Alexander Rauscher ist Unternehmer, Start-up-Coach und Automobil- & Mobilitätsexperte mit mehr als 20 Jahren Erfahrung. Er leitet Beratungsprojekte bei Klient:innen in den Sektoren Automotive, Energy & Environment und Public & Infrastructure. Er vertritt die These, dass die digitale Transformation im Unternehmen nur mit dem richtigen Mindset gelingt, welches das Management vorleben muss.
LEADERSNET: Ob Konzern, Mittelständler:innen oder Startup, wer im digitalen Zeitalter überleben will, kommt an der digitalen Transformation nicht vorbei. Damit sind nicht nur Unternehmensprozesse gemeint, auch die Unternehmenskultur muss transformiert werden. Wie wird eine Unternehmenskultur digital?
Rauscher: Das Führungsteam, oder wenn ich es auf accilium ummünzte, die Co-Founder müssen ein Mindset, eine Haltung haben, um ein digitales Unternehmen aufzubauen. Wir sprechen bei uns von einer Digital Native Company, weil alle Prozesse von Haus aus digitalisiert sind. CEOs und das Führungsteam müssen diese Digitalisierung leben und nicht nur davon reden. Die Vermittlung von einer nötigen Veränderung klappt bestimmt nicht, wenn ein cloudbasiertes Arbeiten forciert wird und gleichzeitig der CEO die E-Mails auf Papier liest. Viele kommen noch aus einer Zeit, in der anders gearbeitet wurde, eine digitale Unternehmenstransformation ist deswegen auch mit viel Aufwand und Stress verbunden. Wir alle müssen das neue Arbeiten lernen und dazu brauchen wir ein Vorbild, das die Transformation lebt.
LEADERSNET: Wie geht accilium als Managementberatung mit CEOs um, die E-Mails auf Papier lesen und trotzdem gerne eine digitale Transformation hätten?
Rauscher: Ein CEO muss wissen, dass er:sie ein digitales Vorbild für die eigene Organisation sein muss, um im Unternehmen etwas in Gang zu setzen. Die Geschäftsführer:innen sollen aber auch authentisch genug sein und einen Schritt nach dem anderen gehen. Zwar steht die Topmanagementkraft ganz vorne, aber jede:r im Unternehmen muss seine:ihre eigenen Schritte gehen. Die Grundbotschaft ist also, dass die komplette Umstellung nicht von heute auf morgen passiert, sondern Schritt für Schritt.
LEADERSNET: Ihr entwickelt also eine Roadmap für den CEO, wo er/sie sich "Step by Step" das alles erarbeiten kann, um sich selber nicht zu überfordern?
Rauscher: Genau. Die Unternehmensberater:innen haben lange Zeit an den Strategien und Projektplänen gearbeitet, jetzt geht es in die Realisierung. Veränderungen können aber nur in Schritten passieren, weil immer Menschen dahinterstehen, die diese Schritte dann auch gehen müssen. Sie dürfen aber dabei nicht überfordert werden, denn dann machen sie die Veränderungen nicht mit. Dementsprechend muss mit der gesamten Belegschaft das Konzept ausgearbeitet und dann immer wieder bearbeitet werden. Die Akzeptanz, dass sich Arbeitsprozesse aufgrund neuer Technologien ändern, ist der erste Schritt in die richtige Richtung.
LEADERSNET: Wie wichtig sind in dem Zusammenhang innovative Arbeitsmodelle und was bedeutet eigentlich Arbeitsplatz 4.0?
Rauscher: Vieles was sich heute in den Unternehmen verändert, ist von Technologien getrieben oder basiert auf technologischen Veränderungen. Diese ermöglichen es uns dementsprechend anders zu arbeiten. Als Beispiel ist hier Corona zu nennen, mit der Pandemie hat sich unsere Arbeitswelt schlagartig gewandelt. Wir bei accilium waren schon davor gut vernetzt und haben Office 365, Teams oder Zoom über unsere Standorte und Offices hinweg verwendet. Wir haben die technologischen Möglichkeiten also etwas früher als viele andere genutzt und uns überlegt, wie wir effektiver zusammenarbeiten können.
Neben der technologischen Seite gibt es aber auch eine mentale. Führungskräfte müssen lernen ihren Mitarbeiter:innen zu vertrauen. Die Frage, wie sehr vertraue ich durch diese Flexibilisierung meinen Kolleg:innen, ist omnipräsent. Spätestens wenn man sich selbst im Homeoffice befindet stellt man fest, dass Arbeitsleistung erbracht wird und dann ist es egal, ob zwischendurch die Waschmaschine befüllt wird. Diese Haltung kommt aber mit der Zeit und entsteht nicht über Nacht.
LEADERSNET: Einerseits ist das Vertrauen also sehr wichtig und andererseits kann durch den Technologie-Fortschritt leicht festgestellt werden, wie und wie viel die Mitarbeiter:innen im Homeoffice arbeiten. Warum glauben Führungskräfte dennoch, dass ihre Mitarbeiter:innen nichts tun, obwohl sie es leicht nachvollziehen könnten und vieles an eine Deadline gekoppelt ist?
Rauscher: Wenn ich eine Deadline habe, muss ich ein gewisses Arbeitspensum, ein Arbeitspaket leisten. Das ergebnisorientierte Arbeiten steht also im Vordergrund.
Auch wenn es die Technologie ermöglichen würde, ist es nicht sehr wertschöpfend nachzuvollziehen, was die Mitarbeiter:innen den ganzen Tag machen. Ich würde das Vertrauen immer in den Vordergrund stellen. Gerade wenn ich in einem Großunternehmen arbeite, könnte ich mich auch den ganzen Tag im Büro verstecken. Es geht vielmehr darum ein Team aufzubauen, das selbstständig den Arbeitstag gestaltet. Der CEO muss aber auch dementsprechend wissen, wem er:sie es zutrauen kann, selbstständig von zu Hause zu arbeiten und wer geführt werden muss.
LEADERSNET: Wir haben viel über Veränderung und Dinge gesprochen, die sich auch in den letzten drei Jahren verändert haben. Ist das ebenfalls ein Teil des Change-Management-Prozesses, der als Schlagwort in diversen Branchen genannt wird?
Rauscher: Das Thema Change-Management hat deutlich an Bewusstsein gewonnen. Führungskräfte haben erkannt, dass eine Veränderung in Unternehmen, bei Arbeitsprozessen und neue technologische Tools immer aktiv begleitet und offen und transparent kommuniziert werden sollten. Mit Kommunikation werden Ängste und ein möglicher Widerstand der Mitarbeiter:innen von vornherein bekämpft und ausgeschlossen.
Neben der Klarstellung welchen Nutzen das Unternehmen und jede einzelne Person vom Wandel hat, heißt Change-Management auch seine Mitarbeiter:innen richtig "zu schulen und zu trainieren", um ihnen den Veränderungsprozess zu erleichtern.
LEADERSNET: Wie sollen Unternehmen auf den immer stärker werdenden Konkurrenzkampf um die besten Talente reagieren? Was für Angebote werden entstehen?
Rauscher: Es gibt Unternehmen, die im Moment kopflos überreagieren und alles versprechen, nur um an die richtigen Talente zu kommen. Das wird ihnen früher oder später auf die Füße fallen, vor allem wenn sie Zusagen machen, die dann aus dem einen oder anderen Grund nicht erfüllt werden können. In Zukunft werden die Unternehmen und Betriebe gewinnen, die ein eigenes Modell entsprechend ihrer Unternehmenskultur schaffen und die eigenen Vorzüge, Qualitäten und Stärken herausstreichen.
Es gibt kein pauschales Modell wie man den "War for talents" gewinnt. Eines ist jedoch klar: Junge Talente fühlen sich von Unternehmen angezogen, die einen menschlichen Umgang miteinander pflegen, flache Hierarchien haben und viel miteinander kommunizieren. Führungskräfte sollten dementsprechend die Barrieren und Hierarchien, die uns die Gesellschaft vorgegeben hat, brechen und auf die jungen Menschen und Talente offen zugehen.
www.accilium.com
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