Am Mittwochabend lud die Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ) zu ihrem traditionellen Industrie Empfang 2024. Zahlreiche Vertreter:innen aus Wirtschaft und Politik (siehe unten) folgten der Einladung in die Johannes Kepler Universität in Linz. Im Vorjahr stand dieser Empfang unter dem Motto "Industrie – Europa – Zukunft" und der Titel der Pressekonferenz lautete "Quo Vadis Industrie". Zwölf Monate später hätten sich die Wolken jedoch nicht gelichtet - im Gegenteil: Laut der IV OÖ haben sich die Rahmenbedingungen für Europa weiter verschlechtert und die Industrie in Österreich habe durch enorme Personalkostensteigerungen zusätzlich einen Kostenrucksack zu tragen, der die Wettbewerbsfähigkeit weiter reduziere. So war es wenig überraschend, dass der IV OÖ-Präsident und Pierer Mobility-CEO, Stefan Pierer, beim Industrie Empfang 2024 vor einer bedrohlichen Entwicklung für den heimischen Wirtschaftsstandort warnte und diesbezüglich mit klaren, teils hart formulierten Botschaften nicht hinterm Zaun hielt.
"Wir sind nicht mehr um das besser, was wir teurer sind"
Im Wahljahr 2024 mit der im Herbst anstehenden Nationalratswahl seien auch weiterhin keine standortpolitischen Fortschritte zu erwarten, so die IV OÖ. Auch der "alte (und kranke?) Mann Europas", Deutschland, werde wohl erst nach der nächsten Wahl einen Umschwung einleiten. "Wann gelingt die Industriewende?", fragte sich Pierer. Laut ihm fallen Österreich und Europa im Vergleich zu den USA und China in jedem Monat weiter zurück, Wertschöpfung und Arbeitsplätze gingen verloren, Verlagerungen fänden statt. "Es ist besser, das Dach zu reparieren, wenn die Sonne scheint. Jetzt können wir noch aus einer Position der Stärke agieren", betonte der IV OÖ-Präsident. "Die Fahrzeug- und Maschinenbauindustrie sind die dominierenden Stärkefelder Österreichs und ganz Europas. Gerade in diesen Schlüsselbranchen kommt aus China enorme Konkurrenz auf uns zu, die bei Qualität und Produktivität aufgeschlossen hat – bei deutlich niedrigeren Kosten und wesentlich höheren Jahresarbeitszeiten. Während an meinen Standorten im Unternehmen in Österreich 1.626 Stunden im White Collar- und 1.580 im Blue Collar-Sektor jährlich in Vollzeit gearbeitet wird, sind es in China 2.573 bzw. 3.500 und in Indien 2.456 sowie 2.916 Stunden", so Pierer und weiter: "Wir sind nicht mehr um das besser, was wir teurer sind."
Warnsignale nicht ignorieren
Dass der heimische Industriestandort enorm unter Druck steht, wird von vielen Expert:innen und Analysen bestätigt. Die IV OÖ zeichnet vor allem folgende vier Gründe dafür hauptverantwortlich: Hohe Energiekosten, steigende Arbeitskosten, Überregulierung und Fachkräftemangel.
Während Europa im Vergleich zu den USA und China zurückfalle, verliere Österreich innerhalb Europas zusätzlich durch die stark steigenden Personalkosten in Verbindung mit einer seit Jahren laufenden schleichenden Arbeitszeitverkürzung an Wettbewerbsfähigkeit, zeigte man sich überzeugt. Stefan Pierer dazu: "Es braucht wieder eine Diskussion über Leistung, Arbeitszeit, Steuerbelastung und damit darüber, woher unser Wohlstand kommt. Eine Ignoranz aller Warnsignale wäre fatal für unseren Standort."
Studien zufolge habe sich in Österreich die Arbeitsproduktivität seit 2010 kaum verbessert, nur in Italien, Luxemburg und Griechenland war die Entwicklung noch schlechter. Gleichzeitig hat sich das BIP pro Kopf laut Agenda Austria seit 2019 mit -1,7 Prozent sogar verringert. Österreich sei somit ärmer geworden und damit Schlusslicht im EU-Vergleich. "Wenn immer mehr Menschen immer kürzer arbeiten und bei höherer Lebenserwartung und längeren Ausbildungszeiten trotzdem Anfang 60 in Pension gehen, wird unmittelbar klar, dass das keine gesunde Entwicklung für den Industriestandort aber auch nicht für die Finanzierung des Sozial- und Pensionssystems Österreichs darstellt. Es muss sich jetzt rasch etwas ändern", betont der IV OÖ-Präsident.
Stärken und Schwächen des Industriestandortes
Eine aktuelle österreichweite IV-Mitgliederumfrage bestätigt diese Entwicklung, so die IV OÖ. 625 Führungskräfte, davon 153 aus Oberösterreich, haben daran teilgenommen. Die Schwächen überwiegen dabei die Stärken im Meinungsbild. Als besondere Stärken des Industriestandortes werden von den IV-Mitgliedern mit 81 Prozent Zustimmung die Rechtssicherheit sowie mit 72 Prozent das Ausbildungsniveau definiert, gefolgt von der Verkehrsinfrastruktur und den im internationalen Vergleich attraktiven Forschungsrahmenbedingungen. Auf der anderen Seite sind für 91 Prozent der Befragten die hohen Lohnkosten die größte Schwäche des Standortes, dicht gefolgt von der hohen Inflation (86 Prozent), der enormen Steuer- und Abgabenlast (86 Prozent) sowie der überbordenden Bürokratie (80 Prozent). Die hohen Energiekosten zählen der Umfrage zufolge ebenso zu den am stärksten empfundenen Schwächen, während der Mangel an Arbeitskräften zwar nach wie vor als Herausforderung wahrgenommen, jedoch aktuell nicht mehr zu den drängendsten Problemen des Standortes gezählt wird.
"Reparaturpakete" für Europa und Österreich
Nach der kürzlich geschlagenen Europawahl gibt es von der IV OÖ auch klare Forderungen an die künftigen europäischen Entscheidungsträger:innen. So müssten ein neues Parlament und eine neue Kommission in der neuen Legislaturperiode 2024 bis 2029 einige wesentliche Kurskorrekturen und Verbesserungsmaßnahmen vornehmen. Konkret wurden folgende Forderungen formuliert:
- Senkung des Bürokratieaufwandes für Betriebe
- Etablierung eines Energie-Binnenmarktes mit ausgebauten Netzen und ohne regulatorische Hindernisse für eine sichere und preislich wettbewerbsfähige Energieversorgung
- Erleichterung des Zugangs von Unternehmen zu Finanzierungen über den Kapitalmarkt durch eine Kapitalmarktunion
- Verstärkung der technologieoffenen Förderung von Forschung und Innovation
- Ausbau der digitalen Infrastruktur, Forcierung von Künstlicher Intelligenz als Geschäftsmodell und Wachstumstreiber
- Abschluss internationaler Freihandelsabkommen, Verhinderung von Strafzöllen
- Gesteuerte qualifizierte Zuwanderung statt ungesteuerter Migration
Bei der nächsten Bundesregierung ortet man ebenfalls großen Handlungsbedarf, um den Standort Österreich wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Bereits zu Jahresbeginn hat die IV OÖ zehn Punkte eines Standortreparatur-Paketes präsentiert (LEADERSNET berichtete).
"Österreich und Europa sollten jetzt rasch aufwachen, um die Industrie in Europa zu halten. Die notwendigen standortpolitischen Antworten auf veränderte globale Rahmenbedingungen müssen schnell und umfassend gegeben werden, um den weiteren Abstieg zu verhindern", betont IV OÖ-Präsident Stefan Pierer abschließend.
Hochkarätiger Empfang
Der Einladung von IV OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch und Stefan Pierer folgten u.a. Landeshauptmann Thomas Stelzer, IV-Österreich-Präsident Georg Knill, Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner, die neue Greiner-CEO Saori Dubourg, Energie AG-CEO Leonhard Schitter, IV NÖ-GF Michaela Roither, RLB OÖ CEO Heinrich Schaller, Oberbank-Chef Franz Gasselsberger, Ex-WKÖ-Präsident Christoph Leitl, WKOÖ-Präsidentin Doris Hummer, IV OÖ-Chefökonom Christian Helmenstein, Business Europe-Generaldirektor Markus Beyrer, JKU-Rektor Stefan Koch, JKU-Vizerektor Alexander Freischlager, Andreas Klauser (Palfinger AG), F. Peter Mitterbauer (Miba AG), Manfred Hackl (Erema Group), Ute Hackl, Ulrike Rabmer-Koller (Rabmer Gruppe), Günther Rübig Elisabeth Rübig-Strassl, Peter Rübig, Jörg Theis (B&R Industrial Automation ), Thilo Preß (Trumpf Maschinen Austria), Rainer Roll (MIC Datenverarbeitung), Christoph Knogler (Keba Group), Christian Ganser (Robert Bosch AG), Ursula Bründl, Manuela Haindl-Grutsch oder Thomas Bründl (Starlim Spritzguss GmbH).
LEADERSNET war beim Industrie Empfang 2024. Wer der Einladung sonst noch aller folgte, sehen Sie in den Galerien hier und hier.
www.oberoesterreich.iv.at
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