KSV Inoslvenzstatistik 2024
Die Passiva der 14 größten Pleiten des Jahres haben es in sich

Laut dem KSV1870 strahlen die zahlreichen Insolvenzen mit hohen Verbindlichkeiten auch auf wirtschaftlich stabile Unternehmen aus. Heuer brauchte es 150 Millionen Euro (!), um es in die Top 10 zu schaffen. Für 2025 ist laut den Experten keine Entspannung in Sicht.

Kurz vor Jahresende hat der KSV1870 die Hochrechnung seiner Insolvenzstatistik veröffentlicht. Demnach mussten heuer in Österreich 6.550 Unternehmen Insolvenz anmelden. Das sind im Schnitt 18 Firmenpleiten pro Tag. Insolvenztreiber sind demnach der Handel, die Bauwirtschaft und der Bereich Beherbergung/Gastronomie. Bereits jetzt stehen 79 Großinsolvenzen mit Passiva von über zehn Millionen Euro zu Buche. Darüber sind 2024 auch deutlich mehr Gläubiger:innen und Arbeitnehmer:innen betroffen als im Vorjahr. Für 2025 fällt die Prognose des Kreditschutzverbandes düster aus.

Insolvenzschub mit weitreichenden Folgen

Österreichs Wirtschaft ist 2024 von einem Insolvenzschub mit weitreichenden Folgen gekennzeichnet. Die vom KSV1870 bereits im Sommer prognostizierten Zahlen liegen historisch betrachtet im obersten Bereich. Es gibt heuer viele sehr große Insolvenzen und verstärkt auch wieder mittelständische Betriebe bei den Gerichten. Anders als zahlreiche Insolvenzen nach der Corona-Pandemie weisen die mittelständischen Betriebe mehr Aktivvermögen auf. Sie sind zwar überschuldet bzw. zahlungsunfähig, haben aber eine gewisse finanzielle Substanz. Ihre Themen sind laut dem Kreditschutzverband von 1870 die Energie-, Rohstoff- und Personalkosten, die sie sehr oft nicht oder in zu geringem Ausmaß weitergegeben haben. Insgesamt treffen die Pleiten eine große Zahl an Beschäftigten (30.200/+27 %), die sich nun auf dem Arbeitsmarkt wiederfinden. Auffällig sei auch, dass von den Fällen viele Gläubiger:innen (51.000/+12 %) betroffen sind. Die Fälle strahlen damit auch auf andere Betriebe bzw. deren Geschäftspartner aus und bergen das Risiko von Folgeinsolvenzen. "Umso mehr Unternehmen in die Pleite rutschen, desto größer ist die Gefahr, dass infolgedessen auch finanziell gesunde Unternehmen über kurz oder lang mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen haben und den Anker werfen müssen", erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz.

Wirtschaftliche Kontinuität fehlt häufig

Weiters geht aus der Analyse hervor, dass Österreichs Unternehmen an vielen Fronten zu kämpfen haben. Das zeigt auch ihre Geschäftslage, die seitens des KSV1870 regelmäßig erhoben wird. Aktuell sind demnach nur 48 Prozent der Betriebe mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden – das sei der niedrigste Wert seit drei Jahren. Einerseits belasten hohe Energiekosten die Budgets, andererseits schmerzen der Fachkräftemangel oder die sinkende Auftragslage. Hinzu komme, dass die generelle Exportnachfrage in Österreich und Europa nur schleppend vorangeht. Von einer Entspannung könne keine Rede sein. "Die Probleme sind gekommen, um zu bleiben. Zumindest vorerst, wie es den Anschein hat. In naher Zukunft wird es darum gehen, neue Impulse zu setzen und keinen Cent liegenzulassen. Dazu wird es auch eine starke Regierung brauchen, der es gelingt, Unternehmer und Private gleichermaßen zu entlasten", erklärt Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding AG.

Zahl der nichteröffneten Verfahren steigt

Im Zuge der aktuellen wirtschaftlichen Situation betrachtet der Kreditschutzverband auch die Entwicklung rund um die nichteröffneten Insolvenzen mit Argusaugen. Gegenüber dem Vorjahr wurden heuer um 20 Prozent mehr Fälle mangels Vermögens (insgesamt 2.403 Fälle) nicht eröffnet, da nicht einmal mehr 4.000 Euro zur Deckung der Gerichtskosten vorhanden sind. Aus Sicht des KSV1870 gebe es allein in diesen Fällen ein Volumen von mehreren hundert Millionen Euro, die bei Insolvenzeröffnung einer geordneten Abwicklung zugeführt und damit in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden könnten. Zuletzt ortete man diesbezüglich einen Fehler im Rechtssystem (LEADERSNET berichtete).

KSV1870 Hochrechnung 2024© KSV1870

Insolvenztreiber

Sieht man sich die unterschiedlichen Branchen an, gibt es vor allem drei Treiber der Pleitewelle. Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung verzeichnet der Handel mit 1.146 Firmenpleiten (+ 16 Prozent) die meisten Insolvenzen. Hier falle auf, dass sowohl der Einzel- wie auch der Großhandel sehr ähnliche prozentuelle Anstiege verzeichnen. Auf Platz zwei folgt die Bauwirtschaft mit 1.069 Fällen (+ 15 Prozent). Während der Tiefbau kaum Pleiten zu verzeichnen hat, sieht die Situation im Hochbau (322 Fälle) und im Baunebengewerbe (738 Fälle) deutlich anders aus. Ergänzend sei an dieser Stelle das Grundstücks- und Wohnungswesen (323 Fälle) mit einem satten Anstieg von 76 Prozent erwähnt. Die wirtschaftlichen Probleme der Bauwirtschaft strahlen zweifelsohne auch auf diesen Sektor. Auf Position drei rangiert der Bereich Beherbergung/Gastronomie mit 826 Fällen und einem Anstieg von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Diese drei Branchen – Handel, Bauwirtschaft, Beherbergung/Gastronomie – sind im Jahr 2024 für fast die Hälfte aller Unternehmensinsolvenzen verantwortlich.

Bundesländer

Die Anzahl der Insolvenzen ist in allen Bundesländern gestiegen, bei der Höhe der Passiva sieht die Sache etwas anders aus. Hier gab es auch einen Rückgang, und zwar in Wien. Das liegt vor allem daran, dass es in der Bundeshauptstadt im Vorjahr aufgrund der Signa-Pleiten einen drastischen Ausreißer nach oben gab. Dafür gab es heuer in Tirol ein Plus von über 2.400 Prozent, was wiederum daran liegt, dass hier zwei Großinsolvenzen in der Causa René Benko schlagend wurden.

KSV1870 Hochrechnung 2024© KSV1870

Passiva* steigen weiter an

Ausgehend von ohnehin schon sehr hohen Passiva*, die im Vorjahr vor allem den zahlreichen Signa-Pleiten geschuldet waren, sind diese im Jahr 2024 um weitere 31 Prozent auf insgesamt 18,3 Milliarden Euro angewachsen. Besonders großen Einfluss auf diese Entwicklung haben die 79 Großinsolvenzen (2023: 44 Fälle) mit Passiva von jeweils über zehn Millionen Euro, die bereits jetzt zu Buche stehen. Die größte Pleite des Jahres verzeichnet die Fisker GmbH mit 3,79 Milliarden Euro an Passiva. Es folgt René Benko als Unternehmer (2,43 Milliarden Euro) und die Familie Benko Privatstiftung mit 2,28 Milliarden Euro. Die erst kürzlich in die Insolvenz geschlitterte KTM AG belegt mit Passiva in der Höhe von 1,82 Milliarden Euro Platz vier. Die zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren in die Insolvenz gerutschte Leiner & kika Möbelhandels GmbH liegt mit 139 Millionen Euro außerhalb der zehn größten Insolvenzen des heurigen Jahres. Insgesamt gab es 14 Pleiten mit Passiva von mehr als 100 Millionen Euro.

KSV1870 Hochrechnung 2024© KSV1870

Düstere Prognose

Für das kommende Jahr rechnet der KSV1870 mit 6.500 bis 7.000 Unternehmensinsolvenzen – der Trend zu hohen Fallzahlen werde aus heutiger Sicht anhalten. Denn die Wirtschaftsforscher:innen erwarten ein geringes Wachstum, die Lage in Deutschland – Österreichs wichtigstem Handelspartner – bleibt voraussichtlich schwierig und es gibt keine Anzeichen, dass sich die Kostensituation spürbar entspannen wird. "Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass wir puncto hoher Insolvenzzahlen nicht am Ende des Tunnels angekommen sind, sondern uns mittendrin befinden", so Götze. Auch, weil Faktoren wie Energiekosten, Konsumnachfrage oder geopolitische Entwicklungen weiterhin maßgeblichen Einfluss auf die wirtschaftliche Situation der Unternehmen haben werden, und damit auch auf die Insolvenzentwicklung im kommenden Jahr.

Zudem wird sich zeigen, welche Entwicklung der Arbeitsmarkt nimmt und wie sich zentrale Branchen, wie die Bauwirtschaft, entwickeln. Vybiral sagt abschließend: "Das Auslaufen der KIM-Verordnung ist jedenfalls ein guter Schritt, um der Baubranche neues Leben einzuhauchen. Inwieweit dieser Schritt bereits 2025 in der Realität spürbar sein wird, bleibt abzuwarten."

www.ksv.at

*Die Passiva für das Jahr 2024 sind vorläufige Werte und beziehen sich auf den Stichtag der Hochrechnung, den 3. Dezember 2024. Im Zuge der fortlaufenden Insolvenzverfahren werden sich diese Passiva noch verändern.

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