Handel appelliert nach drei Krisenjahren an die Politik

Kostenlawine, Reformstau und Planungsunsicherheit bei Staatshilfen würden ein Comeback des Handels erschweren. 900 Firmenpleiten und tausende Schließungen machen Sorge.

Der Handel ist für die österreichische Wirtschaft von zentraler Bedeutung, zeigt man sich beim Handelsverband überzeugt. Mehr als 77.600 Unternehmen mit 598.600 unselbstständig Beschäftigten sind laut KMU Forschung Austria in der Handelsbranche (Einzelhandel, Großhandel, Kfz) tätig. Gemeinsam erwirtschaften sie einen Umsatz von 266 Milliarden Euro. Die letzten drei Jahre waren jedoch für alle Betriebe eine massive Herausforderung.

"Nach den Pandemie-Jahren 2020 und 2021 hat eine Teuerungskrise das Jahr 2022 dominiert. Die österreichischen Händler:innen mussten im Vorjahr zwar keine Lockdowns, allerdings Energiekosten in schwindelerregender Höhe, zweistellige Inflationsraten und einen breitflächigen Arbeitskräftemangel verkraften. All das hat im Handel deutliche Spuren hinterlassen", hieß es am Donnerstag auf einer Pressekonferenz, in der ein Ausblick auf 2023 geboten wurde.

Insolvenzwelle: Handel am stärksten betroffen

Erstmals seit Beginn der Corona-Krise ist die Zahl der Insolvenzen wieder an das Vorkrisenniveau herangekommen. Pro Tag gab es im Vorjahr laut KSV1870 im Schnitt 13 Pleiten, in Summe waren 4.775 Unternehmen (+57,4 Prozent) von einer Insolvenz betroffen.

Die meisten Insolvenzen aller Branchen verzeichnet der Handel, der rund 900 Firmenpleiten und 6.000 Geschäftsschließungen zu Buche stehen hat.

900 Firmenpleiten und tausende Schließungen 

"Der Handel ist der Beschäftigungs- und Wirtschaftsmotor der Republik Österreich. Unsere Händler:innen stellen ein Viertel aller Betriebe, wir sind zweitgrößte:r Arbeitgeber:in und umsatzstärkster Wirtschaftsbereich des Landes. Leider wird das von der Politik mit ihrem Tunnelblick auf Industrie und Exportwirtschaft übersehen", sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will und fügt hinzu: "900 Firmenpleiten und tausende Schließungen innerhalb eines Jahres sprechen Bände. Viele Händler:innen, kleine Einzelkämpfer:innen aber auch große Traditionshäuser, bleiben auf den Krisenkosten sitzen. Um Arbeitsplätze, Diversität der Handelslandschaft sowie Stadt- und Ortskerne zu erhalten, muss die Bundesregierung eine Entlastungsoffensive für den heimischen Handel umsetzen."

Der Handelsverband präsentierte sechs zentrale Forderungen für die Branche:

  1. "Arbeitsmarktreform Jetzt – Leistung muss sich (wieder) lohnen"
  2. "Rechtsanspruch auf flächendeckende, leistbare Kinderbetreuung in ganz Österreich"
  3. "Rasche Auszahlung sämtlicher offener Corona-Entschädigungen durch die COFAG"
  4. "Handel für Energie-Mehrkosten in 2022 analog zur Industrie entschädigen"
  5. "Steuerliche Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital"
  6. "Mietvertragsgebühr endlich abschaffen, um Nahversorgung und Ortskerne zu erhalten"

Martin Wäg, Vorstandsvorsitzender von Kastner & Öhler, hebt besonders den vierten Punkt hervor: "Der Handel leidet massiv unter den gestiegenen Energiekosten, diese belasten die Ergebnisse deutlich. Es ist unerträglich, dass alle beschäftigungsintensiven Händler:innen beim Energiekostenzuschuss 1 durch die Finger schauen und kaum etwas erhalten. Daher hoffen wir, dass zumindest der neue Energiekostenzuschuss 2 auch unserer Branche zugutekommt."

Auch 2023 herausfordernd

"Auch 2023 wird für den Handel herausfordernd, aber wir bleiben zuversichtlich. Spätestens im zweiten Halbjahr setzen wir auf eine Normalisierung des Preisniveaus, welche auf eine Aufschwungsphase durch staatliche Kaufkraftmaßnahmen treffen könnte. Für das Gesamtjahr erwarten 33 Prozent der österreichischen Händler:innen eine Umsatzsteigerung gegenüber dem Vorjahr, ein weiteres Drittel geht zumindest davon aus, die Umsätze aus 2022 halten zu können", so Will.

www.handelsverband.at

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV