Am Montag sahen bis zu 563.000 Zuseher:innen das erste ORF-Sommergespräch von Martin Thür mit Beate Meinl-Reisinger von den Neos. Unter anderem wurde über die Verursacher der hohen Inflation in Österreich diskutiert. Vor diesem Hintergrund fordert der Handelsverband (HV) Fakten statt Mythen und hat die drei Mythen: Mythos 1 "Heimische Händler:innen verdienen sich mit der Inflation ein Körberlgeld", Mythos 2 "Die Lebensmittelpreise sind in Österreich stärker gestiegen als in der EU" und Mythos 3 "Supermärkte sind Hauptverursacher der Bodenversiegelung in Österreich", einem eigenen Faktencheck unterzogen.
Mythos 1
Die Unterstellung "Heimische Händler:innen verdienen sich mit der Inflation ein Körberlgeld" sei laut dem Handelsverband nicht haltbar. Der starke heimische Wettbewerb, der häufig über den Preis geführt wird, würde den Konsument:innen bestmögliche Preise gewährleisten und Einkommensschwache unterstützen. Das soll auch die Bundeswettbewerbsbehörde in ihrem Abschlussbericht der Branchenuntersuchung Lebensmittel vom November letzten Jahres bestätigt haben. Der Lebensmittelhandel hat seine Gewinnmargen im Zeitraum von 2021 bis zum zweiten Halbjahr 2023 laut BWB nicht erhöht und somit nicht von der Teuerung profitiert.
Im Speziellen die stark gestiegenen Kosten für Energie, Personal, Logistik, Mieten und Fremdkapital wirken sich belastend auf die Handelsbetriebe aus. Die können jedoch nicht 1:1 auf die Verbraucherpreise umgewälzt werden. Das zeige sich vor allem an den steigenden Insolvenzzahlen im Handel wider.
"Vor allem die Versorgung in kleineren Gemeinden am Land dünnt immer mehr aus, weil ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb angesichts der zunehmenden Kostenbelastung und des Bürokratiedschungels in Österreich mangels Strukturreformen schlicht nicht mehr möglich ist. Man muss ja froh sein, dass es überhaupt noch Händler gibt, die sich bei diesen unwirtschaftlichen Kostensteigerungen und den geringen Margen eine Präsenz in den Gemeinden leisten und damit die Nahversorgung sichern", so Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes.
Mythos 2
2022 und 2023 lag die allgemeine Inflation in Österreich deutlich höher als im Schnitt der Eurozone, die Teuerung bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken hierzulande war jedoch deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Der Myhos "Die Lebensmittelpreise sind in Österreich stärker gestiegen als in der EU" sei ebenfalls nicht richtig.
Der heimische Lebensmittelhandel hat sinkende Umsätze (preisbereinigt -3,2 Prozent in 2022 und -1,0 Prozent in 2023) bei einer sehr geringen tatsächlichen Rentabilität von durchschnittlich 0,5 Prozent bis 2,5 Prozent des Umsatzes hingenommen. Bei globalen Nahrungsmittelproduzent:innen sei die Rentabilität zum Vergleich im Schnitt zehnmal so hoch.
Auch sei der tatsächliche Preisunterschied bei Lebensmitteln zwischen Österreich und Deutschland deutlich geringer als häufig von der Öffentlichkeit dargestellt. Studien, die signifikante Preisunterschiede zwischen den Nachbarländern feststellen, würden sich stets auf internationale Markenartikel beziehen. Vor diesem Hintergrund kritisiert die BWB zurecht den "Österreich-Aufschlag" internationaler Hersteller:innen, die dem Lebensmittelhandel in Österreich systematisch höhere Preise verrechnen als etwa in Deutschland. "Diese Diskriminierung macht einen Großteil des Preisunterschiedes zwischen den beiden Ländern aus. Europaweit kostet diese Praxis uns Konsumentinnen und Konsumenten 14 Milliarden Euro pro Jahr. Der österreichische Lebensmittelhandel ist hier nicht Profiteur, sondern selbst Betroffener", so Will.
Mythos 3
Der letzte Mythos, wonach Supermärkte die Hauptverursacher der Bodenversiegelung in Österreich sind, seien laut dem Handelsverband ebenfalls falsch. Der Lebensmittelhandel hat die enorm wichtige Rolle eines gesunden Bodens als wertvolle Ressource bereits vor langer Zeit erkannt, so der HV. Daher werde die Reduktion der Bodenversiegelung und des Flächenverbrauchs in der Branche großgeschrieben. In puncto Flächeninanspruchnahme steht der gesamte österreichische Handel für nur 0,6 Prozent. Haupttreiber der zunehmenden Verbauung von Flächen sind hingegen der Wohnbau, Verkehrsflächen und handelsfremde Betriebsflächen.
"Der Lebensmittelhandel ist mit 0,25 Prozent der gesamten Flächeninanspruchnahme in Österreich nicht der Treiber des Bodenverbrauchs, sondern eine Randerscheinung. Für die Flächeninanspruchnahme sind v.a. der Wohnbau mit 45 Prozent, Verkehrsflächen mit 36 Prozent und handelsfremde Betriebsflächen mit 11 Prozent verantwortlich", erklärt Handelssprecher Will und ergänzt abschließend: "Über Geschmack kann man streiten, über Fakten nicht. Wir hoffen, dass diese Fakten bei den Fragestellungen der weiteren Sommergespräche berücksichtigt werden und wir damit endlich von den suggerierten, haltlosen Aussagen gegen den Lebensmittelhandel wegkommen", so Rainer Will abschließend.
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