommen wir zu einem weiteren Phänomen von Transformation, nämlich dass rund acht von zehn Transformationsprojekten scheitern. Ich will damit nicht sagen, dass dieses spezielle Transformationsprojekt scheitern wird, aber es finden sich darin doch ein paar Fehler, welche bei einem richtigen Transformationsprozess zu beachten oder – besser noch – zu vermeiden wären.

Ziel und Vision 

Zuallererst muss das Ziel bzw. die Vision genau bestimmt werden; in diesem Fall wäre dies eine umweltfreundlichere Mobilität. Zweitens muss man offen sein, wie das Ziel erreicht werden kann – also etwa Technologieoffenheit und keine reine Beschränkung auf E-Mobilität oder – im Falle der Energiewirtschaft – den Ausschluss von Atomkraft. Drittens ist es wichtig, die Ziele realistisch zu definieren und die Möglichkeit offenzulassen, auf dem Weg zum Ziel Adjustierungen vorzunehmen. Viertens: Kommunikation. Kommunikation und Commitment, denn die von der Transformation betroffenen Personen müssen verstehen, worum es geht und diese Idee und die Schritte dorthin mittragen, andernfalls ist die Transformation jedenfalls zum Scheitern verurteilt. Eine Transformation muss also genau geplant und entsprechend begleitet, um erfolgreich ablaufen zu können.

Dass dies dennoch nicht immer einfach ist, zeigt ein Blick auf Transformationen im persönlichen Bereich. Hier wird es zum Teil noch schwieriger, da es oft nicht nur ausreicht, sich selbst zu verändern, sondern auch die Umgebung müsste einen Wandel durchlaufen – das kann anstrengend, ja sogar schmerzhaft sein, auch wenn es wichtig und richtig ist.

Regelmäßige Check-ins 

Und vielfach gibt es bei Transformationen auch kein Ziel, keinen Punkt, an dem man sagen kann: jetzt sind wir fertig. Transformation ist ein Prozess und ein Weg, der den Beteiligten sehr lange Ausdauer abverlangt, was umso schwieriger ist, weil mittendrin manchmal kaum ein Fortschritt wahrnehmbar ist. Umso wichtiger, auch im Sinne der Motivation, die es aufrechtzuerhalten gilt, sind dann regelmäßige Check-ins, um sich selbst und allen Beteiligten vor Augen zu führen, was seit dem Beginn der Transformation schon geschafft und erreicht wurde.

Schauen wir uns ein weiteres Beispiel an: die sogenannte Digitale Transformation. Eine digitale Transformation ist nicht nur das Anschaffen neuer IT und intelligenterer Geräte. Digitale Transformation umfasst sämtliche Prozesse im Hinblick auf Digitalisierung und muss deshalb beinahe zwangsläufig zur Änderung von gelernten Geschäftsmodellen und -abläufen führen. Alles andere würde den Namen Transformation nicht verdienen. Eine Branche, in der damit zusammenhängende Schwierigkeiten sehr augenscheinlich wurden, ist in der privaten Medienlandschaft. Hier geht und ging es nicht nur darum, Inhalte einfach digital abzubilden, sondern gleichzeitig weiterhin die eigenen Konsument:innen zu erreichen und im Optimalfall damit Geld zu verdienen.

Guter und flexibler Plan 

Bei allen Beispielen kommt – zusätzlich zur an sich schon schwierigen Umsetzung (wie gesagt, acht von zehn Transformationen scheitern) –, dass meist die Gesellschaft, vor allem aber das regulatorische Umfeld bzw. der rechtliche Rahmen, den es braucht, weit hinter den realen Bedarfen hinterherhinkt. Die Legislative kann die neuen Verhältnisse gar nicht schnell genug erfassen und verstehen, und damit oftmals erst zu spät rechtliche Rahmenbedingungen festlegen. Dies führt möglicherweise in einigen Bereichen zu einer Art "Wild West"-Stimmung, die im Nachhinein nur wieder schwer einzufangen ist. Das Wachstum und Agieren der Tech-Giganten liefern den besten Beweis dafür.

All diese Widrigkeiten können und dürfen uns aber dennoch nicht von notwendigen Transformationen abhalten. Diese müssen aber gut und dennoch flexibel geplant sein und von den Betroffenen mitgetragen werden, andernfalls wird mehr Schaden angerichtet als es helfen könnte.

Lassen Sie uns in diesem Sinne die – hoffentlich – etwas gemächlicheren Sommerwochen dazu nutzen, über Transformation nachzudenken. Was ist gut, was könnten wir verändern, um im Herbst besser durchstarten zu können? Und lassen wir auch diese Transformation zu, ein wenig runterzukommen und uns zu sortieren. Ich werde dies auf jeden Fall tun und mich Mitte August dann wieder mit einem Gastkommentar melden.

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