LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Jaworski, Coface ist einer der weltweit führenden Akteure im Bereich der Kreditversicherung. Ihr Geschäft ist also die Risikoabsicherung. Wie entwickeln sich die Risiken derzeit und welche Trends sieht Coface?
Jaroslaw Jaworski: Es gibt verschiedene Trends. Einerseits beobachten wir aus wirtschaftlicher Sicht, dass die Zahl der Insolvenzen in vielen Regionen über dem Niveau vor der Corona-Pandemie liegt. Andererseits sehen wir einen leichten Aufschwung der Wirtschaft in vielen Regionen. Auch in unserer CEE-Region (Anm.: Central and Eastern European Countries) ist die Entwicklung des BIP positiv und liegt auf einem Niveau, das im Vergleich zum Vorjahr deutlich besser ist. Das ist also das eine Element. Wir sehen jedoch auch eine Zunahme des Risikos aus der geopolitischen Perspektive. Beim Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist das Ende noch nicht absehbar. Hinzu kommt, dass es im Nahen Osten nach wie vor große Spannungen gibt. Das kann die Situation weltweit beeinflussen. Weiters spielt das Thema Cybersicherheit eine immer bedeutendere Rolle. Hier zeichnet sich eine Tendenz ab, dass viele Unternehmen durch diese Art des Risikos sogar zerstört werden können. Risiken gibt es also auf verschiedenen Ebenen, die wir alle in Betracht ziehen müssen.
LEADERSNET: Wie steht es um die Wirtschaft im CEE-Raum im Vergleich zur österreichischen?
Jaworski: Meiner Meinung nach sehen wir definitiv einen Aufschwung, aber dieser ist nicht ganz auf dem Niveau, das wir erwartet haben. Wenn ich mich nicht irre, sprechen wir im Durchschnitt von etwas unter drei Prozent. Das liegt eindeutig unter dem Potenzial der Länder, die zu den CEE-Ländern gehören, vor allem, wenn ich das mit der Situation vor der Pandemie vergleiche. Ich bin davon überzeugt, dass wir allmählich ein etwas höheres Niveau erreichen werden. Was uns noch fehlt, ist ein Anstieg der Industrieproduktion. Dieser hängt mit unserem Hauptexportziel in unseren Ländern zusammen, wobei ich mich auf Deutschland beziehe.
LEADERSNET: Wie wichtig ist Expertise in Ihrer Branche?
Jaworski: Expertise ist überall sehr wichtig. Bei Coface beträgt die Versicherungssumme fast 700 Milliarden Euro. Ohne Expertise könnte man das nicht bewerkstelligen. Wir haben weltweit rund 200 Millionen Unternehmen in unserer Datenbank. Es ist also unsere Hauptaufgabe, diese Daten besser zu nutzen sowie mehr und genauere Daten zu haben. Wissen und Expertise sind also sehr wohl entscheidend.
LEADERSNET: Ein weiterer wichtiger Punkt in diesen Zeiten sind ständige Anpassungen und Agilität in Bezug auf das Geschäftsmodell. Wie geht Coface damit um?
Jaworski: Wir haben natürlich eine Gesamtstrategie, aber in diese werden täglich neue Ideen und Lösungen eingebracht. Agilität ist also ein Schlüssel. Als die Pandemie begann, mussten wir uns sofort anpassen. Tag für Tag mussten wir unser Verhalten, unsere Art und Weise, wie wir mit unseren Kunden umgehen, adaptieren. Nach COVID-19 kamen dann die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen. Flexibilität, Agilität und die Digitalisierung sind also nach wie vor ein absolutes Muss.
LEADERSNET: Wie blicken Sie in die Zukunft, welche Entwicklungen erwarten Sie?
Jaworski: Die Zukunft kann viele unterschiedliche Entwicklungen bringen, weshalb wir unsere Strategie laufend anpassen müssen. Natürlich müssen wir uns auf mögliche Entwicklungen vorbereiten. Das bedeutet, die richtigen Informationen und Fachkenntnisse zu haben, um auf bestimmte Ereignisse, die eintreten können, reagieren zu können. In unserer Branche ist es entscheidend, die notwendigen Informationen zu bekommen und einen guten Informationsaustausch mit unseren Kunden und Geschäftspartnern zu pflegen. Zum einen, um ihnen sagen zu können, was sie zu tun haben, um auf Risiken bestmöglich vorbereitet zu sein, zum anderen von ihnen zu erfahren, wie sie die Situation einschätzen.
LEADERSNET: Es wird also Herausforderungen geben, aber auch Lösungen.
Jaworski: Auf jeden Fall. Die Zukunft bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich, aber genau das kann auch viel Freude bereiten.
LEADERSNET: Vielen Dank.
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