„Die Verjüngung ist das größte Wachstumspotential"

| 07.06.2015

NÖM Marketingleiter Hofstädter im Interview über den Verzicht auf Social Media, die zwei Agenturen-Strategie und den Fokus auf urbane Konsumenten.

1898 von Franz von  Pirko als Niederösterreichische Molkerei reg. Genossenschaft mbH gegründet hat NÖM in der mehr als 100-jährigen Geschichte viel erlebt - Expansionen, Börsegänge, Sanierungen und Zukäufe. Dabei sei immer Frische und Qualität der Milchprodukte im Mittelpunkt gestanden. Neben vielen Innovationen und Neuprodukten startete NÖM kürzlich mit einer neuen Kampagne (leadersnet.at berichtete) und der Subrange NÖM to go durch. Im Interview mit leadersnet.at zieht Erik Hofstädter ein Resümee nach rund eineinhalb Jahren als NÖM-Marketingchef, erklärt warum die NÖM-Marken auch ohne Social Media Fokus nicht wieder in der Steinzeit gelandet sind und gibt einen Ausblick auf das kommende Jahr.

leadersnet.at: Sie sind seit Anfang 2014 NÖM-Marketingchef. Welche Bilanz können Sie nach rund eineinhalb Jahren in dieser Position ziehen?

Hofstädter: Dass alle meine Erwartungen an die Position erfüllt wurden und im Thema „Geschwindigkeit der Kategorie“ sogar noch übertroffen wurden. Die NÖM bietet für einen Marketeer alles was man sich wünscht – sehr gut eingeführte Marken, eine Unternehmensführung der die Wichtigkeit der Marke und die Stärkung der Marke bewusst ist und mir die Möglichkeit gibt, Marken von der Produktentwicklung bis zur fertigen Kampagne steuern zu können.

leadersnet.at: Sie haben letztes Jahr angekündigt Ihre Werbespendings im Online- und Social Media-Bereich nahezu gänzlich zu streichen. Was war der Grund dafür?

Hofstädter: Unsere Ausgaben in dem Bereich sind auch heuer und in naher Zukunft marginal – ich habe versucht heuer noch einmal zu erklären warum dies so ist. Es geht immer um das Kommunikationsziel, die Zielgruppe und die effizienteste Art und Weise diese mit meiner Marke nachhaltig zu erreichen. Wir sind die letzten 18 Monate mit unserer Strategie sehr gut gefahren und werden - wie immer - den Medienmarkt und alle Entwicklungen genau beobachten und sollte sich unser Ziel, die Zielgruppe oder die Effizienz des Mediums verändern, werden wir entsprechend handeln. Ein früherer Chef von mir hat mir gelernt „It’s more important what you don’t do, than what you do“ – und daran glaube ich mehr denn je, denn die fokussierten Marken und Unternehmen sind meist auch die erfolgreichen. Ich versuche das bei unserem Mediamix genauso handzuhaben. Ich bin aber natürlich für jedes Buzzword Bingo mit Agenturen mit tollen Abkürzungen wie DMP, SSP, DSP,etc. gerüstet.

leadersnet.at: Ihre Entscheidung hat für viel Gesprächstoff gesorgt. Hat am Ende die Kritik oder die Zustimmung überwogen?

Hofstädter: Die Kritik hat letztes Jahr sicherlich überwogen – heuer wo einige andere Firmen ihre Investments in dem Bereich auch reduziert haben und auch Branchenmedien sehr offen über den Nutzen von online Werbung diskutieren, würde so ein Sager auch in Österreich nicht mehr für viel Gesprächsstoff sorgen, denke ich.

leadersnet.at: Wie haben Sie die dadurch frei gewordenen Mittel eingesetzt?

Hofstädter: Wie gesagt, halte ich sehr viel davon sich zu fokussieren. Und wenn man für seine Marke TV als Leitmedium ausgewählt hat, geht es darum dort das beste rauszuholen. Und frei gewordene Mittel wurden hier in mehr Qualität bei den Platzierungen gesteckt. Und der Rest der Mittel wurde vor allem in das wirkliche Offline gesteckt – „the brand in the hand“. Wir haben heuer den Startschuss zu groß angelegten Samplings gegeben, da das wichtigste ist, wenn man die geschmacklich besten Produkte der Kategorie hat, diese den Konsumenten kosten zu lassen. Kein noch so tolles content management mit perfekt abgestimmten RTA kann den Moment ersetzen, wenn ein Konsument, ein gekühltes Produkt von uns überreicht bekommt.

leadersnet.at: Welches Fazit können Sie aus Ihrer Entscheidung, Online und Social Media aus dem Marketingmix mehr oder weniger zu verbannen, ziehen?

Hofstädter: Dass wir, obwohl mir das letztes Jahr viele vorhergesagt haben, mit unseren Marken auch ohne Social Media Fokus nicht wieder in der Steinzeit gelandet sind und dass die richtigen und echten Konsummomente, jene im virtuellen Leben noch immer übertreffen.

leadersnet.at: NÖM wird seit kurzem von zwei Werbeagenturen betreut. Für die Produkt-Range „fasten“ und „fru fru“ arbeiten Sie mit der Agentur NOA zusammen, während die sogenannte weiße Palette – also alle NÖM-Produkte – von der Agentur Zum Goldenen Hirschen betreut wird. Warum diese Aufsplittung und warum haben Sie sich für die jeweilige Agentur entschieden?

Hofstädter: Die Aufsplittung hat sich im Prozess ergeben und war anfangs nicht geplant – es hätte also auch sein können, dass wir so wie vorher nur mit 1 Agentur gearbeitet hätten. Was den Ausschlag gegeben hat für NOA war die kreative Umsetzung der neuen Positionierung der Marken über alle Disziplinen. Die Agentur wählt nicht immer die klassischen Ansätze und gerade für unsere Marken „fru fru“ und „fasten“ war uns dies auch sehr wichtig. Außerdem hat mir dort zugesagt, dass mit einem Pool an freien Kreativen gearbeitet wird und damit immer frische Ideen reinkommen. Für die Goldenen Hirschen haben wir uns vor allem deshalb entschieden, weil ich von ihrem Workshop Modell sehr angetan war, da ich kein Fan von der Zirkusshow bin, die normalerweise bei einem Pitch abläuft und das Modell ein gemeinsames Erarbeiten sicherstellt und ich denke mit „nöm. bleib frisch.“ ist daraus eine wirklich sehr gute Kampagne entstanden.

leadersnet.at: NÖM hat kürzlich die „Bleib frisch“-Kampagne gestartet, mit der sie eine urbane Zielgruppe erreichen möchten.  Warum möchten Sie damit gerade diese ansprechen?

Hofstädter: Bleib frisch im Kopf und schaffe Platz für deine Kreativität, vor dieser Hintergrundidee haben wir eine fast surreale Wunschwelt erschaffen, die mit Leichtigkeit und voller Energie,  Lebensfreude vermittelt. Wir wollten in der neuen Kampagne vor allem den KonsumentInnen in den Mittelpunkt stellen und das tägliche Leben – und das findet für den Großteil unserer KonsumentInnen in der Stadt und nicht auf Heidi’s Alm statt. Wir sehen unsere Produkte als die perfekten Produkte für einen gesunden Lebensstil in einer hektischen Zeit und schaffen es zum Beispiel mit der neuen nöm to go Linie vor allem junge urbane Konsumenten abzuholen. Und auch Aktivitäten wie unsere kürzliche Megaboard Aktion mit dem Künstler Kollektiv Perfekt World hat dazu beigetragen in Medien gefeatured zu werden, die normalerweise nie über Milch schreiben würden. Wir sind also ganz klar dabei, die Marke schrittweise jünger zu machen.

leadersnet.at: „Fad oder fru fru? Entscheide du.“ lautet hingegen der Claim für „fru fru“. Wie ist die Idee dazu entstanden?

Hofstädter: Viele KonsumentInnen begleitet Fru Fru seit ihren Kindertagen und ist so an erlebte Momente geknüpft, die Erinnerungen an unbeschwerte, kindliche Lebensfreude freisetzen. Genau diese Momente, die den echten Spaß von damals und heute beinhalten: Der Spaß, der ohne moderne Technologie an Verstecken spielen, Sacklrutschn, Seifenkisten fahren oder unbekümmert in luftige Höhe schaukeln erinnert und so über Jahrzehnte unverändert bis heute seine Gültigkeit hat. Diesen echte Spaß des realen Lebens, verbinden wir in der neuen Kampagne mit dem Genuss- und Erlebnismoment eines Fru Fru’s. Einfach den Tag erleben - ohne Grenzen Spaß haben, da man jeden Tag selbst in der Hand hat wie wer wird: Fad oder Fru Fru? Entscheide du.

leadersnet.at: Bei „fasten“ setzen Sie hingegen auf „Ich liebe mich“. Ist das die Antwort von nöm auf das Selfie-Zeitalter?

Hofstädter: Wir wollen damit unsere KonsumentInnen dazu ermutigen, dass es absolut ok ist und nicht narzisstisches hat, wenn man zu sich selbst sagt, dass man sich liebt. Es geht darum, dass man mit sich im Reinen ist und sich in seiner Haut wohlfühlt. Wir wollen als Marke die Menschen dazu ermutigen. Wir wissen auch, dass wir als Marke nicht die Antwort sein können, aber wir können den Denkanstoß geben und ein Teil davon sein, wenn es darum geht, sich durch gesunde Ernährung wohl zu fühlen. Diese Entwicklung in Richtung sich selbst zu lieben und 365 Tage wohlzufühlen geht natürlich nicht nur von der Kampagne aus, sondern vor allem auch von den Produkten. Egal ob dies die neuen Vital Drinks sind, der fasten Eiscafe oder die Protein Drinks. Alle Produkte können als Teil einer ausgewogenen und gesunden Ernährung dazu beitragen sich jeden Tag wohlzufühlen und auch sich selbst zu lieben.

leadersnet.at: Wie haben sich durch die Neupositionierung der unterschiedlichen Marken die einzelnen Budgets verändert?

Hofstädter: Die einzige wirkliche Budgetveränderung gab es auf der Marke NÖM, da wir hier Marken wie nöm mix, cremix und die klassischen Milchprodukte (sogenannte Weiße Palette) zusammengelegt haben zu einer großen Marke.

leadersnet.at: Das Thema Ernährung hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Einer der Trends – vor allem im urbanen Bereich – ist vegane Ernährung und auch das Thema Laktoseintoleranz wird verstärkt diskutiert. Hat das konkrete wirtschaftliche Auswirkungen für Molkereien und wie wird NÖM in den nächsten Jahren auf diese Trends reagieren?

Hofstädter: Das Thema Laktoseintoleranz bespielen wir seit Jahren als Vorreiter in Österreich und sind hier auch die klare Nummer 1 mit unserer Marke „l.free“. Wir sehen hier auch weiterhin schöne Zuwächse und gehen davon aus, dass dieser Trend anhält. Vegane Ernährung ist auf alle Fälle ein Trend und wie Sie sagen im urbanen Gebiet sicherlich größer als im ländlichen Bereich und erfreut sich auch schöner Zuwächse, allerdings auf einem sehr niedrigen Niveau. Unser Kernprodukt ist allerdings unsere 100% gentechnikfreie Kuh-Milch, die von 3.500 Familienbetrieben hergestellt wird und darauf sind wir stolz. Damit werden wir sehr viele Konsumenten mit unseren liebevoll veredelten Produkten erreichen, Menschen die sich 100% vegan ernähren allerdings leider nicht.

leadersnet.at: Welche Ziele haben Sie sich für 2015 und 2016 gesetzt und wo sehen Sie bei NÖM noch Wachstumspotentiale?

Hofstädter: Wie jedes Unternehmen wollen auch wir weiterhin wachsen und unsere größten Potentiale für die Marke liegen nach wie vor in Österreich. Unser Job ist es vor allem wieder mehr junge Konsumenten in die Kategorie zu holen, mit modernen Produktkonzepten, welche den heutigen Lebensstil ansprechen. Die Verjüngung der Kategorie ist das größte Wachstumspotential – ob dies durch Convenience Produkte wie unseren nöm to go cottage snack passiert oder durch einen fasten Proteindrink. In anderen Segmenten wie den Fruchtjoghurts geht es darum geschmacklich der beste Anbieter zu sein, denn Genuss steht bei unseren Produkten im Vordergrund. Aus diesem Grund haben wir auch alle nöm mix Rezepturen überarbeitet und noch cremiger gemacht, obwohl wir hier schon die Nr. 1 waren. Im Export - wir liefern unsere Produkte auch in 25 Länder außerhalb Österreich -  liegt für die Zukunft aufgrund der Qualität unseres Rohstoffes und unserer Kompetenz Innovationen in den Markt zu bringen natürlich auch noch Potential für Wachstum.

www.noem.at



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