Wifo-Chef plädiert für Lockerung der Vergaberegeln bei Wohnkrediten

| Tobias Seifried 
| 26.10.2023

Gabriel Felbermayr hält das Regelwerk zwar insgesamt für sinnvoll, sprach sich im Rahmen der FMA-Aufsichtskonferenz jedoch für ein Umschwenken auf Absolutwerte aus. Das würde der Baubranche sowie der gesamten Wirtschaft zugute kommen.

Risiko. Regulierung. Resilienz." Unter diesem Generalthema diskutieren am Dienstag im Messe Wien Congress Center Spitzen aus Politik und Wirtschaft, Regulierung und Aufsicht, Wissenschaft und Forschung auf der 14. Aufsichtskonferenz der österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) die aktuelle Lage auf den Finanzmärkten sowie die großen Herausforderungen, die auf die Finanzwirtschaft zukommen. Dabei ging es unter anderem auch um die im Vorjahr verschärften Kriterien für die Vergabe von Wohnkrediten, die sogenannte KIM-Verordnung. 

Gabriel Felbermayr hat im Rahmen der Konferenz ins Spiel gebracht, die Bestimmungen der KIM-Verordnung zu überdenken. Die Regelung, die verschärfte Kriterien für die Vergabe von Wohnkrediten vorschreibt, sei laut dem Wifo-Chef  zwar sinnvoll, dennoch könne er sich eine Erleichterung vorstellen. Felbermayr zufolge wäre es zu überlegen, ob man anstatt der monatlichen Tilgungsrate von derzeit höchstens 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens absolute Euro-Beträge heranziehe. Mit dem Umschwenken auf Absolutwerte könne man der Baubranche, die aktuell schwächelt und pessimistisch auf die kommenden Jahre blickt, unter die Arme greifen, ohne die KIM-Verordnung auszusetzen. Die Krise in dem Sektor könnte sich nämlich - auch mit Blick auf die grüne Transformation der Wirtschaft - längerfristig auswirken, so der Ökonom.

Weitere Herausforderungen

Im Rahmen der FMA-Aufsichtskonferenz ging es aber noch um viele weitere Themen. Klimawandel, geopolitische Spannungen, die Neuordnung der globalen Wirtschaftsbeziehungen, Inflationsschub und abrupte Zinswende, digitaler Wandel und Rezessionsängste – eine Vielzahl globaler wie regionaler Herausforderungen verlangt von Regulierung und Aufsicht, aber auch allen Marktteilnehmer:innen, innovative Antworten, neue Denk- und Lösungsansätze, zeigten sich die Expert:innen überzeugt.

Neben Gabriel Felbermayr konnte der Vorstand der FMA, Helmut Ettl und Eduard Müller, u.a. auch Dominique Laboureix, Vorsitzender der europäischen Abwicklungsbehörde SRB, John Berrigan, Chef der "Generaldirektion Finanzstabilität sowie  Finanzminister Magnus Brunner begrüßen.

Fragile geopolitische Lage sorgt die Finanzmärkte

Helmut Ettl und Eduard Müller schätzten in ihrem Statement die aktuelle wirtschaftliche Lage als sehr herausfordernd ein: "Inflationsschock, abrupte Zinswende und stark eintrübende Konjunkturaussichten weltweit befeuern Rezessionsängste in Europa und in Österreich." Überdies werde gerade die weltwirtschaftliche Ordnung neu gezeichnet, mit einer starken Polarisierung zwischen China und den westlichen Industriestaaten. Und über allem schwebe das Damoklesschwert massiver kriegerischer Auseinandersetzungen: der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die explosive Lage im Nahen Osten nach dem barbarischen Terrorakt der Hamas in Israel. "Die geopolitische Lage ist extrem angespannt, unsicher und fragil. Das ist Gift für die Realwirtschaft und die Finanzmärkte," so der Vorstand der FMA. Selten zuvor habe sich das Mantra der Aufseher, 'Nach der Krise ist vor der Krise', so dramatisch bestätigt wie in den vergangenen Jahren: Globale Finanzkrise, Europäische Staatsschuldenkrise, COVID-Krise und nun die gravierenden geopolitischen Krisen.

Die beiden Vorstände konnten aber auch Positives vermelden: "Österreichs Finanzwirtschaft hat in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben gemacht. Sie ist auf die großen Herausforderungen gut vorbereitet. Altlasten wurden bereinigt, die Kapitalbasis signifikant verbessert." Auch Regulierung und Aufsicht seien gestärkt aus den Krisen hervorgegangen. Neben den geopolitischen und konjunkturellen Herausforderungen dürfe aber auch auf die strukturellen Herausforderungen, wie den Kampf gegen den Klimawandel durch den Umbau des Wirtschaftsmodells zu mehr Nachhaltigkeit sowie die technologischen Umwälzungen durch die Digitalisierung, nicht vergessen werden.

Konferenz-Umfrage bestätigte dominantes Thema

Die traditionelle Umfrage unter den Konferenz-Teilnehmer:innen zu den größten Risiken und Herausforderungen auf den Finanzmärkten habe die Neuordnung der Prioritäten im Vorjahr bestätigt. Dominierten in den Jahren davor vor allem das Niedrigzinsumfeld, die Angst vor einer Staatsschuldenkrise sowie operationelle Risiken wie IT- und Cyber-Gefahren sowie Geldwäscherei als größte Herausforderungen für den Finanzsektor, so liegen der Umfrage zufolge heuer erneut die sich verschärfenden geopolitischen Risiken mit 39,3 Prozent der Nennungen an der Spitze des Rankings. Die Zinswende (26,9 Prozent), die operationellen Risiken (13,9 Prozent) sowie die Angst vor einer Immobilienblase (7,6 Prozent) folgen auf den Plätzen. Der Kampf gegen den Klimawandel und für mehr Nachhaltigkeit spielten in der Finanzwirtschaft hingegen nach wie vor eine eher untergeordnete Rolle (3,3 Prozent), eine Angst vor einer neuen Staatsschuldenkrise treibe hingegen über die Jahre relativ konstant jeden Zehnten um.

www.fma.gv.at

www.wifo.ac.at

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