In Österreich ist ein Rechtsstreit ausgebrochen, der etwas an "David gegen Goliath" in getauschten Rollen erinnert. So hat die Österreichische Notariatskammer (ÖNK) eine Klage gegen die notarity GmbH beim Handelsgericht Wien eingebracht. Die Klage soll der rechtlichen Klärung des Geschäftsmodells des heimischen Startups dienen. Die ÖNK gehe laut eigenen Angaben jedenfalls davon aus, dass das notarity-Geschäftsmodell nicht den geltenden rechtlichen Regelungen entspricht. Die Kläger:innen erwarten sich durch das Verfahren eine Rechtssicherheit für Klient:innen, Notar:innen, aber auch Anbietern von technischen Leistungen herstellen zu können.
Gespräche gescheitert
In der Aussendung der ÖNK heißt es, dass notarity "ein technischer Dienstleister ist, der aber in seinem Dienstleistungsangebot auch notarielle Dienstleistungen hat, diese werden auch zu Fixpreisen den Endabnehmern angeboten." Die Medienagentur des Startups teilte gegenüber LEADERSNET mit, dass diese Formulierung nicht ganz stimme. In der Stellungnahme heißt es, dass die Notariatskammer zwar behaupte, dass notarity in seinem Dienstleistungsangebot auch notarielle Dienstleistungen anbieten würde. Der springende Punkt sei aber: "Es sind die Notar:innen, die über unsere Plattform digitale Notariatsdienstleistungen anbieten, und umgekehrt Kund:innen, die über unsere Plattform in der Lage sind, binnen weniger Minuten eine verfügbare Notariatskanzlei zu finden, mit der sie ihren Notariatsweg jederzeit von überall vollständig digital abwickeln können." Alle diese Notariatsdienstleistungen führe aber nie notarity selbst durch, sondern immer die Partner-Notar:innen.
Abseits diesen Einwand teilte die ÖNK mit, in den vergangenen Monaten Gespräche mit der Geschäftsführung des Startups geführt und auf die rechtlichen Bedenken hingewiesen zu haben. Da diese Gespräche nicht erfolgreich gewesen seien, soll die Klärung nun auf gerichtlichem Weg herbeigeführt werden.
Das Legal Tech-Startup sieht dem Verfahren offenbar gelassen entgegen, sei über die Klage jedoch verwundert. notarity bedaure, dass sich die Notariatskammer trotz mehrfacher Gesprächsangebote keiner einvernehmliche Lösung im Interesse der rechtssuchenden Bevölkerung aufgeschlossen war, heißt es in einer Aussendung. "Leider versucht die Notariatskammer nun, dieses innovative und nutzerfreundliche Angebot zu unterbinden", so notarity-Gründer und -CEO Jakobus Schuster.
Online-Notarstermine boomen
Seit dem Start vor rund 15 Monaten ist das Start-up laut eigenen Angaben zu einer führenden europäischen Plattform für Online-Notarstermine aufgestiegen. In eineinviertel Jahren hätten Menschen und Unternehmen aus mehr als 100 Ländern mit der Unterstützung von notarity Notariatsdienstleistungen vollständig digital in Anspruch genommen. Bereits jede vierte österreichische Notariatskanzlei biete unter Einsatz von notarity ihre Leistungen an, so das Jungunternehmen. Gemeinsam hätten sie über die Plattform seit dem Start mehr als 10.000 Dokumente nach den gültigen europäischen Standards beglaubigt.
Monatlich wachse die Nutzung derzeit um durchschnittlich 20 Prozent. Möglich gemacht habe das die Österreichische Notariatsordnung, die zu den fortschrittlichsten weltweit zähle. Schuster betont: "Selbst die Klage der Notariatskammer lässt keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Online-Beglaubigungen. Unser oberster Anspruch ist die Rechtssicherheit unserer Partner-Notariate und ihrer Kundinnen und Kunden. Die in der Klage geäußerten Bedenken der Notariatskammer in Bezug auf unseren Marktauftritt werden wir genau prüfen. Die technische Abwicklung von Online-Beglaubigungen bzw. Notariatsakten ist jedoch in der Notariatsordnung klar geregelt. notarity erfüllt diese Vorgaben als Plattform auf Punkt und Beistrich."
Fronten verhärtet
Ulrich Voit, Sprecher der ÖNK sieht das freilich anders: "Die Entwicklung von technischen Systemen zur weiteren Digitalisierung der Notariate begrüßen wir sehr, letztlich hat die Österreichische Notariatskammer mit der Entwicklung der digitalen GmbH-Gründung diese Entwicklung selbst angestoßen." Es gebe aber eine Reihe von hoheitlichen notariellen Dienstleistungen, wie unter vielen anderen die Beglaubigung einer Unterschrift, die – ausschließlich – Notar:innen als öffentliche Amtspersonen neben den Gerichten anbieten und durchführen dürfen. "Wenn nun notarity diese Leistungen auf seiner Homepage anbietet und abrechnet, dann müssen wir die Frage stellen, ob das rechtens ist und welche Folgen sich für die Klient:innen beispielsweise bei Reklamationen ergeben können", so Voit.
Ziel von notarity sei es, all jene die Notarsdienstleistungen benötigen, jederzeit binnen weniger Minuten mit einem verfügbaren Notariat zusammenzubringen. Der notarity-Gründer hoffe daher weiterhin, sich mit der ÖNK gütlich zu einigen und einen gemeinsamen Weg zu finden, der eine moderne digitale Verwaltung ermögliche und die Interessen der Notariate berücksichtige, die die Kammer vertritt. Das Start-up sei dafür weiterhin gesprächsbereit, so Schuster.
Aktuell sieht es aber eher danach aus, dass das Handelsgericht Wien über die Rechtmäßigkeit des Geschäftsmodells von notarity entscheiden wird.
www.notarity.com
www.ihr-notariat.at
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