Die weltweiten Biermärkte sind seit Jahren einer starken Veränderung unterworfen. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist im Sinken – vor allem normales Bier wird immer weniger getrunken. Österreich scheint diesbezüglich aber das berühmte kleine gallische Dorf zu sein. Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 107,7 Litern ist Österreich hinter den Tschechen unangefochtener Vizeweltmeister im Biertrinken. Dennoch wird auch hierzulande immer seltener zum klassischen Krügerl gegriffen.
Diesem Trend versuchen die Bierbrauer durch die Erschließung neuer Kundensegmente und Erfindung neuer Geschmacksrichtungen entgegen zu treten. In Japan treibt diese Strategie ganz besondere Auswüchse. Das Land der aufgehenden Sonne hat die am schnellsten schrumpfende Bevölkerung der Welt und die Brauereien sind gezwungen, neue Nischen zu entdecken. Vor allem Frauen werden verstärkt als Kunden ins Auge gefasst. Geangelt wird nach den nach potentiellen Biertrinkerinnen vor allem mit süß-schmeckenden Kreationen. Dazu gehören zum Beispiel Biere mit Ananasaroma oder Tomatengeschmack. Besonderer Beliebtheit erfreut sich ein Bier, das mit einer Krone aus Softeis daherkommt.
Schoko-, Maroni- und Rieslingbier
So ein Gelati-Bier gibt es in Österreich zwar noch nicht, aber die diversen Radlersorten, die seit einigen Jahren in den Regalen zu finden sind, lassen vermuten, dass es auch in Österreich einen Markt für etwas ausgefallenere Biere gibt. Diesen Eindruck bestätigt auch Gabriele Grossberger, Marketingmanagerin von Ottakringer: "Natürlich ist man stets daran interessiert auch internationale Trends zu beobachten und in Überlegungen miteinfließen zu lassen. Generell ist zu sagen, dass sich der österreichische Biermarkt langsam auf dem Weg befindet, sich neuer Bierkreationen anzunehmen." So würden die Ottakringer-Braumeister laufend an neuen Kreationen arbeiten, die im Ottakringer Shop und bei ausgewählten Gastronomen getestet werden können.
Alexandra Picker, Pressesprecherin von Stiegl, bestätigt die steigende Lust an der Biervielfalt und am Experimentieren. Im Stiegl-Gut Wildshut gebe es sogar eine Art "Hexenküche" in der immer wieder mit neuen Zutaten experimentiert wird. "Unser Braumeister Christian Pöpperl hat heuer bereits die 'Männerschokolade', ein Bier mit Schokolade, und die 'Gmahde Wiesn', ein Bier mit Sonnentor-Kräutern, gebraut. Derzeit arbeitet er an einem Bierexperiment mit Kaffee", erzählt Picker.
Andreas Stieber, Marketing Manager der Brau Union, verweist auf die Spezialitäten-Manufaktur des Konzerns: das Hofbräu Kaltenhausen: "Dort bieten wir immer limitierte Saison- oder Kreativbiere an, wie z. B. Riesling Style, das mit dem Saft frischer Riesling Sylvaner Trauben vergoren ist, Maroni Style oder Bitter Orange." Stieber gibt aber auch zu bedenken, dass hinter solchen Podukten keine riesigen Absatzmengen stecken würden: "Aber für echte Biergenießer ist das eine willkommene Bereicherung des Angebotes."
Keine Chance für Pfefferminze
Auch im äußersten Westen Österreichs gibt es den Trend zu den Radlern und Biermischgetränken. Die Mohrenbrauerei hat neben dem klassischen Zitronenradler auch einen Grapefruit Radler und den in Vorarlberg sehr beliebten Sauren Radler im Sortiment. "Wir sind durchaus aufgeschlossen, in Bezug auf die Biervielfalt zu experimentieren und diese Ergebnisse einem kleinen Kreis an Bierliebhabern zur Verfügung zu stellen. Eine generelle Markteinführung von bierartigen Getränken mit verschiedenen Geschmacksrichtungen können wir uns nicht vorstellen", erklärt Janine Stumpf, Marketingmanagerin der Mohrenbrauerei. Der Großteil der Konsumenten wünsche sich den klassischen Biergeschmack. "Unserer Meinung nach könnte sich etwa ein Pfefferminzbier als Standardprodukt am Österreichischen Markt nicht zufriedenstellend etablieren."
Dennoch hat die älteste Vorarlberger Brauerei erst im Juli die so genannte "Creativ Brauerei" eröffnet. Stumpf: "Hier können Gruppen in einem Kleinsudwerk kreative Biere brauen – und hier sind wir auch für alle Ideen offen. Mit Mut kann der Besucher Biere in sämtlichen Geschmacksrichtungen produzieren – Ingwer, Lemongrass oder Lebkuchen." (red)
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