Der Gläubigerschutzverband Creditreform hat die endgültigen Zahlen bei den Firmeninsolvenzen für das erste Halbjahr 2022 in Österreich analysiert.
Firmeninsolvenzen steigen so stark wie nie zuvor
Die Firmeninsolvenzen sind so stark wie nie zuvor um 121 Prozent auf 2.429 Verfahren angestiegen und erreichen annähernd das Vorkrisen-Niveau des Jahres 2019. Die Zahl der eröffneten Verfahren ist dabei um fast 100 Prozent auf 1.428 gestiegen. Die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen haben sich gar um 164 Prozent auf 1.001 erhöht. Diese Entwicklung sollte alle Gläubiger auf den Plan rufen, da in diesen Fällen nicht einmal ein Kostenvorschuss von 4.000 Euro für die Eröffnung eines Verfahrens geleistet werden kann und es somit zu einem Totalausfall für die Gläubiger kommt, heißt es in einer Aussendung von Creditreform.
Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des bevorrechteten Gläubigerschutzverbandes, sieht zwei Gründe für die Insolvenzwelle: "Einerseits sind die staatlichen Hilfen ausgelaufen und öffentliche Gläubiger (Finanz, GKK) stellen vermehrt Insolvenzanträge, andererseits sind die heimischen Unternehmen nach den Lockdowns von diversen Krisen gleichzeitig betroffen, die auf die Konjunktur drücken. Steigende Preise bei Materialien und Vorprodukten bei gleichzeitiger Unmöglichkeit die Preise eins-zu-eins an den Kunden weiterzugeben sowie steigende Löhne (infolge des Arbeitskräftemangels) führen zu sinkenden oder gar negativen Margen und bedeuten bei steigenden Zinsen dann das endgültige Aus für viele Firmen."
Die große Mehrheit der Insolvenzen habe Klein- und Kleinstunternehmen betroffen. Die Insolvenzpassiva belaufen sich auf rund 600 Millionen Euro. 7.000 Arbeitsplätze und über 17.300 Gläubiger waren betroffen.
Ausblick 2022: Insolvenzen erreichen Vor-Pandemie-Niveau
"Zurzeit stürzen zahlreiche Krisen zeitgleich auf die heimischen Unternehmen herein: Ukraine-Krieg, Preissteigerungen, Lieferkettenprobleme, steigende Zinsen, Arbeitskräftemangel u.v.m. Dadurch steigt die Verunsicherung und drückt auf die Konjunkturlage. Viele Klein- und Mittelunternehmen, die durch die Pandemie getragen wurden, haben nun keine Luft mehr und müssen aufgeben", erklärt Gerhard Weinhofer die aktuelle Situation.
Das Ende der Fahnenstange sei aber seiner Meinung nach noch nicht erreicht, da sich die "Corona-Blase" nur langsam auflöst. Wie Creditreform in seiner zuletzt veröffentlichten Studie mit Walter Schwaiger, TU Wien aufzeigte, sind zumindest 5.700 Unternehmen ausfallgefährdet. Das entspricht in etwa der Anzahl an "verhinderten" Insolvenzen während der beiden letzten Pandemiejahre 2020 und 2021. Dazu können die noch nicht vorhersehbaren Auswirkungen eines Gaslieferstopps und anderer Folgen des Ukraine-Kriegs kommen. Die im Juli von der EZB eingeleitete Zinswende wird zudem zu vermehrten Problemen bei der Kreditaufnahme und Refinanzierung führen. Bleibt nunmehr abzuwarten, wie die Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst verlaufen und ob Österreich in den Strudel der Stagflation (steigende Preise bei mäßiger Konjunktur) gerät. Eine Situation, die unseren wirtschaftspolitischen Erfahrungsschatz in Europa vor neue Herausforderungen stellen wird.
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