Cyborgs aus einer näheren Zukunft, Avatare aus einer virtuellen Welt, androgyne Mischwesen aus menschlichem Organismus und Maschine: Peter Senoner ist Abenteurer, Forscher und Visionär und verhandelt Themen, die in unserer Gegenwart viel diskutiert werden. Doch der Südtiroler Künstler erschafft die ebenso rätselhaften wie faszinierenden Wesen bereits seit über 20 Jahren. Mit Skulpturen, Zeichnungen und Malereien bewegt er sich im Spannungsfeld von menschlicher Existenz, Technologie und möglichen Lebensraum und sucht stets nach neuen Wegen des künstlerischen Ausdrucks.
Einblick in das Atelier von Peter Senoner in Lajen / Südtirol © Simon Perathoner
Seine Skulpturen fertigt Senoner zunächst in Holz, um sie dann in Aluminium oder auch weiß lackierter Bronze zu gießen. Die Entscheidung, mit Holz zu arbeiten, kam dem Künstler während seiner Zeit in New York. Dort habe er eine künstlerische Krise gehabt und sei so wieder zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. In Wechselwirkung zu den bildhauerischen Arbeiten entstehen in den letzten Jahren auch vermehrt Zeichnungen und Malereien. Das Holz war auch hier eine Notwendigkeit, so Senoner, es habe mehr Widerstand als das Papier. "Vom Charakter her bin ich Bildhauer, ich zeichne wie ein Bildhauer." Er kratzt in die perfekt aufgetragene Grundierung, arbeitet mit Graphit, Buntstift oder Aquarell die Figuren aber auch sanft aus dem Holz heraus. Im Mittelpunkt der Arbeiten steht stets die Erforschung des Körpers, seine Schönheit und Verletzlichkeit, besonders auch die Transformation, das Künstliche und Maschinenhafte. Die androgynen Figuren erscheinen wie Wesen aus der Zukunft oder einer fernen Galaxie und doch erzählen sie auch viel über uns.
2023 zeigte Senoner im Rahmen der Ausstellung "Systemrelevant" im Künstlerhaus Wien die aufsehenerregende Skulptur "Monomon" (2002/2022-2023) wie auch große Malereien aus der Serie "Artarctic" (2022).
www.petersenoner.com
"Systemrelevant" im Künstlerhaus Wien 2023. Skulptur "Monomon" © Michael Nagl
"Systemrelevant" im Künstlerhaus Wien 2023. Malereien aus der Serie "Artarctic" © Michael Nagl
Bildhauerei reloaded: Wie Südtiroler Skulpteure das Medium neu beleben und damit international reüssieren
Die Berglandschaft ist atemberaubend. Millionenfach wird sie auf Postkarten und Bildbänden abgebildet oder natürlich auch auf Social Miedia geteilt. Doch das Grödner- und Gadertal in Südtirol hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Überdimensionierte Hotelburgen bestimmen den Charakter der Dörfer, unzählige Souvenirläden bieten kitschige Holzschnitzereien an, neue Liftanlagen und Straßen bringen die Touristen ohne größere körperliche Anstrengung den Berggipfeln nahe.
Auch Grödner Holzschnitzerei ist nicht mehr das, was sie einmal war. Das allerdings ist eine gute Nachricht. Natürlich gibt es auch weiterhin die traditionelle Schnitzkunst, ein seit Jahrhunderten gepflegtes und auch angesehenes Gewerbe, daneben hat sich in den letzten Jahrzehnten aber eine ernstzunehmende neue Bildhauerszene formiert, die weit über das Tal hinaus wahrgenommen und geschätzt wird. Diese neue Generation hochtalentierter Skulpteure orientiert sich in ihrem Werk an der internationalen Kunstdiskussion und versucht, Könnerschaft und altes Handwerk mit zeitgenössischen Herangehensweisen und Themen zu verknüpfen. Aus den Konventionen emanzipierend, wenden sie sich von erstarrten Bildmustern ab, ohne dabei das Holz (oder auch die Bronze) als Werkstoff aufzugeben. Die eigene Tradition wird nicht verneint, aber neu interpretiert.
Sie sind im Grödner- oder Gadertal beheimatet, es ist ihre "homebase" und der Produktionsmittelpunkt, aber es zieht sie auch immer wieder hinaus. Dann leben und arbeiten sie in Amerika, in Deutschland oder Österreich, stellen in Museen in Rom, Mexico City oder New York aus. Ich habe vor einiger Zeit mehrere von ihnen besucht und sehr bodenständige, herzliche Menschen getroffen, die sich mit dem Tal, der Landschaft, den Menschen verbunden fühlen, aber gleichzeitig viel von der Welt gesehen haben. Die mit der internationalen Kunstszene vertraut sind, ohne dafür ständig in einer Kunstmetropole leben zu müssen. Die leidenschaftliche Sammler:innen und Galerist:innen haben, welche sie in ihren Ateliers in Südtirol besuchen und an Ausstellungshäuser und Kunstmessen dieser Welt vermitteln. Die mehr Weltbürger sind, als manche Großstädter glauben, es zu sein.
Text: Günther Oberhollenzer
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