Die Industriellenvereinigung Niederösterreich (IV NÖ) hat ihre Ordentliche Vollversammlung in diesem Jahr im Landtag in St. Pölten abgehalten. Die Location mit politischem Hintergrund war wohl ganz bewusst gewählt, schließlich hat die IV in den letzten Wochen zahlreiche Wünsche und Forderungen an die künftige Bundesregierung adressiert. Im Zentrum der Veranstaltung standen die Notwendigkeit struktureller Reformen in Österreich und die strategische Neuausrichtung der Europäischen Union angesichts globaler Herausforderungen, vor allem auch vor dem Hintergrund des Ausgangs der US-Wahl. Ein Höhepunkt war die Keynote von Markus Hengstschläger, die bei den zahlreichen Gästen aus Wirtschaft und Politik auf großen Anklang stieß.
IV-NÖ-Präsident mit klaren Ansagen
Los ging es aber mit Kari Ochsner. Der IV-NÖ-Präsident hob in seiner Rede die Bedeutung eines eigenständigen, selbstbewussten Europas hervor und zog einen Vergleich mit den USA. "Mit rund 447 Millionen Einwohner:innen ist die EU nach wie vor einer der größten Wirtschaftsräume der Welt und besonders stark in der Produktion hochwertiger, spezialisierter Produkte und innovativer Technologien", so Ochsner. "Wir haben Nischenplayer, die globale Maßstäbe setzen. In Bereichen wie der Luxusautomobilindustrie, der forschungsintensiven Pharmaindustrie und im Bereich nachhaltiger, CO2-armer Technologien sind wir global führend und können mit den USA nicht nur mithalten, sondern auch eigene Akzente setzen." Europa müsse auf diese Stärken aufbauen und seine langfristige Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen: "Das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl ist der letzte Weckruf und Auftrag für Europa, seine Industrie-, Außen- und Verteidigungspolitik endlich eigenständig voranzutreiben."
Neben den europaweiten Themen forderte Ochsner eine klare Neuausrichtung der österreichischen Industriepolitik. "Es braucht keine weiteren Reförmchen zur Abwehr linker Träumereien, sondern eine echte Neu-Strukturierung der Bedingungen des Standorts", unterstrich er. "Österreich ist derzeit das Schlusslicht in Europa – wir tragen die rote Laterne. Der Industriestandort muss endlich wieder zukunftsfähig gemacht werden. Dazu brauchen wir rasch eine handlungsfähige Regierung, die den Produktionsstandort Österreich ganz oben auf die Agenda setzt." Konkret geht es um die Senkung der Arbeits- und Energiekosten, die Schaffung von Anreizen zur Leistungsbereitschaft und eine gezielte Förderung von Investitionen. Ein weiterer wesentlicher Punkt sei die Pensionsreform: "Jeder, der rechnen kann, weiß, dass das aktuelle Pensionssystem nicht mehr finanzierbar ist. Ein Weitermachen wie bisher ist gegenüber unseren Kindern und nachfolgenden Generationen grob fahrlässig."
Klimaschutz bleibe für die IV NÖ dem Präsidenten zufolge ein zentrales Thema – mit einem realistischen Ansatz. "Europa braucht einen Green Deal, der auf Augenhöhe mit einem Industrial Deal gestaltet ist", so Ochsner und weiter: "Die bisherige US-Regierung hat gezeigt, wie es geht: Milliarden fließen in die Green-Tech-Industrie, Arbeitsplätze entstehen, und die Wirtschaft wächst. Wenn Europa und Österreich hier nicht mithalten, sind wir raus." Gleichzeitig betonte er, dass der Klimaschutz sozial verträglich sein müsse: "Unser Planet braucht Schutz, und wir müssen unseren Beitrag leisten. Aber dieser Weg darf unsere soziale Sicherheit nicht bedrohen. Wenn Existenzen gefährdet sind, wird sich niemand auf den Klimaschutz konzentrieren." Ochsner verwies zudem auf die drohende Abkehr der USA vom Pariser Klimaabkommen: "Gerade deshalb liegt es jetzt an der EU, Verantwortung zu übernehmen und weiter in zukunftsfähige Technologien zu investieren."
Bedeutung der Industrie für NÖ und IV-Pläne für 2025
Jochen Danninger, VPNÖ-Klubobmann und in Vertretung von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner bei der Ordentlichen Vollversammlung, betonte: "Niederösterreich ist ein Industrieland und darauf sind wir stolz. Die Industrie ist von enorm wichtiger Bedeutung für uns, denn sie ist der Innovationstreiber und großer Investor im Land. Gemeinsam mit ihren Mitarbeiter:innen leistet sie einen ganz wichtigen Beitrag für den Wohlstand in Niederösterreich. Ein Drittel unserer Wertschöpfung und 80.000 Arbeitsplätze im Land hängen direkt an den blau-gelben Industriebetrieben." Klar sei laut Danninger aber auch, dass wir die seit langem herausforderndsten Zeiten für unsere Wirtschaft erlebten. Deshalb brauche es jetzt die richtigen Antworten. "Wir werden uns weiter mit ganzer Kraft gegen Ideen wehren, die uns im internationalen Vergleich noch mehr Wettbewerbsfähigkeit kosten. Ich bin überzeugt davon, dass es jetzt keine neuen Vermögenssteuern oder Träumereien bei der Arbeitszeit braucht. Stattdessen brauchen wir jetzt ausreichend Mut, wieder für Wirtschaftswachstum zu sorgen – weg mit überbordenden Auflagen und Vorschriften", so Danninger.
Auf die LEADERSNET.tv-Frage, was die Interessenvertretung im Jahr 2025 plant, sagt Michaela Roither, Geschäftsführerin der IV NÖ: "Wir haben ein spannendes Jahr vor uns, in dem die Industrie vor großen Herausforderungen steht. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir in Österreich die Wettbewerbsfähigkeit steigern und international wieder auf die Überholspur kommen. Wir werden uns massiv um die Internationalisierung des Landes kümmern." Weiters stehen im kommenden Jahr laut Roither Themen wie das Pensionssystem sowie die Energieversorgung und -preise auf der Agenda der IV NÖ.
Wahl des Vorstands und Keynote
Neben den programmatischen Schwerpunkten und der Wahl des Vorstands der IV NÖ für die kommenden vier Jahre war die Keynote von Markus Hengstschläger, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Stammzellforschung & Leiter des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik an der Med Uni Wien, ein Highlight der diesjährigen Ordentlichen Vollversammlung. In seinem Vortrag zum Thema "Mit Lösungsbegabung die Zukunft gestalten" sprach er u.a. über die Bedeutung innovativer Denkansätze und Lösungsorientierung für die Gestaltung der Zukunft und motivierte das Publikum dazu, in Bewegung zu bleiben und aktiv an der Bewältigung komplexer Herausforderungen mitzuarbeiten. Gegenüber LEADERSNET.tv erklärte Hengstschläger auch, warum es so wichtig ist, der nächsten Generation keine bewährten Lösungsansätze vorzusetzen, sondern dieser die Möglichkeit zu geben, selbst neue Lösungen für Probleme und Herausforderungen zu erarbeiten.
Video-Interviews
Neben Michaela Roither, Kari Ochsner, Jochen Danninger und Markus Hengstschläger holte LEADERSNET.tv noch Wolfgang Ecker, Präsident der WKNÖ, Helmut Schwarzl, GF Geberit Beteiligungs GmbH, Josef Scheidl, GF Brantner Österreich GmbH und Elfriede Hell, Managing Director HASCO Austria GmbH, vor die Kamera.
Fotos der Ordentlichen Vollversammlung 2024 sehen Sie in unserer Galerie.
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