"Der Scooter stoppt, sobald man auf einen Gehweg fährt"

Laurenz Vavrovsky, General Manager Österreich bei Superpedestrian, im Interview über die 125 Millionen US-Dollar schwere Finanzierungsrunde, die E-Scooter-Problematik in Wien, Expansionspläne von "Link" und wie ein neues System die Mikromobilität revolutionieren soll.

Superpedestrian hat kürzlich die bisher größte Finanzierungsrunde mit 125 Millionen US-Dollar an Fremd- und Eigenkapital abgeschlossen. Hierzulande ist der Anbieter von Leih-E-Scootern der Marke Link mit 1.500 Stück in Wien vertreten. LEADERSNET hat Laurenz Vavrovsky, General Manager Österreich bei Superpedestrian, zum Gespräch getroffen.

LEADERSNET: Superpedestrian konnte die bisher größte Finanzierungsrunde abschließen. 125 Millionen US-Dollar konnten eingesammelt werden. Woher stammen die Investorengelder und wofür sollen sie eingesetzt werden?

Vavrovsky: Wir freuen uns sehr, unsere bisher größte Finanzierungsrunde abgeschlossen zu haben. Noch mehr freut uns jedoch das Format unserer Investoren. Mittlerweile stehen große Marken hinter uns, dazu gehören der Sony Innovation Fund von IGV, Jefferies, Antara Capital und FM Capital. Sie schließen sich unseren bestehenden Aktionären an, zu denen Citi, über den Citi Impact Fund, Spark Capital und General Catalyst gehören.
 
LEADERSNET:  Wie wollen Sie die  Sicherheitsprobleme im Bereich der Mikromobilität lösen? Was ist unter "Pedestrian Defense" zu verstehen?

Vavrovsky: Wir wollen diese lösen, indem wir die möglichst intelligentesten und sichersten Mikro-Elektrofahrzeuge und Sharing-Systeme produzieren. Für uns war wichtig, wie Fahrer davon abgehalten werden können, Fußwege zu befahren. Hier wurden in der Vergangenheit bereits Lösungen vorgeschlagen, jedoch war keine davon in der Lage, das Fahren auf dem Gehweg zuverlässig zu erkennen und in Echtzeit einzugreifen, um den Roller zu stoppen. Mit Pedestrian Defense können wir nun eine Vielzahl von potenziell gefährlichen Fahrverhaltensweisen erkennen und diese stoppen.
 
 LEADERSNET: Kann "Pedestrian Defense" direkt in das Fahrverhalten eingreifen, oder wie soll man sich die Wirkungsweise vorstellen?

Vavrovsky: Ja genau, es erkennt das Fahrverhalten und reagiert dementsprechend. Die Art des Eingreifens wird vorher mit den einzelnen Städtepartnern besprochen. Zum Beispiel soll der Roller in manchen Städten anhalten, sobald er auf einen Gehweg fährt. In anderen Städten soll stattdessen auf Schrittgeschwindigkeit verlangsamt werden, beispielsweise auf 6 km / h. Hierbei arbeiten wir eng mit unseren lokalen Partnern zusammen, um für jeden Standort die passende Lösung zu finden.
 
LEADERSNET: Es bremst und stoppt also Scooter-Fahrer am Gehsteig?

Vavrovsky: Ja, das ist eine der Hauptfunktionen von Pedestrian Defense.
 
LEADERSNET: Wann und wo wird das Sicherheitssystem ausgerollt?

Vavrovsky: Wir verfolgen eine sehr genaue, wissenschaftliche Methodik, wenn es um die Entwicklung neuer Technologien geht. Die Ergebnisse unserer Tests sind bisher sehr zufriedenstellend und wir streben einen baldigen Launch von Pedestrian Defense in 2022 an. Wien ist für uns ein äußerst relevanter Markt und wird weltweit eine der ersten Städte sein, in der Pedestrian Defense ausgerollt wird.
 
LEADERSNET: Wie ist die Lage in Österreich? Wie steht es um die rechtlichen Rahmenbedingungen?

Vavrovsky: Derzeit werden E-Scooter in Österreich in derselben Kategorie wie Fahrräder klassifiziert und müssen sich daher an die gleichen Richtlinien halten. Dies bedeutet beispielsweise, dass E-Scooter, wie Fahrräder, nicht auf dem Gehweg fahren dürfen und die Fahrradspur verwenden müssen. E-Scooter-Fahrer müssen sich an alle Regeln der StVO halten, Fehlverhalten wird daher auch entsprechend geahndet.

LEADERSNET: Sicherheit im Stadtverkehr ist heiß diskutiert. Was macht Ihr System sicherer als bisher bekannte Systeme? Sind auch weitere "Tools" in Planung?

Vavrovsky: Wir haben herausgefunden, dass E-Scooter-Fahrer, die Gehwege befahren, oftmals Angst vor Kraftfahrzeugen in ihrer unmittelbaren Nähe haben. So gesehen ist das Fahren auf dem Gehweg für jene Menschen sozusagen eine Art “Überlebensstrategie”. Eine besondere Eigenschaft von Pedestrian Defense ist, den Städtepartnern wichtige Erkenntnisse auf der Grundlage gesammelter, anonymisierter Daten liefern zu können. Das System ist zum Beispiel in der Lage, genau zu bestimmen, in welchen Situationen, also wann und wo, der Gehweg befahren wird. Mit diesem Wissen können Städte untersuchen, wo beispielsweise mehr geschützte Radwege benötigt werden, um E-Scooter Fahrern zu helfen, sich sicherer zu fühlen, damit die Gehwege künftig nicht mehr befahren werden.
 
LEADERSNET: Seit wann sind die Link E-Scooter in Österreich eigentlich präsent?

Vavrovsky:  Superpedestrian ist im Mai 2021 in Wien gestartet. Die Stadt war unsere 30. weltweit. Heute betreiben wir sichere Shared-Mobility-Programme in fast 60 Städten in 10 Ländern.
 
LEADERSNET: Herumliegende und achtlos abgestellte E-Scooter prägen das Wiener Stadtbild. Was hebt Sie von der Konkurrenz ab?

Vavrovsky: Unser Ansatz unterscheidet sich recht stark von dem unserer Mitbewerber. Unsere Techniker nehmen alle paar Tage jeden Roller in unserem Lager in Augenschein. Deshalb sammeln wir täglich einen Teil unseres Fuhrparks ein und bringen ihn ins Lager zurück. Das hilft uns dabei, die Roller jeden Tag aufs Neue ordentlich zu positionieren. Da wir unsere eigenen E-Scooter produzieren, liegt uns jedes einzelne Fahrzeug am Herzen. Wir wollen vermeiden, dass sie gestohlen oder gefährdend falsch geparkt und aufgrund dessen womöglich von der Polizei beschlagnahmt werden. Also ergreifen wir besondere Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Roller korrekt geparkt sind und reagieren auch sofort auf Berichte über falsch abgestellte Fahrzeuge. In einigen unserer Partnerstädte haben wir große Straßen-Sicherheitsteams von Vollzeit-Parkwächtern und Parkstationen, um die Fahrer dabei zu unterstützen, die Scooter richtig zu parken. So würden wir in Wien auch gerne vorgehen. Damit dies wirtschaftlich nachhaltig ist, müsste es uns jedoch ermöglicht werden, unsere Flotte zu vergrößern und es müsste die Anzahl der Betreiber in Wien reduziert werden.
 
LEADERSNET: Wie groß ist die Flotte derzeit? Wie groß will man werden?

Vavrovsky: Wir haben derzeit 1.500 E-Scooter in Wien, dieses Limit wird von der Stadt Wien vorgegeben. Wir würden den Wienerinnen und Wienern gerne mehr E-Scooter zur Verfügung stellen, sollten sich die Vorschriften ändern.
 
LEADERSNET: Setzen Sie dabei mehr auf Einheimische oder richtet sich das Angebot vorwiegend an Touristen?

Vavrovsky: Unsere Scooter sollen für alle da sein. Sowohl Einheimische als auch Touristen schätzen die Langstreckenbatterie, den robusten Bau und die reibungslose Fahrweise unseres Rollers. Er eignet sich bestens für alle Arten von Kurztrips durch die Stadt, sei es zum Pendeln oder für Freizeitfahrten.
 
LEADERSNET:  Stehen weitere Markteintritte auf der Agenda? Ab wie vielen Einwohnern ist es ein gewinnbringendes Geschäft?

Vavrovsky: Superpedestrian wächst weiter. Wir wollen dazu beitragen, Menschen und Orte besser miteinander zu verbinden und das auch dort, wo es für andere Mitbewerber möglicherweise weniger lohnenswert scheint.

LEADERSNET: Ist Mikromobilität weiterhin einer der größten Trends? Worum geht es dabei eigentlich?

Vavrovsky: Mikromobilität kann bei der bei der CO2-Reduzierung im Verkehrssektor helfen. Wir müssen den Klimawandel bekämpfen, Staus reduzieren und die Luftverschmutzung verringern. Shared-Mobility kann, wenn man es richtig anstellt, in all diesen Bereichen unterstützen. In Wien wurden bisher zirka 1,5 Millionen Kilometer Fahrten mit dem Link E-Scooter absolviert. Basierend auf dem, was unsere Befragungen zum Nutzerverhalten unserer Kunden ergeben, entspricht dies in etwa 250.000 Kilometer kurzer Autofahrten. Mikromobilität hilft uns bereits auf dem Weg zu einer saubereren Welt. Dank Innovationen wie Pedestrian Defense sind wir auch auf dem Weg zu einem sichereren öffentlichen Raum. (jw)

www.superpedestrian.com

www.link.city

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