Gastkommentar Ralf-Wolfgang Lothert
Medien als vierte Säule der Demokratie

| Redaktion 
| 30.06.2024

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Geneigte Leser:innen, diesmal waren es die Äußerungen des Vorsitzenden des Vorstandes des Medienverbandes der freien Presse, Philipp Welte, zum deutschen öffentlichen Rundfunk sowie die Ereignisse der letzten Monate in der österreichischen Medienlandschaft, die mich zu diesem Gastkommentar veranlassten. Ich bin zwar kein absoluter Experte des komplexen Ökosystems Medien, aber sicherlich jemand, der sich mit diesem Thema täglich auf unterschiedlichste Art und Weise beschäftigt. Dies sei hier vorausgeschickt.

Die vierte Säule der Demokratie

Wir merken es vielerorts, jedenfalls aber in Deutschland und Österreich: Die klassischen privaten (Print-)Medien werden kleiner und weniger. Man hört von Restrukturierungen, dem Abbau von Arbeitsplätzen und sinkenden Leser:innenzahlen. Die Jugend von heute informiert sich lieber über TikTok oder andere Kanäle, wo sie jedoch vielfach fragwürdige Inhalte oder sogar Fake News vorfinden. Oder sie greifen auf die kostenlos bereitgestellten Informationen der bekannten Tech-Giganten wie Meta und Google zurück. Aber was bedeutet das? Meine treuen Leser:innen wissen, dass mir die Demokratie ein wesentliches Anliegen ist, da sie der Grundbaustein für unser Leben in Freiheit und Wohlstand ist. Eine freie und unabhängige Presse ist wiederum ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Demokratie.

Insofern besteht wohl weitgehend parteiübergreifend Einigkeit darüber, dass die Erhaltung einer freien, privaten Medienlandschaft essenziell ist. Weniger freie Medien bedeuten ein Wanken der sogenannten vierten Säule der Demokratie.

Aber woran liegt es, dass es so vielen Medien wirtschaftlich schlecht geht? Was sollte getan werden, um diese private Medienlandschaft zu erhalten? Ich bin überzeugt davon, dass das Problem seinen Ursprung sowohl in äußeren (regulatorischen) als auch inneren (medieninternen) Aspekten hat.

Bezüglich der äußeren Regulierung glaube ich, dass die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten (z.B: ORF, ARD, ZDF) durchaus ihre Berechtigung für den Erhalt der Demokratie haben. Wir müssen jedoch beachten, dass diese Medien durch Steuergelder oder (Zwangs-)Abgaben betrieben werden und somit mit öffentlichen Geldern in Konkurrenz zu den privaten Medien stehen. Deshalb sollten sich die öffentlich-rechtlichen Medien auf ihre meist auch verfassungsrechtlich stipulierten Kernaufgaben beschränken: ein differenziertes Gesamtprogramm von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport für alle anzubieten. Meiner Ansicht nach gehen die meisten dieser öffentlich-rechtlichen Medien aber weit über diesen Auftrag hinaus, was die Anzahl der Sender, Spezialprogramme, digitale Kurznachrichtenprogramme etc. betrifft. Es ist auch nicht verständlich, warum diese Programme noch zusätzlich Einnahmen durch Werbung erzielen dürfen. Hier bedarf es einer Nachschärfung und Abgrenzung zu den privaten Medien.

Klarere Regelungen

Ein noch größeres Problem ist, dass die sogenannten Tech-Giganten auf Kosten anderer Medien Verlinkungen und Inhalte anbieten, ohne dafür wirklich zu bezahlen. Etwas problematisch erscheint es dann, dass für Unternehmen dazu weitere integrierte und intransparente Leistungen, Listings und Werbemaßnahmen angeboten werden. Zudem leisten sie kaum Steuern und generieren wenig Wertschöpfung. Die EU hat mit dem Digital Markets Act und dem Digital Services Act bereits einige Regelungen getroffen, aber diese werden wohl nicht genügen und es bedarf sicherlich weiterer klarer Regelungen und weiterer finanzieller Beteiligungen oder Besteuerungen dieser Tech Giganten in den entsprechenden Ländern.

In diesem Zusammenhang wird dann immer wieder vorgeschlagen, die klassischen Qualitätsmedien direkt vom Staat bezuschussen zu lassen, wie es in Österreich zum Teil bereits der Fall ist. Dazu bin ich eher skeptisch eingestellt, weil ich grundsätzlich nichts von einer Subventionswirtschaft halte. Regeln sollen dazu führen, dass gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen herrschen. Insoweit kann ein solcher Schritt meines Erachtens nur die Ultima Ratio sein, sollte es gar keine andere Lösung geben.

Wandel in der Medienlandschaft

Könnte mit all diesen Maßnahmen alles so bleiben, wie es ist? Die meisten privaten Medienunternehmen haben zu lange daran geglaubt, es gehe alles weiter wie bisher. Die Digitalisierung hinkt bei vielen Unternehmen noch weit hinterher. Der Glaube, mit Digitalabos allein den Turnaround zu schaffen, ist wahrscheinlich nur für wenige realisierbar. Es bedarf eines ganz neuen Denkens: Was wollen meine Konsument:innen oder besser gesagt, meine Leser:innen, die "Community", und hier ganz besonders die Jungen? Sie wollen womöglich über Nachrichten hinaus ein auf sie zugeschnittenes Bestellsystem, individuelle Behandlung und Betreuung, aber auch eine Vernetzung mit Gleichgesinnten.

Wir haben festgestellt, dass wir eine freie, private und unabhängige Medienlandschaft für unsere Gesellschaft und eine lebendige Demokratie brauchen. Um dies zu gewährleisten, brauchen wir aber dringend regulatorische Änderungen sowie einen schnellen Wandel der bisherigen Medienlandschaft. Vor allem in Zeiten, in denen jede:r einzelne mit seinem Mobiltelefon in Sekundenschnelle Inhalte nicht nur konsumieren, sondern selbst erstellen und verbreiten und damit selbst zum Medium wird, müssen seriöse Angebote wieder umso mehr an Bedeutung gewinnen.

Ich kann nur hoffen, dass die Politik in Sachen regulatorischer Rahmenbedingungen nicht noch länger wartet und dass die Medienunternehmen beschleunigt an ihrer Transformation arbeiten. Denn mir scheint, bei diesem Thema ist es nicht fünf vor sondern bereits nach zwölf. Und wenn eine private Medienlandschaft erst einmal zerstört ist, wird es fast unmöglich sein, diese wieder zu errichten.

www.jti.com


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