Mitte des Jahres zeigte der Global Gender Gap Report auf, dass in puncto Gleichstellung zwischen Mann und Frau noch einiges zu tun ist, denn der Weg dorthin ist trotz vieler feministischer Bemühungen nicht kürzer, sondern sogar ein Stück länger geworden. Laut Bericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) wird es demnach noch 134 Jahre dauern, bevor Männer und Frauen dieselben Chancen erhalten. Im Vorjahr wäre die Dauer laut Prognose immerhin drei Jahre früher erreicht gewesen.
Über ebendiese fehlende Gleichstellung wollten kürzlich auch der Creativ Club Austria und designaustria sprechen und luden dem zum Anlass ins MuseumsQuartier zum "Frühstück mit Folgen", bei dem bei Kaffee und Croissants Themen wie Gender Equality, Gender Pay Gap, Male Gaze und die drohende Feminisierung der Kreativwirtschaft diskutiert wurden. Den Anfang machte Katharina Mader, Chef-Ökonomin des Momentum Instituts, mit einem wissenschaftlichen Impuls über den aktuellen Stand der Gleichstellung in Österreich. Anschließend kamen Marcello Demner (DMB), Jana Frantal (Studie Sirene) und Gerin Trautenberger (KAT Kreativwirtschaft Austria) zu Wort. Moderiert wurde die Veranstaltung von Kommunikationsberaterin Kira Saskia Schinko.
Abwertung der Leistung von Frauen
Katharina Mader erläuterte in ihrer Keynote die sogenannte "Abwertungstheorie". Dahinter verbirgt sich das Phänomen, dass sobald Frauen vermehrt in bestimmten Branchen aktiv sind, sie oft an Wertschätzung verlieren und ihre Tätigkeiten abgewertet werden. Ein erhöhter Frauenanteil führe schließlich zu häufig niedrigeren Stundenlöhnen. Hierzulande sind es auch Frauen, die in viel schlechter bezahlten Branchen überrepräsentiert sind, und in sogenannten "Männerberufen" zeigt sich der größte Gender Pay Gap. In der Kreativbranche bahnen sich durch die steigende Feminisierung ähnliche Herausforderungen an, heißt es. Steigende Ausbildungszahlen zeigen, dass stetig mehr Frauen in den Markt drängen. Das führe laut Mader dazu, dass Umsätze sinken, alle Beteiligten ein niedrigeres Einkommen erhalten und die gesamte Branche abgewertet würde. Ein Weckruf, sich noch intensiver der strukturellen Benachteiligung von Frauen zu widmen und diese gezielt anzugehen.
Weiters widmet sich Mader der weitverbreiteten Empfehlung, Frauen sollten ihre Gehälter offensiver verhandeln, denn dieser verkennt laut Chef-Ökonomin die Realität. Mittlerweile ist nämlich bewiesen, dass Frauen, die verhandeln, im Nachgang oft benachteiligt werden. Und auch die Mutterschaft wirke sich noch immer massiv auf die Karrierechancen und das Einkommen von Frauen aus: so sinkt das Einkommen der Frauen in Österreich nach der Geburt des ersten Kindes durchschnittlich um 51 Prozent. Zum Abschluss gab Mader noch einen ernüchternden Ausblick und gab bekannt, dass in den letzten 45 Jahren der Gender Pay Gap gerade einmal um drei Prozent bereinigt wurde. Bleibt dieses Niveau, ist auch in 134 Jahren noch immer nicht mit einer Gleichstellung zu rechnen. Die Dauer beläuft sich in diesem Tempo auf bis zu 400 Jahre, bis vollständige Lohngleichheit ist.
Ganzheitliche Gleichstellung
Marcello Demner erläuterte in seinem Redebeitrag die Entwicklung von DMB. In der Agentur machen Frauen insgesamt 57 Prozent der Belegschaft aus und 52 Prozent der Exekutivpositionen – darunter auch COO und CFO. Laut Demner entstehe durch diese Struktur ein Automatismus, bei dem Frauen Entscheidungen für Frauen treffen. Auf Mitarbeiterinnen-Initiative wurde zudem ein Code of Conduct verfasst, sprich eine formelle Sammlung verbindlicher Verhaltensregeln, den die Agentur demnächst auch anderen Agenturen zur Verfügung stellen wird. "Wir müssen gemeinsam als Community – aber auch als Gesellschaft – einen Schritt nach vorne machen", erklärt Demner. "Es gilt, sich stetig selbst zu reflektieren und einen offenen Austausch zu ermöglichen."
Jana Frantal betonte wiederum die Kraft der gemeinsamen Arbeit. Dass Kundinnen und Kunden in einen "Topf" geworfen und fair verteilt werden, stellt eine gleichwertige Zusammenarbeit sicher, heißt es. Auch sei der Austausch von großer Notwendigkeit, denn indem man offen über Umstände und Herausforderungen wie Gehälter spräche, ließen sich nachhaltige Veränderungen bewirken. "Frauen und Mütter sowie Personen mit Betreuungsaufgaben, die in den meisten Einzelunternehmen (EPU) tätig sind, sollten sich verstärkt in derartigen Kollektiven organisieren – eine Form der Zusammenarbeit, die noch zu wenig bekannt ist, aber großes Potenzial bietet. Das sollte längst ein Thema in der Wirtschaftskammer sein", so Frantal.
Bei Gerin Trautenberger ging es schließlich um die Bedeutung struktureller und politischer Maßnahmen wie Gesetze und Förderrichtlinien. So sei Diversität auf europäischer Ebene ein unverzichtbarer Grundpfeiler. Ein positives Beispiel dafür sei das EU Gender Equality Planning, das die Gleichstellung der Geschlechter in Gesellschaft und Wirtschaft vorantreiben soll. Österreich liegt allerdings in diesem Bereich zurück, im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern, die diesbezüglich eine Vorreiterrolle einnehmen. Wie der Vorsitzende der Kreativwirtschaft Austria (KAT) weiter ausführt, sind Frauen in der europäischen Kreativbranche nach wie vor stark unterrepräsentiert – lediglich rund fünf bis sieben Prozent von ihnen bekleiden eine Führungsposition.
Kira Saskia Schinko ergänzt, dass die Situation besonders prekär für selbstständige Frauen sei und zitiert die Wissenschaftlerin Katrin Gasior. 48 Prozent von ihnen sind auf individueller Ebene armutsgefährdet. In diesem Zusammenhang könne eine transparente Gehalts- und Umsatzerhebung zielführend sein. "Österreich ist ein gender-konservatives Land, das die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der bestehenden Geschlechterungleichheit in der Arbeitswelt nicht ausreichend ernst nimmt. Die unbewusste Inkompetenz vieler Entscheidungsträger blockiert den Fortschritt total. Ein Appell an die nächste Regierung, Ministerien und Wirtschaftskammer muss sein, eine feministische Arbeits-Politik zu verfolgen", so Schinko.
Zudem präsentierten Letitia Lehner und Kira Schinko den Raum für Erregung. Diese Ausstellung markiert den Übergang von Daten, Fakten und Emotionen hin zu klaren und gezielten Forderungen sowie gezielten politischen Schritten, um Gleichstellung der Frauen in der Kreativwirtschaft voranzutreiben.
Wer sich in Bezug auf Gender Equality selbst testen möchte, kann das über den Privilegientest für kreativwirtschaftliche Unternehmen tun. Zukünftig soll der Test erweitert werden, um auch die weiteren Dimensionen der Charta der Vielfalt zu umfassen.
Einen Eindruck vom "Frühstück mit Folgen" können Sie sich mittels Galerie verschaffen.
www.creativclub.at
www.wko.at
www.designaustria.at
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