Am Mittwoch haben die KV-Verhandlungen im Handel begonnen. Dabei fordern die Arbeitnehmer:innen 4,8 Prozent mehr Lohn und Gehalt. Genau an diesem Tag hat WIFO gemeinsam mit dem Handelsverband (HV) den aktuellen "Konjunkturreport Einzelhandel" vorgestellt. Dieser soll für das dritte Quartal 2024 die fehlende Dynamik der heimischen Konjunktur belegen. Laut ihm stagnierte sowohl im September als auch in der ersten Oktoberhälfte die gesamtwirtschaftliche Aktivität. Der heimische Non-Food-Handel verzeichnete auch in den Sommermonaten ein Minus bei den inflationsbereinigten Nettoumsätzen (-1 Prozent im Juli, -0,3 Prozent im August).
Leichte Umsatzzuwächse im LEH
Die österreichische Konjunktur verlaufe weiterhin schwach. Auch die Bruttowertschöpfung im Handel stagniere seit Juli auf dem Vorjahresniveau, so Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. "Zumindest der Lebensmitteleinzelhandel hat im dritten Quartal leichte Umsatzzuwächse erwirtschaftet, allerdings können diese die Kostensteigerungen in der Beschaffung, beim Personal sowie bei Fremdkapital, Mieten und Pacht bei weitem nicht kompensieren", so Will.
"Der nachlassende Preisauftrieb sowie die gestiegenen Haushaltseinkommen haben die realen Umsätze der heimischen Einzelhändler:innen zuletzt einigermaßen stabilisiert, allerdings liegt der österreichische Non-Food-Handel auch im dritten Quartal unter dem Vorjahresniveau", ergänzt WIFO-Ökonom und Studienautor Jürgen Bierbaumer.
Angstsparen nimmt zu
Die Ergebnisse zeigen zwar, dass das Konsumentenvertrauen zuletzt angestiegen ist, es aber weiterhin auf niedrigem Niveau liegt. Die anhaltend hohe Unsicherheit der Konsument:innen erhöht trotz stark gestiegener Haushaltseinkommen primär die Sparquote auf in diesem Jahr voraussichtlich 11,4 Prozent. Die Verschiebung der Konsumausgaben weg vom klassischen Warenkauf hin zu Reisen, Urlaub, Gastronomie und Selbstoptimierung kommt erschwerend hinzu.
Der weiterhin nachlassende Preisauftrieb stützt die reale Entwicklung. Die Inflation lag im September 2024 bei 1,8 Prozent (LEADERSNET berichtete), wobei die Tendenz weiterhin fallend ist. Der Wermutstropfen dabei ist, dass Österreich damit noch immer über dem Schnitt des Euro-Raums, der bei 1,7 Prozent liegt, liegt.
Stimmungsbild pessimistisch
Die aktuellen Umfrageergebnisse der österreichischen Händler:innen fallen im Vergleich zu deutschen Einzelhandelsunternehmen deutlich pessimistischer aus. Laut dem Vertrauensindikator der EU ist das Stimmungsbild im heimischen Einzelhandel im September um 6,1 Punkte eingebrochen, in unserem Nachbarland lag das Minus bei nur 1,8 Punkten. Betrachtet man jedoch die Entwicklung über die letzten drei Monate, so ist der Pessimismus in beiden Ländern ähnlich stark ausgeprägt.
Wirtschaftsstandort wird gehemmt
Massiv sei laut dem Handelsverband auch die hemmende Wirkung des Regulierungswahnsinns in Österreich bzw. ganz Europa. Demnach wurden von 2019 bis 2024 in der EU 13.000 Rechtsakte verabschiedet, in den USA waren es im gleichen Zeitraum 3.500 Vorschriften. Hinzu kommen über 400 weitere delegierte Rechtsakte in der europäischen Rechtssetzungs-Pipeline, welche die Brüsseler Überbürokratisierung befeuern.
"Der Bürokratiedschungel in Europa ist ein absoluter Produktivitätskiller, der unsere Innovationskraft lähmt. Erschwerend hinzu kommt der mangelhafte Vollzug dieser Regulierungen bei dubiosen Wirtschaftsakteuren und Plattformen aus Drittstaaten. Es kann doch nicht im Sinne der EU sein, Unternehmen aus Fernost besserzustellen als europäische Betriebe, die hierzulande Steuern zahlen und unseren Sozialstaat mitfinanzieren", so Will.
Rückgang der offenen Stellen um -23 Prozent
Auch der Arbeitsmarkt ist von der aktuellen Wirtschaftslage gekennzeichnet. Der Bestand an offenen Stellen ging sowohl im Einzelhandel als auch in der Gesamtwirtschaft weiter zurück und lag im September im Einzelhandel bereits um -23,3 Prozent (Gesamtwirtschaft -14 Prozent) unter dem Niveau des Vorjahres.
Ausblick
"Gemäß der aktuellen WIFO-Prognose wird die Konjunkturschwäche auch im 2. Halbjahr 2024 anhalten, sodass die Wirtschaftsleistung im gesamten Jahr um -0,6 Prozent zurückgehen dürfte. Für das Jahr 2025 erwarten wir einen minimalen Zuwachs von einem Prozent", so Jürgen Bierbaumer.
Die privaten Haushalte dürften im weiteren Jahresverlauf zurückhaltend agieren, sodass die privaten Konsumausgaben heuer stagnieren und erst 2025 wieder minimal zunehmen werden. Trotz der zuletzt kräftigen Lohnzuwächse regen die Unsicherheit hinsichtlich des wirtschaftlichen Umfelds und die steigende Arbeitslosigkeit zum Vorsichtssparen an. Für 2025 wird daher ein weiterer Anstieg der Sparquote auf 11,5 Prozent erwartet. Die Inflation dürfte im Gesamtjahr 2024 bei 3,1 Prozent liegen, für 2025 werden 2,2 Prozent prognostiziert.
www.handelsverband.at
www.wifo.ac.at
Kommentar schreiben