Österreich braucht wirtschaftspolitische Klarheit und Mut zur Neuausrichtung. Das wurde neulich im Rahmen des Experten-Talks der Vereinigung österreichischer Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (VWT) im Hilton Vienna Plaza deutlich. Denn trotz hoher Lebensqualität verliere der Wirtschaftsstandort Österreich zunehmend an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Zusätzlich würden Reformstau, überbordende Bürokratie und strukturelle Schwächen die Innovationskraft und Investitionen im Land belasten.
Zur prominent besetzten Veranstaltung "Impulsvortrag Standort. Steuern & Sozialstaat. Was braucht Österreich?" waren Vertreter:innen aus Wirtschaft und Beratung geladen. Sie versuchten gemeinsam, zentrale Fragen zur Zukunft des Standorts Österreichs zu erörtern. Dabei standen insbesondere die Herausforderungen durch überbordende Bürokratie, hohe Steuerlasten und den demografischen Wandel im Fokus des Austausches.
Appell an die Politik
Eröffnet wurde die Veranstaltung von VWT-Präsident Philipp Rath, der sich mit einem Appell an die österreichische Politik richtete, laut dem Steuerberater:innen mehr Gehör finden müssen – vor allem in Zeiten großer wirtschaftlicher Herausforderungen, heißt es. Außerdem sei der Bürokratieabbau ein zentrales Anliegen der Branche. "Wir sind oft Bürokratieberater:innen statt Steuerberater:innen", so Rath. Zusätzlich würde das zunehmende Auseinanderklaffen zwischen Regulierung und Praxis nicht nur Unternehmen belasten, sondern auch die beratenden Berufe. Die VWT wolle hier verstärkt als die Stimme der Vernunft auftreten.
Weiters verwies Rath auf bedeutende strukturelle Themen innerhalb der Branche. Während die Frauenquote bei den Steuerberater:innen mittlerweile 50 Prozent erreicht habe (LEADERSNET berichtete), sei sie in Führungspositionen deutlich ausbaufähig. Ebenso dringlich sei auch die Nachfolgefrage, denn viele Kanzleien stünden vor einem Generationswechsel, bei dem die VWT aktiv unterstütze – etwa im Bereich der Nachfolgeplanung und mit praxisnahen Modellen zur Kanzleiübergabe.
Abschließend rief Rath zur Teilnahme an der bevorstehenden Kammerwahl am 8. April 2025 auf und betonte, dass es eine starke Standesvertretung brauche, um diese Herausforderungen zu meistern.
Der Verlust der wirtschaftlichen Dynamik
Nach Rath übernahm Franz Schellhorn, Direktor der Agenda Austria, das Wort. Er beleuchtete die wirtschafts- und finanzpolitische Gesamtlage. Demnach zähle Österreich zwar zu den reichsten Ländern der Welt, verliere aber an wirtschaftlicher Dynamik. Begründet sieht Schellhorn diesen Verlust unter anderem in einer ausufernden Regierung, ineffizienter Budgetpolitik und dem Arbeitsmarkt, der sich "im Wohlstand eingerichtet hat". Reförmchen statt Reformen – so lauten auch zentrale Punkte im Arbeitsprogramm der neuen Bundesregierung, so Schellhorns Fazit.
Weiters kritisiert Schellhorn das anhaltende Ausgabenwachstum des Staates, das trotz stagnierender Wirtschaftsleistung weiter voranschreitet. Mit Blick auf andere Länder forderte er mehr Mut zu strukturellen Reformen und verwies dabei auf die Schweiz und Schweden. Eine Schuldenbremse nach Schweizer Vorbild, eine zweistufige Flat Tax, eine automatische Anpassung des Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung sowie eine konsequente steuerliche Entlastung von Leistung und Eigentum seien laut Schellhorn zentrale Bausteine, um Österreich aus der wirtschaftlichen Stagnation zu führen und langfristig wieder in die Spitzengruppe Europas zu bringen.
Standortrealitäten zwischen Insolvenzen und Investitionsstau
Zudem gab es reichlich Austausch am Podium. Unter der Moderation von Christina Hartig, Landespräsidentin der Vereinigung österreichischer Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Wien, berichtete Karl-Heinz Götze, Leiter des Bereichs Insolvenzen beim Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870), aus der Praxis, dass Unternehmensinsolvenzen oft auf Managementfehlern, fehlendes Controlling und mangelnde Planung zurückzuführen seien. Insbesondere die hohen Lohnnebenkosten würden vielen Betrieben zunehmend zu schaffen machen und seien ebenfalls ein zentraler Insolvenzgrund.
Franz Kollitsch, Investor und Managing Partner der Kollitsch Invest GmbH, schilderte wiederum drastische Entwicklungen am Immobilienmarkt. So sei die Neubautätigkeit sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich fast vollständig zum Erliegen gekommen. Die Konsequenz daraus sei eine zunehmende Verknappung des Wohnraums mit rasant steigenden Mieten – eine Entwicklung, so Kollitsch, die zu einer sozialen Schieflage führen könne, wenn nicht rasch gegengesteuert werde.
LEADERSNET war bei der Veranstaltung für Sie vor Ort. Eindrücke können Sie sich mittels Galerie verschaffen.
www.vwt.at
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