Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob synthetische Kraftstoffe (eFuels) im Pkw-Bereich sinnvoll sind, oder sie besser nur in anderen Bereichen (Flugzeuge, Schiffe, Lkws etc.) zum Einsatz kommen sollen. Während Kritiker:innen die (noch) geringe Verfügbarkeit, den hohen Energiebedarf bei der Herstellung und den geringen Wirkungsgrad ins Feld führen, sehen Unterstützer:innen eine unkomplizierte Möglichkeit, den Autobestand CO₂-neutral zu machen und neuen Verbrennern auch nach 2035 weiterhin eine Chance zu geben. Zuletzt gab es auch vonseiten der Europäischen Union Anzeichen, das beschlossene Verkaufsverbot eventuell doch noch einmal zu überdenken. Bei Verbraucher:innen und Konsument:innen, die mit der Anschaffung eines neuen Autos liebäugeln, sowie bei Unternehmen, die im Bereich der synthetischen Kraftstoffe tätig sind, sorgt dieses Hin und Her natürlich für Verunsicherung.
Ruf nach Klarheit
Passend dazu forderten nun Mobilitätsexpert:innen im Rahmen eines Pressegesprächs in Wien die politischen Verantwortlichen auf EU-Ebene auf, rasch Planungssicherheit wiederherzustellen und den Schwebezustand zwischen "vielleicht verboten" und "vielleicht doch erlaubt" zu beenden. Für Jürgen Roth, Präsident der eFuel Alliance Österreich, sei die Zeit längst reif, neue Motorenkonzepte und innovative Energieträger zweigleisig voranzutreiben und nicht gegeneinander auszuspielen: "Wenn man etwas möchte, reicht es nicht, es nicht explizit zu verbieten. Dazu gehört auch, Quasi-Verbote zu entkräften. Der Standort Europa leidet, wenn die Europäische Kommission Entscheidungen zwei Jahre vor sich herschiebt. Beim Klimaschutz muss sie den Standort und die Resilienz unserer Wirtschaft mitdenken. Das ist gerade jetzt ein Gebot der Stunde."
Stephan Schwarzer, Generalsekretär der eFuel Alliance Österreich, erklärt: "Der motorisierte Individualverkehr bleibt das Sorgenkind des Klimaschutzes, nachdem sich gezeigt hat, dass Electric-only ein Irrweg war." Wie weit die Wunschvorstellung der Politik von der Realität entfernt liege, zeigten die Verkaufszahlen. Der E-Auto-Anteil im Bestand sei demnach von Ende 2023 bis Ende 2024 nur um einen Prozentpunkt von drei auf vier Prozent gestiegen. "Auch 2030 werden 90 Prozent der Fahrzeuge einen Verbrennungsmotor haben. Genau da muss man ansetzen und CO₂-neutrale Kraftstoffe für die große Masse an Bestandsfahrzeugen bereitstellen", zeigt sich Schwarzer überzeugt. Der Kunde sei König – und die Politik habe zu liefern, was der Bevölkerung helfe, CO₂-Emissionen abzubauen.
Im Rahmen der Pressekonferenz wurde auch auf eine Studie verwiesen, laut der synthetische Kraftstoffe bei der Emissionsreduktion vor Elektroautos lägen. Die Analyse von Günther Oswald untersuchte die CO₂-Emissionen der meistverkauften Fahrzeuge in Österreich im Jahr 2024. Die Ergebnisse lauten: Fährt ein Verbrenner anstatt mit fossilem Treibstoff mit HVO (hydriertes Pflanzenöl), sinken die Emissionen von bisher 13 bis 14 kg auf 2,6 bis 2,7 kg CO₂/100 km. Damit weisen diese Treibstoffe der Studie zufolge eine bessere Ökobilanz auf als Elektroautos, die mit dem durchschnittlichen österreichischen Strommix fahren, sofern man die Mehremissionen aus der Batterieproduktion berücksichtigt. E-Autos bringen demnach einen größeren CO₂-Rucksack aus der Fahrzeugproduktion mit, der laut Studie mit zusätzlich vier bis fünf kg CO₂/100 km veranschlagt wird. In Wintermonaten oder bei Dunkelflaute würden die Stromemissionen auf bis zu sieben kg CO₂/100 km steigen. Oswald sagt zu den Ergebnissen seiner Analyse: "Mit eFuels können die Emissionen auf 0,3 bis 3,7 kg CO₂/100 km reduziert werden."
Technologieoffenheit statt Einheitslösung
Auch Uwe Dieter Grebe, Vorstand des Instituts für Antriebe und Fahrzeugtechnik (IFA) an der TU Wien, hält nichts von einer einseitigen Fokussierung auf batterieelektrische Fahrzeuge und fordert einen technologieoffenen Ansatz. "Wenn wir uns die Möglichkeiten anschauen, die verschiedene Antriebssysteme bieten, und die Voraussetzung zugrunde legen, dass nur erneuerbare Energiequellen verwendet werden, ist es effektiv, grüne Elektronen direkt auf dem Weg der Stromübertragung in die Batterien des batterieelektrischen Fahrzeuges zu bringen. Der effektivste Weg ist das allerdings nur dann, wenn regenerative Energie zur gleichen Zeit zur Verfügung steht, wenn das elektrische Fahrzeug geladen werden soll. Also bei Sonnenschein oder bei Wind."
Doch wie funktioniert die Herstellung nun genau? Mithilfe von Fischer-Tropsch- oder Methanisierungs-Prozessen können aus grünen Elektronen synthetische Kraftstoffe hergestellt werden. Dem Wasserstoff kommt in allen Umwandlungsprozessen eine zentrale Rolle zu. Er ist durch die Umwandlung des Stroms mithilfe von Elektrolyseuren der erste Weg hin zur molekularen Speicherung. Wasserstoff könne aber natürlich auch direkt für den Transport durch das Umsetzen in Verbrennungsmotoren oder Brennstoffzellen genutzt werden, so Grebe und fügt hinzu: "Electric-only ist daher grundsätzlich nicht zielführend. Synthetische Kraftstoffe könnten wesentlich zu einer raschen CO₂-Reduktion beitragen. Jede Lösung hat dabei ihre Meriten und Schranken, doch alle Lösungen gemeinsam können das Gesamtziel am besten erreichen. CO₂-neutrale, erneuerbare flüssige Kraftstoffe – im Fachjargon 'grüne Moleküle' – sind die logische Ergänzung zu Ökostrom ('grüne Elektronen'). Sie ermöglichen es, grüne Energie dort zur Verfügung zu stellen, wo sie gebraucht wird – 365 Tage im Jahr. Beide Technologiestränge sind voranzutreiben."
Appell an Europäische Union
Laut Jürgen Roth müsse eine sinnvolle Klima-Mobilitäts-Strategie drei Kriterien erfüllen (Details siehe Infobox):
- Effektive Maßnahmen
- Wirtschaftlich sinnvolle Strategien
- Ganzheitlich gedachte Standortpolitik
Daher laute die Forderung an die EU, dass regulatorische Barrieren, die einer eFuels-Massenproduktion im Wege stehen, so rasch wie möglich beseitigt werden müssten. Zwar habe die EU bei den CO₂-Grenzwert-Verordnungen Bewegung signalisiert, aber es gehe viel zu langsam. Technologieoffenheit werde zwar proklamiert, aber in den Rechtsvorschriften stehe etwas anderes. Stephan Schwarzer übt an der Vorgehensweise Kritik: "Zuerst fordert die EU fast Unmögliches und dann behindert sie die Projekte zur Umsetzung, das macht einfach keinen Sinn." Jürgen Roth schlägt in dieselbe Kerbe: "Es hakt bei den viel zu detaillierten delegierten Rechtsakten, dieses Korsett raubt jedem Investor den Atem. Straffen, durchforsten ist notwendig. Die Europäische Kommission hat Abhilfe angekündigt, aber erst für das dritte Quartal. Bitte Beeilung, so viel Zeit haben wir nicht."
Situation in Österreich
Roth appelliert auch an die neue heimische Bundesregierung: "Der Österreichische Gesetzgeber hat auch Hebel in der Hand, die genutzt werden sollten. Normverbrauchsabgabe und Sachbezug müssen eFuels genauso fördern wie die Elektromobilität. Jede eingesparte Tonne CO₂ muss gleich viel zählen, dann kommen wir rascher weiter. Mit der Versicherungssteuer setzt die Bundesregierung ein Signal für Gleichstellung. Wir müssen die Instrumente ausbauen, dann sparen wir bei jedem Mal Tanken CO₂ in unserer Klimabilanz. Daher brauchen wir in der Kraftstoffverordnung höhere Quoten für eFuels. Lieber Investitionen in neue Technologien als Strafzahlungen wegen Verfehlung der Klimaziele." In der vergangenen Gesetzgebungsperiode sei hier zu wenig passiert, man habe keine eFuel-Strategie erarbeitet, jetzt bestehe Nachholbedarf, so der Präsident der eFuel Alliance Österreich abschließend.
Fotos vom Pressegespräch sehen Sie in der Galerie.
www.efuel-alliance.at
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