Weihnachten ist die Zeit der Dankbarkeit. Sie kann für viele Menschen aber auch anstrengend und herausfordernd sein. Toni Faber erzählt im Weihnachtsinterview vom W24-Wirtschaftstalk "Peter & Paul" wie man diese Zeit auch in einer Pandemie gebührend begeht und wieso Kardinal Schönborn Thomas Schmid gar nicht verzeihen musste.
LEADERSNET: Die Weihnachtszeit ist heuer durchaus herausfordernd. Wie sehen Sie die Situation für unsere Mitmenschen?
Faber: Das ist natürlich ein sehr großes Thema, nach dem ich da gefragt werde. Aber letzten Endes: Es ist nicht viel anders geworden. Die zentrale Frage bleibt: Wie will ich selbst behandelt werden als Mensch, neben all dem, wo ich funktionieren muss, wo ich mich an strenge Regeln zu halten habe? Und das kann der Maßstab sein, wie ich andere Menschen behandeln soll. Diese goldene Regel, wie ich selbst behandelt werden will, so soll ich auch andere Menschen behandeln. Das lässt mich auch mit all den Ängsten, mit all den schlechten Erfahrungen, mit all den enttäuschten Hoffnungen leichter leben.
LEADERSNET: Es gibt ja auch einen christlichen Zusammenhalt, wo man sich verpflichtet ein Ziel zu erreichen. So eine Pandemie könnte ja durchaus ein Anlass sein, dass wir sagen, wir tragen alle dazu etwas bei, dass es für uns gut wird. Die Frage ist immer nur: Wie begegnen wir dieser Pandemie?
Faber: Das Maß aller Dinge ist der Mensch in seiner Fülle von Sehnsüchten, Ängsten und seiner Bestimmung. Diese Pandemie erfordert ganz besonders, dass man seine persönlichen, eigenen Interessen zurücknimmt und sich fragt: Was dient dem Gemeinwohl? Wir müssen über unseren Tellerrand sehen und unsere eigene Verbohrtheit hinter uns lassen. Wir müssen aufhören, zu sagen: "Ich weiß es besser." Diese Besserwisserei, die zu so viel Unglück geführt hat, die uns dazu verleitet auf andere hinzuzeigen, auf andere hinzuhauen, mit Argumenten einzuschlagen, Sündenböcke zu suchen, bringt uns nicht wirklich weiter. Wir sollten uns eher fragen: Wo kann ich selber Brücken bauen? Das ist das tiefe Geheimnis von christlichen Weihnachten.
LEADERSNET: Wir alle haben während der Pandemie gelernt, uns virtuell zu unterhalten. Eigentlich könnte man meinen, wir sehen viel mehr Freunde als früher, aber in Wirklichkeit haben wir viel weniger. Ich bemerke schon, dass die Sehnsucht nach persönlichem Kontakt wächst. Wie erleben Sie das?
Faber: Die persönliche Begegnung kann durch nichts ersetzt werden. Wenn ich hier mit Ihnen zusammensitze, dann kann ich Ihnen in die Augen sehen. Man merkt viel besser, ob man aufmerksam oder ganz bei der Sache ist. Das ist eine ganz andere Wahrnehmung, die hier entsteht, als wie wenn man nur per SMS und Kurznachrichten kommuniziert.
LEADERSNET: Wie viel Zeit wenden Sie am Tag für virtuelle Kommunikation auf?
Faber: Ich reduziere sehr viel, weil ich mich natürlich auch unterstützen lasse. Aber meine SMS und meine WhatsApp-Nachrichten schreibe ich natürlich alle selber. Und da versuche ich kurz und prägnant bei den Sorgen der Menschen zu sein, die mich da brauchen. Dafür bin ich auch erreichbar. Da versuche ich auch immer in der Haltung der Dankbarkeit zu bleiben. Dankbarkeit dafür, dass ich Menschen helfen kann.
LEADERSNET: Ein zentraler Wert der christlichen Gemeinschaft ist, die Fähigkeit anderen Menschen zu verzeihen. Das Auftauchen von Chatnachrichten hat die Regierung in eine Krise gestürzt und letztlich zum Rücktritt von Kanzler Sebastian Kurz geführt. Kritiker der Veröffentlichung dieser Nachrichten verweisen darauf, dass hier in die Privatsphäre eingegriffen wird. Sie haben einmal gesagt, dass jeder Räume haben muss, wo er auch das sagt, was er denkt. Aber wie kann man jemandem verzeihen, der eine solche Sprache spricht?
Faber: Ich glaube, den Regierungsrücktritt muss ich nicht beurteilen. Was ich beurteilen kann, ist die christliche Haltung zu dieser Thematik. Um Verzeihung zu bitten und auch zu verzeihen, ist sehr, sehr wesentlich. Ich verrate hier kein Geheimnis, wenn ich sage, dass Thomas Schmid in seinen Nachrichten nicht nur ehrenwert über die Kirche gesprochen hat. Er hatte aber die Haltung, dass er sich beim Kardinal gemeldet und um Verzeihung gebeten hat. Der Herr Kardinal hat dann gesagt: "Ich würde dir gerne verzeihen, aber das ist gar nicht mehr nötig. Du hast schon so viel Reue auf dich geladen, wurdest in der Öffentlichkeit geschmäht, beschimpft und verurteilt. Das ist schon mehr als die Bitte um Verzeihung. Aber ich nehme gerne diese Bitte an und verzeihe dir."
Das ist eine wichtige Haltung. Bei allen Blödheiten, die wir machen, nachher dafür einzustehen und zu sagen: "Ich bitte um Verzeihung." Und es steht jedem gut an, wenn jemand um Verzeihung bittet, Verzeihung auch zu gewähren. Das ist eine ganz wichtige Haltung. Wenn wir einander nur mehr vorhalten, was der andere jeweils gemacht hat, dann ist das nicht heilsam für die Seele und heilsam für ein menschliches Zusammensein. Und wer von uns ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Das vergessen manche in den Medien und im zwischenmenschlichen Alltag sehr gerne. Man zeigt gerne mit dem Finger auf jemanden und vergisst dabei, dass gleichzeitig mindestens drei Finger auf einen selbst zeigen.
LEADERSNET: Die Kirche verwendet auch digitale Kommunikation. Gottesdienste werden heute etwa in die Wohnzimmer der Menschen übertragen. Sollte man also ein Mittelmaß an "traditioneller" und neuer Kommunikation finden?
Faber: Ich glaube, wir haben gerade in Corona-Zeiten gelernt die Livestreams von Gottesdiensten zu optimieren. Es war am Anfang natürlich hart zu lernen, einen Gottesdienst im großen Stephansdom zu dritt, nur mit den Kameras rundherum zu feiern. Wir haben uns dann einmal damit geholfen, dass wir Pappkameraden in Lebensgröße in die Kirchenbänke gestellt und die Menschen eingeladen haben, uns Bilder zu schicken. Die haben wir dann ausgeschnitten und auf die Pappkameraden geklebt. Das sind kleine Hilfen, die uns aber nicht darüber hinwegtäuschen können, dass wir nach jeder Lockdownzeit, nach jeder Einschränkung, sehnsüchtig danach lechzen, endlich wieder physisch anwesend, auch miteinander feiern zu können. Dafür wurden unsere Kirchen gebaut. Aber jetzt ist die Zeit, wo wir diese digitalen Möglichkeiten besonders gut nutzen können und sie einen ganz besonderen Wert darstellen, um Menschen trotzdem zu erreichen.
LEADERSNET: Viele Leute merken ihre Einsamkeit zu Weihnachten ganz besonders. Das wird durch die gegenwärtige Situation – etwa ein Lockdown in der Weihnachtszeit – noch einmal verstärkt. Wie kann man denn das Gefühl der Einsamkeit gut überstehen?
Faber: Ich kann, wenn ich wirklich alleine im Raum bin, einerseits die digitalen Möglichkeiten nutzen, um mich mit anderen Verbindung zu setzen. Gleichzeitig kann ich aber auch diese stille Zeit, diese Zeit der Abgeschiedenheit nutzen, die Hände in den Schoss zu legen, mein Herz zu öffnen und zu sagen: "Ich bin da." Meine Eltern haben mich zur Welt gebracht, aber dass ich so geworden bin, wie ich bin, das habe ich dem Schöpfer zu verdanken. Ich habe hoffentlich von meinem Vater und meiner Mutter die besten Gene mitbekommen, aber ich bin auch ein soziales Wesen, das die Kraft hat, allein mit meinen Gedanken und meinem Herzen für andere etwas zu machen. Nicht nur in der direkten Begegnung, nicht nur im Telefongespräch, in der Videotelefonie oder sonst was, sondern dass ich auch mit der Kraft meiner Gedanken und meines Herzens für andere etwas erbitten kann. Wir Wiener:innen sind immer wieder in Versuchung, nur zu raunzen, nur zu klagen oder zu uns zu bemitleiden. Die Gegenkraft ist die Zuversicht. Die Gegenkraft ist wirklich eine Kraft, die an das Morgen glaubt. Eine Kraft, die ich üben kann, die ich trainieren kann. Ein Sportler wird nicht gut sein, wenn er nicht regelmäßig ins Training geht. Und dieses mentale Training, das haben wir auf dem christlich-jüdischen Boden unserer Religion ganz deutlich. Das heißt auch, sich zurückziehen, Abschied zu nehmen vom Getriebe und in der Stille Kraft zu tanken. Natürlich darf man sehnsüchtig darauf warten, wieder mit anderen in Kontakt zu kommen. Aber auch diese stille Zeit kann man gut nützen. Ich nehme mir immer im Advent Zeit für ein paar Tage der Stille, um mich zu sammeln und dann wieder etwas geben zu können.
LEADERSNET: Haben Sie irgendwelche Tipps, wie man Weihnachten, auch aus Sicht der Kirche, ganz besonders genießen kann?
Faber: Der heilige Franz von Assisi hat im 13. Jahrhundert Weihnachten neu gestaltet. Er war der erste, der eine Krippe gestaltet und gezeigt hat: Schaut euch an, wie es damals war. Sie haben in der Herberge keinen Platz, das Jesuskind liegt in einer Krippe im Heu. Und wenn Gott diesen Weg gewählt hat, in diese Kleinheit herabzusteigen, nimmt er uns auch mit und führt uns heraus, aus all dem wo wir uns bedürftig und armselig fühlen. Gott hilft mir, diesen Blick ernst zu nehmen und die Kraft zu spüren, die mich da heraus herauszieht. Wer weiß schon, wie es weitergeht? Auch jetzt in dieser Pandemie. Aber behalten wir uns unser offenes Herz, um zu sagen: Es wird alles gut.
LEADERSNET: Und wie sollte man privat Weihnachten genießen?
Faber: Natürlich gehört gutes Essen dazu. Aber nicht zu viel. Man spürt dann sehr schnell, dass man unbeweglicher wird (lacht). Ich wünsche Ihnen als Wiener:innen wirklich friedliche Weihnachten. Halten Sie in Ihrem Herzen Übungsstunden in der Haltung der Zuversicht. Es wird alles gut. (ca)
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