"Der Zinsanstieg stellt nicht nur so genannte Zombiefirmen vor große Probleme"

Kreditversicherer Atradius rechnet heuer mit deutlich mehr Unternehmensinsolvenzen in Österreich - Liquiditätsengpässe sowie Zahlungsverzögerungen häufen sich bereits. Erst 2024 könnte eine sinkende Inflationsrate für Entspannung sorgen.

Die abkühlende Konjunktur schlägt spürbar auf die Unternehmen in Österreich durch. Im ersten Halbjahr 2023 meldeten laut Statistik Austria 2.772 Firmen Insolvenz an (LEADERSNET berichtete). Das sind 17 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. "Wir rechnen damit, dass die Zahl der Unternehmenspleiten in diesem Jahr um mindestens 15 Prozent steigen wird", sagt Franz Maier, Generaldirektor Österreich, Ungarn und Südosteuropa des internationalen Kreditversicherers Atradius. 2022 sind hierzulande insgesamt rund 4.780 Unternehmen insolvent gegangen.

Schwaches Wachstum trifft mehrere Branchen

Nach einem Wirtschaftswachstum von annähernd fünf Prozent im Vorjahr rechnen Expert:innen in diesem Jahr nur noch mit einem Wachstum zwischen 0,3 und 0,5 Prozent. Hinzu kommt die starke Teuerung - die Inflationsrate lag im Juni bei acht Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland lag die Inflation im Juni bei 6,4 Prozent, in der Schweiz bei nur 1,7 Prozent. Für das Gesamtjahr rechnet man in Österreich mit einer Teuerungsrate von 7,6 Prozent.

Besonders betroffen von der konjunkturellen Schwäche sind aktuell Branchen wie Bau, Handel, Gastronomie, Verkehr und Warenlagerung. Laut Atradius würden sich mittlerweile vermehrt Anzeichen von Liquiditätsengpässen im Zahlungsverhalten der Unternehmen zeigen. So sei die Zahl der Nichtzahlungsmeldungen, die Atradius-Österreich-Kund:innen beim Kreditversicherer nach Lieferungen an österreichische Bauunternehmen eingereicht haben, allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um mehr als 30 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2022 gestiegen. Auch bei den Unternehmen in den Branchen langlebige Konsumgüter und Textil zeige sich ein deutlicher Anstieg der Zahlungsverzögerungen.

Zinsanstieg als große Herausforderung

 

"Die hohen Zinsen, die Energiepreise und die Rohstoffkosten belasten die Unternehmen", sagt Franz Maier. Insbesondere der Baubereich werde im zweiten Halbjahr größere Sorgen bereiten, da durch die steigenden Zinsen die Nachfrage nach Krediten für den Hausbau abnehme. Zudem mussten die Banken vor ziemlich genau einem Jahr die Kreditvergabe in Österreich verschärfen (Stichwort "KIM-Verordnung"). Unter anderem müssen Käufer.innen von Immobilien seither mindestens 20 Prozent Eigenkapital vorweisen.

Nach den Worten des Generaldirektors kommen nun auch immer mehr die Belastungen durch die Zinswende zum Tragen: "Der Zinsanstieg stellt nicht nur so genannte Zombieunternehmen – also jene Unternehmen, die eigentlich über kein wettbewerbsfähiges Geschäftsmodell mehr verfügen, aber aufgrund der staatlichen Corona-Hilfen dennoch am Markt bleiben konnten – vor große Probleme. Auch andere Firmen mit einer zukunftsfähigen Ausrichtung stellt er vor große Herausforderungen. Mit dem Auslaufen der staatlichen Hilfen und der Notwendigkeit, die Kredite jetzt zurückzuzahlen, steigt das Risiko von Zahlungsausfällen."

Zuversicht für das kommende Jahr

Für das Jahr 2024 ist der Atradius Manager verhalten zuversichtlich. Er rechnet mit weniger Insolvenzen in Österreich und einem stärkeren Wirtschaftswachstum. "Der Wirtschaftsstandort Österreich zeigte sich in den vergangenen Jahren robust, und während andere Länder in eine Rezession rutschten, konnte dies hierzulande bislang vermieden werden", sagt Maier und ergänzt: "Wir gehen davon aus, dass die Inflationsrate 2024 deutlich sinken wird und die Konjunktur in Österreich, aber auch in unseren wichtigsten Exportländern Deutschland, Italien, die USA, die Schweiz und Ungarn wieder anzieht und unsere Unternehmen davon profitieren werden."

Die optimistische Einschätzung des Experten deckt sich zudem mit den Ergebnissen einer Atradius-Studie vom Mai dieses Jahres. Laut dieser rechnen 54 Prozent der Unternehmen in Österreich mit höheren Gewinnspannen im kommenden Jahr.

www.atradius.at

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