Im Rahmen der EHL-Pressekonferenz "Immobilienmarkt 2023" wurden spannende Ein- und Ausblicke in und auf die aktuelle sowie kommende Marktsituation gegeben. Die Expert:innen der EHL Gruppe nannten Entwicklungen sowie Trends. Präsentiert wurden die Zahlen und Analysen am Mittwoch von Michael Ehlmaier (CEO EHL Immobilien Gruppe), Franz Pöltl (EHL Investment Consulting GmbH), Karina Schunker (EHL Wohnen GmbH), Stefan Wernhart (EHL Gewerbeimmobilien GmbH) und Alexandra Bauer (EHL Gewerbeimmobilien GmbH). LEADERSNET.tv war bei der Veranstaltung dabei und fragte beim EHL-Management nach, wie es um den heimischen Immobilienmarkt steht und was für heuer zu erwarten ist. Doch zunächst zu den Zahlen in den Bereichen Investment, Wohnen, Büro und Einzelhandelsflächen.
Investment: Transaktionsvolumen ging zurück
Der österreichische Immobilieninvestmentmarkt hat ein insgesamt schwieriges, aber durchaus zufriedenstellendes Jahr 2022 hinter sich gebracht. So ist das Transaktionsvolumen im Jahresvergleich zwar um rund zehn Prozent zurückgegangen, blieb aber mit knapp über vier Milliarden Euro deutlich über den zuletzt teils sehr pessimistischen Prognosen. Dabei habe das erste Halbjahr noch durchaus den zu Jahresbeginn 2022 recht optimistischen Erwartungen entsprochen, nach einem markanten Einbruch ab Jahresmitte kam es im letzten Quartal wieder zu einer spürbaren Erholung, sodass mit einer Reihe mittelgroßer Transaktionen noch vor Jahresende einiges an Terrain aufgeholt werden konnte.
Das Preisniveau war leicht rückläufig, wobei sich die verschiedenen Teilmärkte recht unterschiedlich entwickelt hätten. Im Topsegment blieben die Preise für Objekte mit guten Vermietungsperspektiven und vor allem voller ESG-Compliance nahezu unverändert. In nachgelagerten Qualitätssegmenten kam es zu Rückgängen um bis zu 15 Prozent.
- Negative Auswirkungen durch Zinspolitik
"Der Markt hat steigende Rohstoffpreise, Konjunkturschwäche, Lieferkettenprobleme und auch noch den Beginn des Ukrainekonflikts gut bewältigt, aber die geänderte Zinspolitik und die in der Folge deutlich gestiegenen Finanzierungskosten haben sowohl das Transaktionsgeschehen als auch die Preise negativ beeinflusst", erklärte Michael Ehlmaier, geschäftsführender Gesellschafter der EHL Immobilien Gruppe.
"Insbesondere für institutionelle Investoren hat sich die relative Attraktivität von Immobilienveranlagungen verschlechtert. Es ist viel Geld in andere Märkte und Segmente, vor allem festverzinsliche Wertpapiere im US-Dollar-Raum geflossen. Die hohe Inflation und die stark negativen Realzinsen, die beide eigentlich für Investitionen in Immobilien sprechen, finden in der aktuell stark von Sicherheitsüberlegungen geprägten Marktsituation noch nicht die gebotene Beachtung."
Für 2023 sind die Expert:innen der EHL aber wieder vorsichtig optimistisch. Insbesondere bei den für Investoren relevanten, langfristigen Zinsen stünden die Zeichen bereits wieder auf Entspannung: "Zwar liegen die SWAP-Sätze im zehn Jahresbereich mit aktuell rund 2,8 Prozent deutlich höher als vor einem Jahr, als sie sich noch unter der Ein-Prozent-Marke befanden, sind aber immerhin um fast einen ganzen Prozentpunkt niedriger als auf dem Höhepunkt der Entwicklung im Sommer 2022. Wenn sich diese Entwicklung verfestigt, wird das auch Immobilien wieder attraktiver machen", erläutert Franz Pöltl, geschäftsführender Gesellschafter der EHL Investment Consulting.
Wohnen: Kostenbewusstsein, Energieformen und kaum Leerstände
Der Wiener Wohnungsmarkt habe 2022 einen markanten Wandel erlebt, der auf mehrere Faktoren zurückzuführen sei: Eine hohe Zahl von Fertigstellungen von Projekten aus den Jahren 2019 bis 2021 sorgte mit ca. 19.000 für einen Rekordwert bei den neu auf den Markt kommenden Wohnungen. Gleichzeitig haben die dramatisch gestiegenen Energiepreise die Wohnkosten unabhängig vom Nettohauptmietzins nach oben getrieben. Die radikale Verschärfung der Finanzierungsregeln in Verbindung mit gestiegenen Finanzierungskosten habe zudem zu einer Verschiebung der Nachfrage von Eigentum zu Miete geführt. Andererseits werde von Anbieterseite wieder verstärkt auf den Einzelwohnungsabverkauf gesetzt, da institutionelle Anleger:innen zurzeit zurückhaltender agieren.
Nichtsdestoweniger sei der Markt stabil und das zusätzliche Angebot wurde fast vollständig absorbiert: "Trotz des geänderten Umfelds sind Leerstände weiterhin kein großes Thema", erklärt Karina Schunker, Geschäftsführerin der EHL Wohnen, und weiter: "Zwar ist es selbstverständlich stark von der Lage und dem umliegenden Wohnungsangebot sowie von Größe der Projekte abhängig, wie rasch die Vollverwertung erreicht wird, jedoch sehen wir generell nach wie vor durchwegs starke Nachfrage. Mieter sind in den vergangenen Monaten wegen des noch vielfältigen Angebots zwar umzugsfreudiger geworden, aber die Nachvermietung freiwerdender Wohnungen erfolgt in der Regel rasch und problemlos."
- Änderungen bei Entscheidungskriterien
Im Laufe des heurigen Jahres erwartet Schunker erneut deutliche Marktverschiebungen. Bis Jahresmitte werden noch ausreichend Wohnungen auf den Markt kommen, doch ab der zweiten Jahreshälfte sei mit einem markanten Rückgang zu rechnen.
Bereits jetzt haben sich außerdem die Entscheidungskriterien von Wohnungssuchenden deutlich geändert: „Früher spielten technische Fragen rund um das Thema Energie nur eine untergeordnete Rolle. Heute sind Energiekosten, welches Heizungssystem verwendet wird und wie ausfallssicher dieses ist, zentrale Themen bei den meisten Vermietungs- und Verkaufsgesprächen“, so Schunker. Hier hakte LEADERSNET im Rahmen der Pressekonferenz nach und wollte wissen, welche Energieformen (Fernwärme, Erdwärme, Wärmepumpen, PV, etc.) aktuell am stärksten nachgefragt sind und welche bei Käufer:innen gar nicht gehen. Schunker dazu: "Gas war sehr präsent im letzten Jahr. Hier ging es vor allem um die Versorgungssicherheit, weshalb sich diese Energieform als eine Art rotes Tuch erwiesen hat. Alles andere wird eigentlich für gut befunden. Aktuell ist das Interesse an Energiequellen wie Betonkernaktivierungen oder Luftwärmepumpen am besten in Kombination mit Photovoltaik am größten."
Büro: Flächenproduktion sinkt deutlich
Der Büromarkt in Wien ist seit drei Jahren von der Zurückhaltung der Entwickler geprägt. Das Jahr 2022 war mit einer Flächenproduktion von 126.000 m² ein Ausreißer nach oben, dem 2023 bereits wieder ein drastischer Rückgang auf nur 42.500 Quadratmeter folgt. Die Neuflächenproduktion von 2023 beschränkt sich im Wesentlichen auf das Neubauprojekt Vio Plaza (22.600 Quadratmeter) in Meidling und das hochwertige Refurbishment Urban Garden im myhive am Wienerberg (ca. 15.000 Quadratmeter).
Die Vermietungsleistung fiel 2022 erfreulicherweise durchaus positiv aus: Mit einer Vermietungsleistung von rund 190.000 Quadratmetern wurde der Wert des letzten Jahres trotz des herausfordernden wirtschaftlichen Umfelds sogar leicht übertroffen. "Die zu Jahresbeginn 2022 positive Stimmung nach weitgehender Überwindung der Covid-Krise wurde durch den Ausbruch des Ukraine-Kriegs wieder deutlich getrübt. Insgesamt können wir jedoch auf einen sehr zufriedenstellenden Marktverlauf mit erfreulichem Flächenumsatz zurückblicken. Auch das Mietpreisniveau zeigt sich zu Jahresende leicht steigend und die Leerstandsrate wies einen weiteren Rückgang auf nur mehr 4,0 Prozent auf“, erklärt Bürospezialist Stefan Wernhart, Geschäftsführer der EHL Gewerbeimmobilien. "Das ist jedenfalls eine sehr solide Basis für die weitere Entwicklung am Wiener Büromarkt."
Der bisherige Mietermarkt weise wegen eines Nachfrageüberhangs in sehr guten Lagen eine Tendenz hin zum Vermietermarkt auf. Bei den Mieten sei ein leicht steigender Trend zu verzeichnen, der unter anderem dem hohen Qualitätsbewusstsein der flächensuchenden Unternehmen geschuldet sei. Besonders stark ist das Interesse an den drei aktuellen Topstandorten Innenstadt/Umgebung, Hauptbahnhof und dem Areal rund um den Praterstern. "In den Vermietungszahlen schlägt sich das nur bedingt nieder, weil das Flächenangebot in diesen Lagen momentan stark ausgedünnt ist", so Wernhart.
Einzelhandelsimmobilien: Fokus auf Nahversorgung und Bestlagen
Der Markt für Einzelhandelsflächen wurde 2022 laut EHL stark durch die veränderte Ausgangslage im Handel geprägt. Der vor allem für innerstädtische Lagen wichtigen Rückkehr des Tourismus als positive Entwicklung hätten mit dem rasanten Anstieg der Inflation und dem damit verbundenen Kaufkraftverlust sowie Lieferkettenproblemen weitaus bedeutendere negative Entwicklungen gegenübergestanden. Dementsprechend habe sich der Markt schwierig gestaltet und wichtige Kennzahlen, wie Leerstandsraten oder Miethöhen, entwickelten sich im Durchschnitt tendenziell negativ.
Doch trotz der herausfordernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sei der Einzelhandelsmarkt insgesamt intakt und stabil. Die Leerstandsraten blieben in zukunftsfähigen Lagen im moderaten Bereich, auch die Mietausfälle durch Insolvenzen erreichten kein besorgniserregendes Ausmaß. Gleichzeitig gäbe es weiterhin expansive und sehr erfolgreiche Marktsegmente. "Am besten schnitten ein wenig überraschend Luxus und Diskont ab", so Alexandra Bauer, EHL Gewebeimmobilien. "Im Luxussegment nutzen starke Anbieter:innen jede Gelegenheit, sich freiwerdende Flächen in Bestlagen zu sichern. Der Diskontbereich profitiert hingegen vom stark gestiegenen Preisbewusstsein der Konsumenten und benötigt zusätzliche Flächen in Lagen mit guter Nahversorgungsfunktionalität und hoher Bevölkerungszahl im Einzugsgebiet."
Das Thema des Jahres 2023 werden aber zweifellos Nachhaltigkeitsfragen sein, so die Expertin. Die Energiepreise zwingen zu konsequenter Umsetzung von Sparmaßnahmen und es werden auch teilweise sehr beachtliche Reduktionen des Energieverbrauchs erzielt.
Weitere Erkenntnisse
LEADERSNET.tv fragte nach der Jahrespressekonferenz bei Stefan Wernhart, Alexandra Bauer, Karina Schunker, Franz Pöltl und Michael Ehlmaier nach und brachte noch weitere interessante Details zur Situation am Immobilienmarkt ans Licht. Unter anderem erklärt der CEO weshalb das Inflationsthema quasi ein nagelneues ist und welche Auswirkungen es genau hat.
www.ehl.at
Kommentar schreiben