Wiener Stadtwerke als kommunaler Nachhaltigkeitskonzern
Payr im Interview über Kundenzufriedenheit, wirtschaftlichen Erfolg und die Frauenquote.
Der Wiener Stadtwerke Konzern ist mit seinen Unternehmensbereichen Wien Energie, Wiener Linien, Bestattung Wien und Wiener Beteiligungsmanagement Österreichs größter kommunaler Infrastrukturdienstleister. Seit 2009 leitet mit Gabriele Payr eine Frau die Geschicke des Unternehmens. leadersnet.at hat die Generaldirektorin der Wiener Stadtwerke zum Gespräch gebeten.
leadersnet.at: Liebe Frau Payr, die Wiener Stadtwerke versorgen zwei Millionen Menschen mit Energie und Wärme und befördern mehr als 800 Millionen Menschen mit den Wiener Linien. Welche wirtschaftlichen Erfolge können sich in den Bereichen Energie und Verkehr verbuchen lassen?
Gabriele Payr: 2010 war in vielerlei Hinsicht ein zufriedenstellendes Geschäftsjahr. Der Konzernumsatz konnte nach einem Rekordwert im Vorjahr um weitere 2 Prozent auf 3.060,8 Millionen Euro gesteigert werden. Diese konstanten Umsatzzuwächse in den vergangenen Jahren sind Ausdruck der stetigen Leistungserweiterung der Wiener Stadtwerke. Dazu zählen insbesondere der Ausbau des U-Bahn-Netzes, des Kraftwerkparks und der Fernwärmeversorgung, aber auch neue Beratungs- und Dienstleistungsangebote im Energiebereich. Im Geschäftsjahr 2010 konnten die Wiener Stadtwerke auch weiterhin kräftig in Wiens Infrastruktur investieren. Mit einem Volumen von rund 724 Millionen Euro für Sachanlagen lag das Investitionsprogramm 2010 um knapp acht Prozent über dem Vorjahresniveau.
leadersnet.at: Die Erhaltung und Verbesserung der Infrastruktur im Energie und Verkehrsbereich erfordert sicherlich hohe Investitionen. Welche Ausgaben fallen hier an? Wie hoch ist der Zukunftsbedarf einzuschätzen?
Gabriele Payr: Wir sind der bedeutendste Infrastrukturdienstleister für den Großraum Wien und investieren bis 2015 insgesamt 4,1 Milliarden Euro in den weiteren Ausbau der Wiener Infrastruktur. Unsere Investitionen tragen damit maßgeblich zur ausgezeichneten Lebensqualität bei und sind außerdem wichtiger Impulsgeber für die heimische Wirtschaft. So hat eine Studie von WIFO & Joanneum Research ergeben, dass die Wiener Stadtwerke Auslastung für rund 62.000 Arbeitsplätze schaffen. Das bedeutet, hinter jedem der rund 16.000 eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen drei weitere Arbeitsplätze bei Zulieferbetrieben.
leadersnet.at: Forschung und Entwicklung stehen immer mehr im Fokus der wettbewerbsfähigen Unternehmen. Wie sieht es bei Ihnen in diesen Bereichen aus?
Gabriele Payr: Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein, beteiligen sich die Wiener Stadtwerke an Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Das Spektrum reicht dabei von neuen Verfahren im Bereich regenerativer Energien über Smart Grid bis hin zur Schaffung einer barrierefreien und zukunftsfähigen Infrastruktur. Die Wiener Stadtwerke sind dabei in nationale und internationale Forschungsvorhaben eingebunden. Eines der zukunftsträchtigsten Projekte ist das Modellprojekt "e-mobility on demand – Modellregion Wien". Mit diesem Projekt testen die Wiener Stadtwerke gemeinsam mit kompetenten Partnern aus Wirtschaft und Forschung, welche Voraussetzungen für ein intermodales Mobilitätsangebot in Wien erforderlich sind.
leadersnet.at: Im Zuge der Verkehrs- und Umweltdebatten wird zunehmend die Elektro-Mobilität diskutiert. Wie stehen Sie zur e-mobility?
Gabriele Payr: Wiens Bevölkerung wächst rasant. In 20 Jahren werden mehr als zwei Millionen Menschen in der Bundeshauptstadt leben. Dieses schnelle Wachstum stellt die urbane Infrastruktur vor neue Herausforderungen. Wir müssen schon heute darüber nachdenken, wie der Verkehr der Zukunft aussehen soll. Die Wiener Stadtwerke haben dazu eine klare Vision. Mit einem Mix aus verschiedenen Verkehrsmitteln soll der Individualverkehr reduziert und Schadstoffausstoß sowie Lärmbelästigung gesenkt werden.
leadersnet.at: Welche Ziele wollen Sie in den kommenden Jahren erreichen?
Gabriele Payr: Gemeinsames Ziel der Stadt Wien und der Wiener Stadtwerke ist, dass bis 2020 40 Prozent aller Wege in Wien mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden sollen. Derzeit werden 36 Prozent aller Wege in Wien bereits mit Bus, Straßenbahn oder U-Bahn zurückgelegt. Wir wollen eine Steigerung um mehr als zehn Prozent erreichen. Unsere Zukunftsstrategie ist die Schaffung von durchgängigen Mobilitätsketten durch neue Angebote. Mit der Neuen Mobilität entwickeln sich die Wiener Stadtwerke vom Verkehrsbetreiber zum intermodalen Mobilitätsanbieter. Die erforderlichen Angebote werden im Rahmen des vom Klimafonds geförderten Projektes "e-mobility on demand" erforscht. In einer realen Laborsituation im sogenannten "living lab" sammeln wir praktische Erfahrungen und wollen darauf aufbauend ein flächendeckendes und nutzungsorientiertes E-Mobilitätsangebot realisieren.
leadersnet.at: Die Wiener Stadtwerke sind sehr um die Qualität Ihrer Dienstleistungen bemüht. Welchen Grad der Zufriedenheit und Akzeptanz können Sie bei Ihren Kunden feststellen?
Gabriele Payr: Für die Zufriedenheit unserer Kunden arbeiten wir ständig daran, die Qualität unserer Dienstleistungen weiter zu verbessern. Mit Erfolg – wie regelmäßig durchgeführte Befragungen zeigen, die uns auch wertvolle Hinweise und Anregungen geben.
Bei den Wiener Linien bewegt sich die Gesamtzufriedenheit mit den "Öffis" auf sehr hohem Niveau und hat 2010 einen Spitzenwert von 93 Prozent erreicht. Mit m-ticketing ist der Ticketkauf über das Mobiltelefon möglich und im Online-Fahrkartenshop können Fahrausweise bereits zu Hause erworben werden. Die App „qando“ bietet für internetfähige Mobiltelefone einen Fahrplan mit Routingfunktion, Echtzeitanzeige, aktuelle Störungsinformationen, Handytickets und Umgebungskarten zu den Haltestellen an.
Auch der Konzernbereich Energie führt in diversen Geschäftsfeldern regelmäßige Untersuchungen und Befragungen durch. In Summe waren während der letzten Jahre drei Viertel der Kunden mit den Leistungen von Wien Energie zufrieden beziehungsweise sehr zufrieden. Dies lässt sich auch an dem stabilen Kundenstamm des Konzernbereichs Energie feststellen, dieser ist für die Versorgung mit Strom, Erdgas und Wärme von rund zwei Millionen Menschen, 230.000 Gewerbe- und Industrieanlagen, sowie 4.500 landwirtschaftlichen Betrieben im Großraum Wien verantwortlich.
Beim Konzernbereich Bestattung und Friedhöfe Wien steht ebenfalls die Betreuung der Kunden an oberster Stelle. Die Mitarbeiter stehen den Hinterbliebenen bei Bedarf mit Rat und Tat hilfreich zur Seite. Vorrangiges Ziel ist, durch permanente Ausweitung des Serviceangebotes weitere Schritte zur Kundenzufriedenheit zu setzen.
leadersnet.at: Ein Unternehmen Ihrer Größenordnung trägt eine hohe finanzielle Verantwortung. Welche Rolle spielt der österreichische Corporate Governance Kodex in Ihrer Unternehmensphilosophie?
Gabriele Payr: Um unserer hohen finanziellen Verantwortung gerecht zu werden, wenden wir moderne Grundsätze optimaler Unternehmensführung an. Dafür wurden Strukturen und Mechanismen eingerichtet, um Transparenz gegenüber der Eigentümerin, den Kontrollinstanzen und der Öffentlichkeit herzustellen, sowie einen angemessenen Umgang mit Risiken und die Ausrichtung auf einen langfristigen Erfolg sicherzustellen.
Als Aktiengesellschaft erfüllen die Wiener Stadtwerke bereits automatisch einen Teil der Anforderungen des Österreichischen Corporate Governance Kodex. Weitere Anforderungen wurden bereits übernommen.
leadersnet.at: Immer öfter erscheint der Begriff der Nachhaltigkeit in Publikationen über Aktivitäten und Planungen. Was verstehen Sie darunter und wie wollen Sie damit umgehen?
Gabriele Payr: Wien zählt weltweit zu den Städten mit der höchsten Lebensqualität. Dazu tragen auch die Wiener Stadtwerke bei: Zum Beispiel durch eine sichere Versorgung mit Energie und ein erschwingliches für alle zugängliches Verkehrssystem. Gerade in der städtischen Infrastruktur gibt es Bereiche, die zwar kurzfristig keinen wirtschaftlichen Gewinn schaffen, in die die Wiener Stadtwerke aber dennoch investieren, weil diese langfristig sinnvolle und notwendige Investitionen für den Erhalt der hohen Lebensqualität darstellen. Die langfristige Absicherung gilt auch für unser Unternehmen. Wir arbeiten daran, die Krankenstände möglichst niedrig zu halten und unsere älteren Mitarbeitern durch die Entwicklung altersgerechter Arbeitszeitmodelle länger in Beschäftigung zu halten. Wir bieten gesundheitsbezogene Präventions- und Hilfemaßnahmen und unterstützen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit unterschiedlichen Teil- und Gleitzeitmodellen sowie familiengerechter Dienstzeiteinteilung.
leadersnet.at: Wie sieht es bei Ihnen in punkto Frauenquote aus?
Auch Gleichstellung, Chancengleichheit und Antidiskriminierung haben bei den Wiener Stadtwerken höchste Priorität. Allein die Zahl der weiblichen Führungskräfte im Konzern konnte in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut werden. Mit einer Frauenquote von mehr als 44 Prozent leben die Wiener Stadtwerke bereits heute die Etablierung von Frauen in Führungsetagen. Das Ziel der Wiener Stadtwerke ist es jedoch, künftig noch mehr Frauen in Führungspositionen zu verankern.
Diese vielen verschiedenen Ansatzpunkte im Bereich Nachhaltigkeit finden Sie alle in unserem jährlich evaluierten und aktualisierten Nachhaltigkeitsprogramm. Die Wiener Stadtwerke sind nicht nur Österreichs größter Infrastrukturanbieter, sondern auch der kommunale Nachhaltigkeitskonzern.
www.wienerstadtwerke.at