Xing Arbeitsmarktreport 2024
77 Prozent der Unternehmen werden zumindest gelegentlich von Bewerbern geghostet

| Larissa Bilovits 
| 14.11.2024

Eine Umfrage unter 150 heimischen Recruiter:innen sowie 1.000 Arbeitnehmer:innen gibt Aufschluss darüber, warum Jobsuchende so oft mitten im Bewerbungsprozess abspringen und untertauchen, und was Unternehmen dagegen tun können.

In Hinblick auf zwischenmenschliche Beziehung hatte wohl jeder schon einmal mit Ghosting, sprich dem Untertauchen und Abbrechen des Kontakts, zu tun – ob nun in der aktiven oder passiven Rolle. Aber auch Recruiter:innen sind in ihrer beruflichen Sphäre nicht davor gefeit: Wie der aktuelle Xing Arbeitsmarktreport 2024 zeigt, werden nämlich ganze 77 Prozent der heimischen Unternehmen gelegentlich bis sehr häufig von Bewerber:innen geghostet. Die Studie, für die 150 heimische Recruiter:innen sowie 1.000 Arbeitnehmer:innen in Österreich vom Marktforschungsinstitut Appinio im Rahmen einer Online-Umfrage befragt wurden, gibt aber auch Einblicke, wann Ghosting am häufigsten passiert und was die Gründe dafür sind.

Ghosting meist erst im späteren Bewerbungsprozess

Konkret geben knapp zwei Drittel (63 Prozent) der befragten Recruiter:innen an, gelegentlich mit Ghosting seitens Bewerber:innen konfrontiert zu sein. Weitere 13 Prozent erleben dies häufig bis sehr häufig. Dem hingegen meint knapp jede:r Vierte, dass es nur selten vorkommt, dass Bewerber:innen plötzlich nichts mehr vom Unternehmen wissen wollen.

Erstaunlich ist vor allem, wie spät Bewerber:innen oftmals erst aussteigen: Mit 45 Prozent meint fast die Hälfte aller Recruiter:innen, dass Bewerber:innen meistens zwischen bereits erfolgter Vertragsunterzeichnung und Arbeitsbeginn abspringen. Ein weiteres Viertel erlebt, dass der Sinneswandel meist nach Job-Zusage, aber vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrages erfolgt. Oft abgesprungen wird zudem direkt nach dem ersten Gespräch mit den Recruiter:innen (zwölf Prozent), ebenso sind das erste Kennenlernen der Führungskraft sowie das Kennenlernen des Teams mit je fünf Prozent ausschlaggebende Punkte.

"Eine Bilanz, die zu denken gibt. Man hört eher, dass Unternehmen ihren Kandidat:innen keine Rückmeldung auf eingehende Bewerbungen geben. Dass es auch umgekehrt passiert, zeigt das neue Selbstbewusstsein der Kandidat:innen bei der Jobsuche am Arbeitnehmermarkt und dass sie begehrte Talente mit vielen Möglichkeiten sind", schließt Sandra Bascha, Leitung Kommunikation Xing Österreich und New-Work-Expertin, aus der Umfrage.

Rasche Rückmeldung gefordert

Dennoch haben Bewerber:innen umgekehrt recht hohe Anforderungen, wenn es um Rückmeldungen vonseiten der potenziell neuen Arbeitgeber:innen geht. So gibt knapp die Hälfte (46 Prozent) der 1.000 befragten Arbeitnehmer:innen an, dass es maximal eine Woche dauern sollte, bis sich Unternehmen auf eingelangte Bewerbungen zurückmelden. 39 Prozent haben dagegen etwas mehr Geduld und wären auch mit einer Rückmeldungszeit zwischen einer und zwei Wochen zufrieden sein. Nur elf Prozent würden Unternehmen bis zu drei Wochen Zeit geben. Bis zu vier Wochen würden hingegen nur noch drei Prozent warten, und darüber hinaus hat nur ein Prozent Verständnis.

Betrachtet man den gesamten Bewerbungsprozess, sind etwa zwei Drittel (64 Prozent) der Meinung, dass sich der Zeitrahmen vom Eintreffen der Bewerbung bis hin zur Unterzeichnung des Vertrags zwischen zwei und vier Wochen bewegen sollte. Weitere 29 Prozent würden vier bis sechs Wochen in Ordnung finden. Sechs bis acht Wochen würden allerdings nur noch sechs Prozent der Befragten warten, länger als acht Wochen nur ein Prozent.

Aktive Ansprache von Unternehmen beliebt bei Jobsuchenden

Wie Jobsuchende zu einer neuen Stelle kommen, ist unterschiedlich und wird oft von der aktuellen Lebenslage abhängig gemacht, wie die Umfrage zeigt. So sagen 31 Prozent, dass sie bei einem dringend benötigten Jobwechsel zur aktiven Bewerbung greifen, während sie sich bei nicht-akuter Situation auch gerne von Unternehmen finden lassen.

Insgesamt gibt aber knapp ein Fünftel (19 Prozent) an, sich schon mal gerne aktiv von Recruiter:innen ansprechen zu lassen. Kein Wunder, wird Active Sourcing doch als schmeichelhaft empfunden, da es oftmals bedeutet, dass Unternehmen speziell an dem:der Jobsuchenden samt Erfahrungen und Fähigkeiten Interesse haben. Dennoch wollen 38 Prozent lieber eigenständig nach Stellen suchen und sich aktiv bewerben, da sie das Gefühl haben, eine gezieltere Auswahl treffen zu können.

Das können Arbeitgeber besser machen

Lediglich 19 Prozent der befragten Arbeitnehmer:innen zeigen sich mit ihren bisherigen Bewerbungserfahrungen zufrieden. Alle anderen hatten bereits Probleme mit fehlenden Rückmeldungen (44 Prozent), langen Wartezeiten (32 Prozent), intransparenten Gehaltsangaben (28 Prozent), aufwendigen und langwierigen Bewerbungsprozessen (26 Prozent), unrealistischen Anforderungen seitens der Unternehmen im Hinblick auf fachliche Qualifikationen (26 Prozent), unpersönlicher Kommunikation, zum Beispiel mit automatisierten Antworten oder standardisierten Absagen (23 Prozent), unklaren Stellenanzeigen (23 Prozent), fehlenden Informationen zu Unternehmenskultur bzw. eine unauthentische Unternehmenskultur (14 Prozent) sowie technischen Problemen bei Online-Bewerbungen (acht Prozent).

Um Ghosting vorzubeugen, können Unternehmen also an ebendiesen Punkten ansetzen und es besser machen. Denn: "Ghosting ist auch im Recruiting keine angenehme Erfahrung – im Gegenteil: Unternehmen investieren erheblich in ihre Recruitingprozesse und setzen große Hoffnungen in passende Kandidaten", weiß Sandra Bascha. Gerade im Kontext des Fachkräftemangels sei es wichtiger denn je, dass Recruiter gezielt darauf eingehen, was Bewerber im Prozess stört, um diese zu halten. "Da qualifizierte Fachkräfte schwer zu finden sind, ist es für Unternehmen ratsam, eine wertschätzende und vor allem zügige Candidate Journey zu gestalten, die gezielt auf die Bedürfnisse der Kandidaten eingeht und sie im Bewerbungsprozess bindet", so die Xing Kommunikationsleiterin.

www.xing.com

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV