Der Leitsatz der Fachgruppe Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure) in der Wirtschaftskammer Niederösterreich lautet "Der Ingenieur – ein Durchblicker". Dem Durchblick soll durch Dokumentation der Leistungen von niederösterreichischen Ingenieurbüros mit dieser Interviewserie ein Forum gegeben werden. LEADERSNET hat daher bei ausgewählten Mitgliedern der vielseitigen Fachgruppe nachgefragt, wie ihr Alltag funktioniert.
LEADERSNET: Ingenieurbüros findet man auf fast jedem technischen Fachgebiet. Auf welchem ist IHP-CONSULTING tätig?
Pichl: IHP-CONSULTING ist ein ausschließlich auf dem Gebiet der Beratung tätiges Unternehmen. Repräsentative Kernkompetenzen liegen dabei einerseits in der Produktentwicklung und anderseits in der Betriebsanlagengenehmigung. Die möglichen Einsatzfelder sind somit ziemlich weit gestreut. Das bedeutet insbesondere Abstand von stereotypen Lösungen, was meinen Anforderungen an eine interessante Projektarbeit sehr entgegen kommt. Die vom Klienten eingebrachten Unterlagen werden dabei analysiert, aufbereitet, ermittelten Dokumenten gegenübergestellt und Ergebnisse regelmäßig mit dem Auftraggeber besprochen. In der Beratung ist der Ingenieur vielfach auch Vermittler zwischen konträren Welten, die sich zwischen Unternehmer und Behörde entwickeln. Ein wesentlicher Faktor zur Erzielung zufriedenstellender Lösungen liegt somit insbesondere in der fachgerechten „Übersetzung“ der Standpunkte, unwidersprochen auch in der rechtzeitigen Einbindung des Ingenieurbüros.
LEADERSNET: Wie darf man sich Ihre Tätigkeit bei der Produktentwicklung vorstellen?
Pichl: Wir entwickeln nicht selbst, sondern begleiten das entwickelnde Unternehmen durch die Entwicklung. Dabei werden vorab verfügbare Daten analysiert, aktuelle Marktangebote gesichtet und nach möglichen Patenten gesucht, um eine Verletzung von Rechten Dritter ausschließen zu können. Teil der Beratung ist auch die Suche nach möglichen Entwicklungspartnern und Fördergebern sowie nach Produzenten und Testfeldern.
LEADERSNET: Das klingt verwirrend umfangreich. Können Sie das anhand eines Beispiels konkretisieren?
Pichl: Gerne. Ich darf dazu ein viele Jahre zurückliegendes Projekt heranziehen. Dabei ging es um das Folieren von Oberflächen in der Möbelbranche. Bei der Herstellung von beispielsweise Küchenfronten werden diese mit einer Deckfolie zur optischen Gestaltung überzogen. Das geschieht in einer Folierpresse. Dort werden die Teile auf einer Unterlage platziert, weil die Folie in einem Arbeitsschritt nicht nur über die Front und die Seitenteile, sondern auch in den Randbereich der Rückseite gezogen werden muss. Dazu muss die Unterlage der Form des Werkstücks entsprechen. Kein Problem bei Massenproduktion. Sehr wohl ein Problem bei einer Vielzahl individuell ausgeformter Gegenstände. Dazu benötigt man eine ebenso große Anzahl an Unterlagen. Das bedeutet finanziellen Aufwand, Lagerplatz und Entsorgung. Zur Lösung der Aufgabe ersetzte der Entwickler die großflächigen Unterlagen durch eine Vielzahl von Auflagepins, die sich in einer Schablone derart bewegen ließen, so dass jede gewünschte Form unterstützt werden konnte.
LEADERSNET: Das klingt großartig.
Pichl: Stimmt. Aber noch stehen wir am Anfang. Zur umfassenden Positionierung der Pins waren die notwendigen Bewegungsräume der Pins abzustecken. Dabei war trotz komplexer Bewegungen der Pins eine einfach gestaltete Schablone zu schaffen. Nächster Schritt war die Suche nach dem Pressdruck und der Presstemperatur standhaltenden Materialien, Hersteller für die Pins, Versuchseinrichtungen und vieles mehr. Ein weiterer Beratungsraum in der Entwicklung entstand aus der Tatsache, dass die Unterlage nur als Ergänzung bestehender Pressen verstanden werden konnte. Aus diesem Zusammenspiel von bestehenden Pressen und dem Auflagesystem als Ergänzung tat sich ein Gewährleistungsproblem auf. Um diese zu lösen, musste einerseits das Interesse von Pressenherstellern geweckt und anderseits technische Anforderungen im Zusammenspiel definiert werden. Das alles ist Teil der Beratung. Der Kreis schließt sich mit möglichen Lizensierungen von Produkten in Kooperation mit einer Anwaltskanzlei oder Präsentation der Produkte auf Messen.
LEADERSNET: Ein dicker Rucksack an Aufgaben. Wie behält man hier den Durchblick?
Pichl: Vieles lässt sich mit Hilfe der Erfahrung lösen. Daher ist auch die Einführung eines Kontrollsystems in jeder Phase der Entwicklung immer ein Thema. Damit lassen sich beispielsweise verfälschte Ergebnisse bei Testsystemen leicht verifizieren. So geschehen beim Testen eines Produktes bei einem Testpartner in Finnland. Dort wurde das Produkt von den Mitarbeitern – aus welchem Grund auch immer – abgelehnt. Sie brachten es derart in Einsatz, dass die Testergebnisse vernichtend waren. Mitgeschriebene Testdaten führten rasch zur Ursachenklärung.
LEADERSNET: Das Motto "Der Ingenieur als Durchblicker" geht hier wohl voll auf. Gilt das auch für den Bereich Betriebsanlagengenehmigungen?
Pichl: Jedenfalls. Thema ist das rechtlich abgesicherte Arbeiten im eigenen Betrieb. Das kann sowohl die Neugründung eines Betriebes als auch genehmigungspflichtige Änderungen und gesetzlich vorgesehene regelmäßige Überprüfungen betreffen. Die von den Verwaltungsbehörden abzuwickelnden Verfahren umfassen dabei eine ausgesprochen weitstrukturierte Materie. Sie reicht von der betriebsgerechten Widmung des Grundstückes über Behandlung der Rechtsmaterien betreffend die Art des Betriebes, den Schutz der Nachbarn, als auch Baurecht, Wasserrecht, Arbeitnehmerschutz, Brandschutz bis hin zu natur- und baurechtlichen Bewilligungen. Gegebenenfalls ist sogar eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig. All das ist Teil des Beratungsangebotes.
LEADERSNET: Wann sollte man einen Berater einschalten? Wie ist idealerweise vorzugehen?
Pichl: Das Betriebsanlagegenehmigungsverfahren bedarf einer Reihe von Unterlagen. Das sind Pläne, Beschreibungen und Gutachten. Diese sind nach Vorlage von der Verwaltungsbehörde und deren Amtssachverständigen zu bewerten und im Rahmen einer Begehung mit dem Konsenswerber zu besprechen. Daher bedarf es vollständiger und klar strukturierter Unterlagen. Diese kann der Konsenswerber vielfach aber nicht liefern, was das Verfahren meist unbestimmt verzögert. Als Beratungsunternehmen halten wir laufend Kontakt zu Vertretern der Behörden. Wir erstellen eine umfassende Beschreibung des Projektes, organisieren die notwendigen Pläne und Gutachten und verschmelzen die Einzelteile zu einem für die Verwaltungsbehörde gut lesbaren Antrag. Für den Fall einer Neugründung schreiben wir auch das geforderte Abfallwirtschaftskonzept. Anträge für einfache genehmigungspflichtige Betriebe können meist auch vom Antragsteller selbst erledigt werden. Viele der in den letzten Jahren noch genehmigungspflichtigen Ansinnen sind durch die sogenannte Betriebsanlagenfreistellungsverordnung auch nicht mehr genehmigungspflichtig. Vielfach erfolgt der Erstkontakt auch in Form eines Hilferufes. Da hatte der Antragsteller meist nicht zufriedenstellenden Kontakt mit der Behörde.
LEADERSNET: Das bedeutet was?
Pichl: Die Behörde wurde beispielsweise – in bester Absicht – mit einem Wust an Unterlagen zum geplanten Projekt versorgt. Damit kann diese aber nichts anfangen. Der Projektantrag wird in Folge zurückgewiesen, um Nachbesserung ersucht. Das Neuaufstellen des Vorhabens beziehungsweise das Zurückrudern in einen genehmigungsfähigen Status bedeutet meist zusätzlichen Mehraufwand. Insbesondere, weil auch ein möglicherweise irrelevanter Eindruck vom Projekt bei der Behörde wieder beseitigt werden muss. Ideal ist also das Einbeziehen eines Beraters vor solchen Schritten. Das gilt insbesondere auch für das Abschließen von Pachtverträgen oder bei unklaren Widmungsverhältnissen. In einem Erstgespräch können grobe Ungereimtheiten leicht klargestellt und der Ablauf einer möglichen Beratung Schritt für Schritt dargelegt werden. Dabei sehe ich mein Büro immer als fachübergreifenden Partner meiner Auftraggeber. (red)
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