Mit Wellen der Öffnungen und Schließungen sowie dem Aufkommen neuer Virusvarianten war 2021 erneut ein Krisenjahr für die Luftfahrt. Auch die Austrian Airlines (AUA) verbuchten deshalb im Vorjahr einen hohen Verlust. Doch für den Sommer 2022 rechnet die Fluglinie mit Rekordbuchungen (LEADERSNET berichtete).
Im Interview mit LEADERSNET spricht AUA-CCO Michael Trestl über Themen wie die Entwicklung der Buchungslage, Maßnahmen zur Effizienzsteigerung, das Reiseverhalten nach Corona sowie den Standort Wien. Vorab nimmt Trestl noch zum Krieg in der Ukraine Stellung: "Als österreichische Heimatairline ist es auch in schwierigen Zeiten unsere Mission, Menschen und Volkswirtschaften zu verbinden. Umso betroffener macht uns die Situation in der Ukraine, die viel Leid und eine große Ungewissheit für die Weltbevölkerung mit sich bringt."
LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Trestl, die Austrian Airlines zählt zu jenen Unternehmen, die von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen wurden und nach wie vor betroffen sind. Wie gut ist die Fluglinie aus Ihrer Sicht bisher durch die Krise gekommen?
Trestl: Von Anfang an war die Coronakrise für die Luftfahrtindustrie ein Wechselbad der Gefühle. Jede Welle, jede Virusvariante brachte wieder einen Einbruch, aber auch die Hoffnung, danach gehe es wieder aufwärts. Als vergleichsweise kleine Airline, hat es Austrian Airlines die ganze Krise hindurch sehr gut verstanden, den Betrieb flexibel auf die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen. Unsere Mitarbeiter:innen haben dabei Erstaunliches geleistet und das obwohl das gesamte Unternehmen nach wie vor in Kurzarbeit ist.
LEADERSNET: Die Fluglinie hat auch einen staatlich garantierten Bankenkredit in Höhe von 300 Millionen Euro erhalten. Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis dieser vollständig zurückbezahlt werden kann?
Trestl: Die Rückzahlung hat bereits im vergangenen Jahr begonnen. 2021 haben wir die ersten 60 Millionen Euro, also ein Fünftel des Betrages, rückgezahlt. Vollständig rückzahlen werden wir den Kredit bis 2026. Der Kredit war und ist für unseren Fortbestand unerlässlich. Gleichzeitig sind wir uns aber unserer Verantwortung gegenüber Österreich bewusst und werden diesen Kredit daher so rasch wie möglich rückzahlen.
LEADERSNET: Wie viele Beschäftigte sind bei den Austrian Airlines noch in Kurzarbeit?
Trestl: Aktuell sind noch alle unsere Mitarbeiter:innen in Kurzarbeit.
LEADERSNET: Zuletzt zeichnete sich bezüglich der Pandemie eine leichte Entspannung ab. Ziehen die Ticketverkäufe aktuell spürbar an?
Trestl: Ja! Wir erleben derzeit wahre Buchungsrekorde, die Menschen wollen spürbar raus und Neues entdecken. Die Ankündigungen von Lockerungen in Österreich und ganz Europa waren ein Turboboost für unsere Buchungen.
LEADERSNET: Welche Destinationen stehen bei den Privatreisen besonders hoch im Kurs?
Trestl: Wir sehen, dass derzeit Städtereisen übers Wochenende wieder an Beliebtheit gewinnen. Paris, Hamburg, Berlin sind derzeit etwa äußerst nachgefragt. Für die Osterferien sind unsere Warmwasserziele, Mauritius, Cancún oder die Malediven, sowie auch Sonnenziele auf der Kurzstrecke wie z.B. Mallorca, Sizilien oder Zypern die Top-Destinationen. Und es wird auch schon wieder langfristig gebucht: im Sommer zieht es unsere Fluggäste neben Mittelmeerdestinationen, wie die Balearen oder die griechischen Inseln, auch über den Atlantik, nach New York oder Los Angeles.
LEADERSNET: Aktuell sind Tickets im Durchschnitt teurer als noch vor zwei, drei Jahren. Ist das eine nachhaltige Entwicklung, oder wird es in absehbarer Zeit wieder Kampfpreise geben?
Trestl: Die Preisentwicklung bei Flugreisen ist sehr volatil und vor allem unterschiedlich auf Lang- und Kurzstrecke, das war schon immer so. Da viele Fluglinien aber noch nicht auf ihrem Vorkrisen-Angebot zurück sind, die Nachfrage aber zunehmend wächst, kann es natürlich sein, dass die Kunden, vor allem bei kurzfristigen Buchungen aktuell etwas mehr bezahlen. Wir bieten ein sehr attraktives Flugprogramm, authentisch österreichische Qualität und wettbewerbsfähige Preise, werden uns jedoch dem Dumping-Preiskampf mancher Wettbewerber nicht anschließen. Tickets zu verkaufen die billiger sind als ein Kebab kann nicht zu einem sozial, ökologisch und ökologisch verantwortungsvollen Handeln gehören.
LEADERSNET: Hat sich das Reiseverhalten ihrer Kund:innen aufgrund der Corona-Krise grundsätzlich verändert?
Trestl: Was wir seit Beginn der Corona-Krise beobachten ist, dass sehr kurzfristig gebucht wird und generell mehr Wert auf Flexibilität gelegt wird. Als Airline versuchen wir, diesen Trends auch gerecht zu werden und unterschiedliche Tarifmodelle zu bieten.
LEADERSNET: Wie sieht es bei Firmenkund:innen aus? Glauben Sie, dass hier das Vorkrisen-Niveau jemals wieder erreicht wird, oder werden viele Betriebe auch künftig stärker auf ortsunabhängige Online-Meetings setzen?
Trestl: Die Pandemie hat gezeigt, dass sicher Vieles digital funktioniert, aber nicht alles. Der persönliche Kontakt zwischen Menschen wird auch zukünftig eine wichtige Rolle im Geschäftsleben spielen, wenn auch wahrscheinlich nicht auf dem hohen Niveau von vor der Krise. Auch wenn der Geschäftsverkehr, vor allem Richtung Asien, noch nicht den selben Aufschwung erfährt wie der touristische Verkehr derzeit, so denken wir doch, dass viele Unternehmen zunehmend dahin zurückkehren, den Geschäftspartner:innen wieder gegenüber stehen zu wollen. Zudem bieten wir auch Unternehmen an, mit uns CO2-neutral zu fliegen – denn viele Unternehmen überlegen auch aus Klimagründen heute zweimal, bevor sie einen Flug buchen.
LEADERSNET: Die Luftfahrtbranche steht auch aus umweltpolitischen Gründen in der Kritik. Was machen die Austrian Airlines, um künftig sauberer bzw. "grüner" zu fliegen?
Trestl: Nicht künftig, wir handeln bereits heute! Schon dieses Jahr tanken wir 1.500 Tonnen nachhaltigen Flugkraftstoff (SAF) am Flughafen Wien in einer wegweisenden Partnerschaft mit der OMV. Wir tun dies auf freiwilliger Basis und aufgrund unserer Verantwortung gegenüber der Umwelt. Auch wenn 1.500 Tonnen nur ein kleiner erster Schritt ist, so ist es doch ein Wichtiger. Und immerhin wird dadurch CO2 im Ausmaß von 333 Flügen von Wien nach London eingespart. Ein weiterer Hebel ist neues, effizienteres Fluggerät. Ab August diesen Jahres tauschen wir daher vier ältere Flugzeuge gegen vier neue Airbusmodelle des Typs A320neos, die jeweils bis zu 3.700 Tonnen CO2 jährlich weniger emittieren.
LEADERSNET: Mit welchem Treibstoff bzw. welcher Energiequelle werden große Passagierflugzeuge nach der Kerosin-Ära angetrieben werden?
Trestl: Die einzig derzeit realistische Alternative sind nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF) die aus Biomasse oder erneuerbarer Energie (Grünstrom, Sonnenenergie) gewonnen werden. Der große Vorteil dieser sogenannten SAFs ist, dass sie zum herkömmlichen Kerosin beigemischt und bestehende Infrastrukturen genutzt werden können. Der große Nachteil: noch gibt es SAFs nur in sehr begrenzten Mengen und zu einem Vielfachen des Kerosinpreises. Deshalb bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung aller Unternehmen in der Wertschöpfungskette der Luftfahrt sowie auch der Politik, um optimale Rahmenbedingungen zur Skalierbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit von SAF zu schaffen.
LEADERSNET: Der Flughafen Wien-Schwechat und die Austrian Airlines sind eng miteinander verbunden. Der Mutterkonzern Lufthansa hat auch eine Standort-Garantie abgegeben. Wie viele Maschinen sind hier aktuell fix stationiert und sollen es künftig mehr oder weniger werden?
Trestl: Unsere Flotte besteht derzeit aus 61 Flugzeugen, die wir zum Sommerflugplan auch alle wieder aus Wien operieren werden. Wir wollen auch weiterhin den Flughafen Wien als unseren Hub stärken und unsere Drehkreuzfunktion als Netzwerkairline fokussieren. Unser derzeitiger Flottenmix bestehend aus vier Typen und bietet uns dabei gute Bedingungen um Österreich bestmöglich mit Europa und der Welt zu verbinden. Perspektivisch und sofern wirtschaftlich tragfähig wollen wir in Zukunft natürlich wieder wachsen
LEADERSNET: Wie sind Sie mit der Arbeit der Regierung bezüglich der Luftfahrtbranche zufrieden?
Trestl: Als österreichische Heimatairline ist für uns der permanente Austausch mit den Behörden wie auch der Bundesregierung essentiell. Wir arbeiten hier auf allen Ebenen und sehr konstruktiv zusammen. Auch über die ganze Coronakrise hinweg war die Zusammenarbeit, von Rückholungen bis hin zur Kurzarbeitsförderung, für beide Enden enorm wichtig. Wir müssen als gesamte Gesellschaft anerkennen, dass die Luftfahrt ein integrierter Bestandteil einer erfolgreichen volkswirtschaftlichen Entwicklung ist. Nur mit umfassender internationaler Anbindung können wir den Wirtschaftsstandort langfristig absichern und weiterentwickeln. Auch wenn in manchen Diskursen die Luftfahrt – zu Unrecht – als Klimasünder angeprangert wird, so verstehen wir uns als Teil der Lösung und nicht des Problems.
LEADERSNET: Wenn Sie im Sinne der Austrian Airlines einen Wunsch an die Politik äußern dürften, welcher wäre das?
Trestl: Wir wollen unsere Zukunft nachhaltig gestalten und zeitglich wieder mehr Passagiere an Bord der AUA begrüßen können. Damit uns das gelingt, brauchen wir die Unterstützung der Politik. Um die Produktion nachhaltiger Treibstoffe anzukurbeln, benötigen wir substantielle Investitionen, für die die Politik die nötigen Rahmenbedingungen schaffen muss. Darüber hinaus müssen wir in einer gesamteuropäischen Anstrengung versuchen den Luftverkehrsstandort auch in Zukunft abzusichern. Mit wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen, wie beispielsweise Teilen des EU-Klimapaketes "Fit for 55", laufen wir Gefahr als Europäer zu verlieren, lachende Dritte sitzen in der Türkei, am arabischen Golf oder in UK.
LEADERSNET: Wo sehen Sie die Austrian Airlines am Ende dieses Jahrzehnts?
Trestl: Als erfolgreicher, moderner und tief verwurzelter Bestanteil der österreichischen Wirtschaft. Bis 2030 wollen wir unsere CO2-Emissionen halbieren und natürlich ist es unser Ziel, auch weiter die rot-weiß-rote Konstante am Himmel zu bleiben und mit Premium-Service, authentischer, österreichischer Gastlichkeit, Charme und Verlässlichkeit Österreich und die Welt zu verbinden. (ts)
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