LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Harringer, wie zufrieden waren Sie mit dem Geschäftsjahr 2023/24 der Agrana?
Norbert Harringer: Wir haben im Geschäftsjahr 2023|24 in einem weiterhin sehr volatilen Umfeld die Herausforderungen sehr gut gemeistert und unsere operative Performance durchwegs verbessert. Sehr erfreulich war im Segment Zucker eine deutlich bessere Kapazitätsauslastung unserer Fabriken und eine höhere Zuckerproduktionsmenge als im Vorjahr. Trotz Absatzrückgang aufgrund gestiegener Importmengen aus der Ukraine verlief das Zuckergeschäft zufriedenstellend. Auch das Segment Frucht hat sich operativ gut entwickelt. Im Segment Stärke hinterließ die schwächelnde Konjunktur deutliche Spuren. Absatzvolumen und Verkaufspreise und somit auch das Betriebsergebnis reduzierten sich deutlich gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt aber stiegen die Umsätze unserer Gruppe leicht und beim Ergebnis der Betriebstätigkeit (EBIT) gab es ein sehr deutliches Plus.
LEADERSNET: Die Agrana ist vielen Österreicher:innen vor allem als Zuckerproduzent bekannt. In Wahrheit ist das Unternehmen jedoch der größte Verarbeiter landwirtschaftlicher Rohstoffe des Landes. Um welche Rohstoffe handelt es sich dabei?
Harringer: Agrana wurde 1988 als Dachgesellschaft für die österreichische Zucker- und Stärkeindustrie gegründet und hat sich vom ausschließlich österreichischen zu einem global tätigen Unternehmen erfolgreich weiterentwickelt. Für die Stärke- und Zuckergewinnung veredeln wir die Rohstoffe Kartoffel, Mais, Weizen bzw. Zuckerrüben. Im Jahr 2003 wurden die Kerngeschäftsbereiche Zucker und Stärke um das dritte Geschäftssegment Frucht erweitert. Darin werden aus Früchten wie Erdbeere, Pfirsich, Heidelbeere oder Apfel industrielle Vorprodukte für die Lebensmittelindustrie, zum Beispiel für Joghurt in Molkereien hergestellt. Dieser Erweiterungsschritt diente der Erschließung neuer Wachstumsfelder und war die Weichenstellung für die Globalisierung von Agrana. Wachsende Bedeutung bekommt hier für uns die Food Service Industrie, also zum Beispiel Quick Service Restaurants. Kaffee- oder Teeshops, wo die Kunden mit maßgeschneiderten Produkten wie Brown-Flavor-Zubereitungen, Soßen, Toppings oder Sirupen für Speiseeis, Milchshakes, Smoothies und Backwaren beliefert werden. Zum Segment Frucht zählt auch der Bereich "Fruchtsaftkonzentrate", wo wir zum Beispiel Apfelsaftkonzentrat oder natürliche Aromen an die Getränkeindustrie liefern. Wir verarbeiten in allen drei Segmenten weltweit an 55 Standorten jährlich rund neun Millionen Tonnen landwirtschaftlicher Rohstoffe.
LEADERSNET: Welchen Anteil haben diese am Jahresumsatz?
Harringer: Das Segment Frucht hat einen Umsatzanteil von rund 40 Prozent, Stärke und Zucker von jeweils rund 30 Prozent.
LEADERSNET: Auf welche Strategien setzen Sie in Zeiten des Fachkräftemangels, um die aktuelle Belegschaft zu halten und gute neue Dienstnehmer:innen zu rekrutieren?
Harringer: Der Fachkräftemangel ist für uns in unterschiedlichen Bereichen spürbar, zum Beispiel in den für Agrana wichtigen technischen Berufen wie Instandhaltung, Produktion und IT. Wir versuchen diesem Mangel durch frühzeitigen Kontakt zu potenziellen neuen Mitarbeiter:innen im Zuge von Berufsmessen, Kooperationen mit Schulen und Universitäten sowie Tagen der offenen Tür, bestmöglich zu begegnen.
LEADERSNET: Neben den aktuellen geopolitischen Verwerfungen zählt der Klimawandel zu den größten gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Agrana ist zweifellos den energieintensiven Unternehmen zuzuordnen. Welche Maßnahmen und Pläne setzen bzw. verfolgen Sie, um die vorgegebenen Klimaziele zu erreichen?
Harringer: Korrekt, die Verarbeitung von agrarischen Rohstoffen bedeutet in der Produktion einen hohen Energiebedarf. Andererseits sind wir alle dazu verpflichtet, sämtliche Anstrengungen auf Energieeffizienz und den Klimaschutz auszurichten. Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen steht die Zielmarke für den Klimaschutz völkerrechtlich verbindlich fest: Die Erderwärmung soll auf deutlich unter zwei Grad, wenn möglich auf 1,5 Grad, begrenzt werden. Auch der Industrie kommt eine enorme Verantwortung zu, für die Erreichung dieser Ziele einen Beitrag zu leisten. Daher haben wir frühzeitig einen Plan mit konkreten Projekten entwickelt, um unsere CO2-Emissionen in der Produktion und auch die in der vorgelagerten Wertschöpfungskette entstehenden Emissionen auf Netto-Null zu senken.
LEADERSNET: Viele Unternehmen nennen konkrete Jahreszahlen, ab wann sie klimaneutral sein möchten. Wie sieht die Klimastrategie bei der Agrana aus?
Harringer: Unser Maßnahmenpaket zur Emissionsreduktion ist in Umsetzung. Dazu zählen bereits laufende Energieeffizienzmaßnahmen, wie beispielsweise ein umfassendes Grünstrompaket an allen Standorten weltweit. Konkret sieht der Plan vor, bis 2040 die eigenen Emissionen und bis spätestens 2050 auch die in der vorgelagerten Wertschöpfungskette entstehenden Emissionen auf Netto-Null zu reduzieren. Unsere Emissionsreduktionsziele sind vergangenes Jahr durch die anerkannte Science Based Targets Initiative (SBTi) verifiziert worden. Das Investitionsvolumen für die Maßnahmen zur Reduktion unserer direkten und indirekten Emissionen (Scope 1+2) wird bis 2040 aus heutiger Sicht rund 600 Millionen Euro betragen.
LEADERSNET: Der Klimawandel, der in vermehrten Wetterextremen und Ernteausfällen resultiert, macht die Rohstoffversorgung sicherlich zunehmend schwierig. Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie hier aktuell für Ihr Unternehmen?
Harringer: Grundsätzlich sind wir in der Rohstoffbeschaffung durch unsere internationale Präsenz und langfristige Partnerschaften mit Lieferanten rund um den Globus strategisch gut aufgestellt. Bereits während der Pandemie konnten wir beweisen, dass wir in der Lage sind, unsere Kunden stabil zu beliefern. Natürlich kann es bei einem Einkaufsportfolio von über 5.000 Produkten allein im Fruchtzubereitungsbereich immer wieder zu Verknappungen kommen, aktuell in der Produktgruppe Kakao, wo die Produktionsmengen von Kakaobohnen aufgrund einer Pflanzenkrankheit, die die Kakaobäume in Westafrika befallen hat, stark zurückgegangen sind, und somit Schokoladeprodukte (zum Beispiel choco splits für Eiscreme Rezepturen) stark im Preis gestiegen sind.
LEADERSNET: Wie sehen die (wirtschaftlichen) Zukunftspläne der Agrana aus. Ist eine weitere Expansion oder die Einführung neuer Produkte geplant?
Harringer: Agrana ist mit ihrem diversifizierten Geschäftsmodell gut positioniert. In der Zukunft liegt unser Fokus liegt auf Stärkung und Wachstum des bestehenden Kerngeschäfts, wo es in jedem Segment Potenzial gibt. Dabei wollen wir uns weiter global diversifizieren und auch in Märkte investieren, in denen wir bereits erfolgreich tätig sind. Wir können hier auch auf unsere Innovationskraft setzen, etwa bei Fruchtzubereitungen, wo wir jährlich über 1.000 neue Produkte auf den Markt bringen.
www.agrana.com
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