Am Dienstag ging der 21. Jahresempfang der österreichische Nahrungs- und Genussmittelindustrie (Lebensmittelindustrie) in der Wiener Hofburg über die Bühne. Im Zentrum des Abends standen Forschung und Entwicklung, Innovation sowie Rahmenbedingungen für den Standort Österreich.
"Wir durchleben durchwachsene Zeiten und die Branche stagniert derzeit. Wir haben wirtschaftlich an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Daher steht auch dieser Empfang unter dem Motto 'Wettlauf um den Standort der Zukunft'. Das ist etwas, wo wir unbedingt dabei sein müssen", sagte Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin Fachverband Lebensmittelindustrie, gegenüber LEADERSNET.tv.
Festliches Ambiente
Im festlichen Ambiente der Hofburg Wien trafen rund 300 Spitzenvertreter:innen aus Wirtschaft und Politik sowie Partner entlang der gesamten Lebensmittelkette zusammen. Die Keynote-Speech hielt KI-Spitzenforscher Sepp Hochreiter von der Universität Linz, am Innovationstalk nahm Henrietta Egerth von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) teil.
Betriebe benötigen Entlastung
Die Lebensmittelindustrie zählt in Österreich zu den Top-Industriezweigen und ist der größte Arbeitgeber in Europa. Doch die Herausforderungen werden immer größer. Die Rezession dauert an, die Bürokratie ist hoch und die Klimakrise und das geopolitische Umfeld setzen Unternehmen in der Branche erheblich zu. "Das System ist ausgereizt und die Wettbewerbsfähigkeit steht auf der Kippe, wenn nicht umgehend Gegenmaßnahmen ergriffen werden", appellierte der Branchenobmann, Johann Marihart.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Branche müsse laut dem Experten oberstes Ziel sein. "Das gelingt nur, wenn Energie in Österreich wieder leistbar wird, die Lohnnebenkosten sinken und die Überregulierung ein Ende hat", nannte Marihart zentrale Forderungen an die künftige Bundesregierung. Nur so hätte die Lebensmittelindustrie hierzulande die Möglichkeit, sich gegenüber der internationalen Konkurrenz zu behaupten und die Entwicklung einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion voranzutreiben. Neue Steuern würden hingegen die Wettbewerbslage verschärfen und den Standort Österreich gefährden – mögliche Folge wäre eine "Tax Leakage", also eine steuerbedingte industrielle Abwanderung.
"Die Bürokratie muss deutlich entschlackt werden", so Karl Schwarz, CEO Zwettler Bier, zu LEADERSNET.tv.
Neue Technologien für produzierende Industrie nutzen
In diesem angespannten Umfeld könnten innovative Technologien und Künstliche Intelligenz neue Chancen für die Branche eröffnen. Spitzenforscher Sepp Hochreiter von der Universität Linz gab in seiner Keynote Einblicke in die Zukunft Künstlicher Intelligenz. Im weltweiten Wettrennen um KI-Architekturen liegt Europa hinter den USA und Asien. Es ist aber nicht alles so schwarz, wie es aussieht, denn Hochreiter sieht großes Potenzial und ortet auch in Österreich eine international wettbewerbsfähige Forschung. Chancen lägen vor allem in der Umsetzung von Entwicklungen zusammen mit der Industrie. Der Experte sei sich sicher, dass KI das Potenzial hat, bei den größten Herausforderungen an die Menschheit zu helfen, darunter Energie, Klima, Ernährung, Gesundheit und Mobilität. Nun sei nach einer Periode der Basisentwicklung und der Skalierung, die Industrialisierung von Anwendungen angebrochen. Für Bereiche wie die produzierende Industrie oder die Logistik ortet der KI-Experte den größten Hebel darin, die Produktivität und Effizienz weiter zu steigern.
Innovationsstandort Österreich weiter stärken
Henrietta Egerth, Geschäftsführerin der FFG, lobte den heimischen Innovationsstandort: "Mit Forschungsausgaben von fast 3,4 Prozent des BIP, oder knapp 16 Milliarden Euro jährlich, ist Österreich ein gutes Innovationsland im europäischen Vergleich."
Egerth betonte zeitgleich die Notwendigkeit von anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung sowie Innovation für marktfähige Produkte, Arbeitsplätze und langfristiges Wachstum. Was es nun brauche, sei, nicht nur europäisches Risikokapital in die Wirtschaft, sondern noch mehr Dynamik von den Fachhochschulen und Universitäten. Wichtig sei, mehr "Ideen auf den Boden zu bringen und daraus konkrete Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln", sagte die Geschäftsführerin der FFG. Das erfordere den Einsatz entsprechender Talente, den Mut der Unternehmen, Risiken einzugehen und deren Offenheit für neue Geschäftsmodelle. Ausdauer wäre auch entsprechend wichtig. Denn viele neue Entwicklungen brächten erst nach zehn bis 20 Jahren Erfolg.
Die Entwicklung zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem benötige aber auch mehr Budget und entsprechend geeignete Förderprogramme.
Entlastung statt neuer Steuern für Unternehmen
Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands der Lebensmittelindustrie, unterstrich die Dringlichkeit, den Kostendruck auf die Unternehmen zu senken. "Der Standort ist mittlerweile zu teuer geworden. Der Kostendruck ist für die Betriebe zu hoch. Viele Unternehmen investieren bereits im Ausland und nicht im Inland. Daher muss die Politik auf diese Alarmzeichen unbedingt reagieren. Wir fordern daher, die Kosten zu senken, nämlich geringere Lohnnebenkosten und wettbewerbsfähige Energiepreise. Die Überregulierung muss endlich ein Ende haben", so Koßdorff gegenüber LEADERSNET.tv, und ergänzt: "Die angestrebte Transformation zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem kann nur gelingen, wenn unsere Betriebe dafür auch die Ressourcen haben."
Hinzu kämen die steigenden Aufwendungen für die vielen neuen Regulierungen – von der Nachhaltigkeitsberichterstattung über das Lieferkettengesetz bis zur Entwaldungsverordnung.
Sie sieht zudem ihre Branche in einer Periode wirtschaftlicher Stagnation und spricht sich auch gegen eine zuletzt angeregte Zuckersteuer auf Getränke zum Zwecke der Budgetkonsolidierung aus. Eine solche Steuer würde die gesamte Agrar- und Lebensmittelbranche zusätzlich belasten und das Defizit im Budget nicht ausgleichen. Sie verwies zudem auf die minimalen Lenkungseffekte solcher Steuern in Ländern wie Großbritannien sowie auf freiwillige Brancheninitiativen zur Zuckerreduktion. "Nachhaltige Lenkungseffekte lassen sich nur durch eine konsequente Ernährungsbildung erzielen – und diese ist längst überfällig", so Koßdorff.
Interviewpartner:innen
LEADERSNET.tv holte neben Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin Fachverband Lebensmittelindustrie, Johann Marihart, Obmann Fachverband Lebensmittelindustrie, und Karl Schwarz, CEO Zwettler Bier, auch noch Harald Hauk, CEO ARA, Ralf-Wolgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria, Eugen Lamprecht, Managing Director Top Spirit LLC, Karin Steinhart, Unternehmenskommunikation Manner, Gabriela Maria Straka, Unternehmerin, Stefan Schauer, geschäftsführender Gesellschafter Staud's Wien, Markus Marek, CEO Kelly, Herbert Bauer, General Manager Coca Cola Austria, Monica Rintersbacher, CEO Leitbetriebe Austria, Frank Radatz, CEO Radatz, Josef Braunshofer, CEO Berglandmilch, Klaus Hraby, CEO efko, und Jürgen Brettschneider, CEO Mautner Markhof, vor die Kamera.
Details zu den Forderungen der Lebensmittelindustrie an die neue Bundesregierung finden Sie hier.
Einen Eindruck können Sie sich hier machen.
www.wko.at
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