LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Hillinger, Sie haben 1990 den Weinhandel Ihres Vaters übernommen. In Österreich gibt es rund 14.000 Weinbaubetriebe – viele im Nebenerwerb. Wie haben Sie es geschafft, Ihren Betrieb in den letzten 34 Jahren zu einem der größten privaten Weingüter des Landes zu entwickeln? Was war Ihre Vision zu Beginn, und wie hat sich diese im Laufe der Jahre entwickelt? Welche Strategien haben Sie eingesetzt, um dieses Wachstum zu erreichen?
Leo Hillinger: Mit Konsequenz, Konsequenz, Konsequenz! In den 80er Jahren wollte das Österreichische Weinmarketing dem Ruf des österreichischen Weins Aufschwung geben und vermittelte Jungwinzer:innen Stipendien für diverse Hochschulen und Praktika in ausländischen Betrieben. Auf diese Weise erhielt auch ich mein erstes Praktikum in der Pfalz in Deutschland, später in Neuseeland, Australien, Kalifornien und Südafrika. Diese Länder hatten eines gemeinsam: Sie waren Österreich in Sachen Weinbau und Weinmarketing zu dieser Zeit weit voraus und weckten meine Leidenschaft für Wein und Weinbau. Zurück in Österreich schickte ich, schwer motiviert durch die neuen Eindrücke, die ich auf meinen Reisen gewonnen hatte, meinen Vater im Jahr 1990 in Pension und übernahm den elterlichen Betrieb mit nicht mal einem Hektar Grund gemeinsam mit einem großen Schuldenberg. Zunächst führte ich den reinen Weinhandel meines Vaters fort und es war schwieriger, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt keine konkrete Vision, aber ich hatte Träume. Mein Traum war es, der beste Weinbauer auf der ganzen Welt zu werden und ich versuchte, dies Schritt für Schritt umzusetzen. Ich startete zunächst mit einer mobilen Füllanlage – mein erstes Start-up in einer Zeit, in der das Wort noch gar niemand kannte. Am Tag verkaufte ich Wein und in der Nacht füllte und etikettierte ich für andere Winzer:innen Weinflaschen. Dann hatte ich endlich Gelegenheit, meine ersten eigenen Weingärten zu kaufen, um meinen eigenen Wein zu machen. Es folgte der Bau von meinem Weingut in Jois. Der Rest ist Geschichte.
LEADERSNET: Was waren die größten Herausforderungen in den Anfangsjahren?
Hillinger: Ich hatte kein Geld und sechs Millionen Schilling Schulden. Mit weniger als Null etwas aufzubauen, war unbestritten die größte Herausforderung. Dass das alles so groß wird, damit hätte selbst ich niemals gerechnet.
LEADERSNET: Sie haben das Weingut "Leo Hillinger" stark weiterentwickelt. Welche innovativen Ideen oder Praktiken haben Sie eingeführt, um sich in der wettbewerbsintensiven Weinbranche abzuheben?
Hillinger: Für mich gab es nie halbe Sachen. Ich habe immer alles ganz oder gar nicht gemacht. Beim Weinmachen stand für mich schon immer der Qualitätsgedanke an allererster Stelle. Daran hat sich bis heute nichts geändert, denn für ein schlechtes Produkt kann man keine gute Werbung machen. Heute investiert schon fast jedes Weingut in gutes Marketing – das war in meinen Anfangszeiten noch ganz anders. Für mich jedoch war schon immer klar, dass ein gutes Produkt auch eine besondere Verpackung verdient. Deshalb war ich auch einer der ersten, die ihren Wein statt in die damals üblichen Doppler-Flaschen in teure, aber elegante Bouteillen füllten. Auch in Hinblick auf das Etikettendesign war ich schon immer sehr kreativ. Mein Etikett in der revolutionären Tropfenform wurde 1993 in New York sogar mit dem Weltmeistertitel ausgezeichnet. Auch das umgedrehte Doppel-L in unseren "HILLINGER"-Schriftzügen sorgte für Aufsehen und findet bis heute viele Nachahmer:innen. Dem absoluten Masterpiece meiner Produktpalette, dem "Icon HILL", habe ich zum Produktlaunch eine Oscar-reife Taufe in der Wiener Albertina gewidmet. Das Who's Who der österreichischen Prominenz war geladen, ebenso wie zur Eröffnung meines Weinguts. Alle sind gekommen. Da wusste ich, dass ich es geschafft hatte. Durch meine auffälligen Aktionen, mein lockeres Auftreten und meine unkonventionelle Art wurde irgendwann auch das Fernsehen auf mich aufmerksam und ich und damit auch meine Produkte wurden in der Öffentlichkeit immer bekannter.
LEADERSNET: Der neue Keller in Jois, fertiggestellt 2004, war ein Meilenstein für Ihr Weingut. Wie hat diese Investition Ihre Produktionsmethoden und die Qualität Ihrer Weine beeinflusst?
Hillinger: Im Jahr 2000 wurde die Produktionsstätte in meinem Elternhaus in Jois zu klein und es entstand die Idee einer Weinerlebniswelt mit Führungen, Verkostungen und großen Veranstaltungen, so wie ich es damals bei meinen Auslandsaufenthalten erlebt hatte. Ein Bauplatz war schnell gefunden und nur ein Jahr nach Baubeginn folgte die Fertigstellung und Eröffnung vom Weingut "Leo Hillinger" auf dem Hill 1 in Jois. Nicht nur die Optik, auch die Funktionalität und Technik waren damals revolutionär. Die Fensterkuppen auf dem Dach des Kellers sind nach Norden ausgerichtet, um direkte Sonneneinstrahlung und Wärmeentwicklung zu vermeiden. Der Keller kann sich nicht aufheizen, macht es aber trotzdem möglich, bei Tageslicht zu arbeiten. Durch die unterirdische Bauweise hat der Keller konstant 15 Grad – unabhängig von der Außentemperatur. Durch die smarte Bauweise benötigt der Keller ganzjährig keine zusätzliche Raumkühlung, nur die Weintanks selbst werden auf Temperatur gehalten. Ungewöhnlich war zur damaligen Zeit auch das Konzept, das Weingut inklusive Keller und Produktionsstätte um einen attraktiven Verkostraum, eine moderne Verkaufsfläche und eine einzigartige Eventlocation zu erweitern. Mit den Jahren wurde die In-Location auf dem Hill 1 laufend erweitert und den gewachsenen Bedürfnissen angepasst. Die Zentrierung auf dem Hill 1 ist mit dem Wirtschaften von damals, mit Produktionsstätten an vier verschiedenen Standorten schon lange nicht mehr zu vergleichen. Und obwohl sich das Grundhandwerk an sich in den letzten 100 Jahren nicht verändert hat, haben es die Techniken und die Standards sehr wohl. Und wir sind immer State-of-the-Art.
LEADERSNET: Ihre Weine werden weltweit exportiert und sind sogar auf Kreuzfahrtschiffen und bei Austrian Airlines zu finden. Wie haben Sie es geschafft, Ihre Marke so erfolgreich international zu positionieren?
Hillinger: Mit der von mir so oft zitierten Konsequenz, viel harter Arbeit und einem guten Gespür für das Produkt und das Geschäft. Natürlich auch mithilfe meiner Kontakte und dem Netzwerk, das ich über Jahrzehnte hinweg aufgebaut und gepflegt habe und nicht zuletzt mit Hilfe und Unterstützung meines grandiosen Teams, von dem jeder Einzelne tagtäglich Großartiges leistet, damit wir Produkte von so hoher Qualität herstellen können. Weinmachen ist im Hause "Leo Hillinger" Teamsport.
LEADERSNET: Sie haben in mehreren Städten Flagship-Stores und Wine Shops eröffnet. Was war die Idee hinter diesen Geschäften und wie sehen Sie die Bedeutung von Wein als Lifestyle-Produkt?
Hillinger: Wein ist ein Kunst- und Kulturgut. Wein ist meine Passion und ich bin sehr froh darüber, dass ich diese Leidenschaft mit anderen Menschen teilen und ihnen ein Stück von meinem Herzblut geben kann. Ich hatte immer den Traum, dass man die Marke "Leo Hillinger" auf der ganzen Welt kennt und auch auf der ganzen Welt diese außergewöhnlichen burgenländischen Weine kaufen kann. Das war die ursprüngliche Idee hinter den "Leo Hillinger" Wineshop & Bars. Aber Gastronomie ist schwierig, wenn man selbst nicht überall vor Ort sein kann. Daher betreiben wir die "Leo Hillinger" Wineshop und Bars mittlerweile mit langjährigen Franchisepartnern – alle außer der "Leo Hillinger" Wineshop & Bar im Fashion Outlet Parndorf, die wir selbst betreiben.
LEADERSNET: Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema in der Weinproduktion. Welche Maßnahmen setzen Sie in Ihrem Weingut um, um umweltfreundlich zu produzieren? Wie groß ist der Anteil Ihrer biologisch bewirtschafteten Flächen?
Hillinger: Seit 2010 bewirtschaften wir unsere Flächen zu 100 Prozent biologisch. Der größte Unterschied zur konventionellen Landwirtschaft ist, dass wir keine systemischen Pflanzenschutzmittel einsetzen. Die Düngung erfolgt ausschließlich über die Begrünung mit verschiedenen Klee- und Leguminosenmischungen zwischen den Stöcken bzw. über die Ausbringung von Reifekompost aus Ernterückständen wie Trestern und Stielen. Auch Herbizide sind in der biologischen Landwirtschaft strengstens verboten. Bei uns erfolgt die Unkrautregulierung der Zwischenstockbegrünung daher mechanisch mittels Hacken und Scheiben. Wir kommen außerdem völlig ohne künstliche Bewässerung in unseren Weingärten aus. Wein ist eine Tiefwurzlerpflanze, und die Reben finden selbstständig den Weg zum Grundwasser. Bei trockenen Lagen reduzieren wir den Ertrag in den ersten fünf bis sechs Jahren, damit sich die Pflanze auf ihr Wachstum konzentrieren und in späteren Jahren mit dem Trockenstress umgehen kann. Auch durch die Begrünung in jeder Reihe wird der Wasserhaushalt reguliert und der Boden mit natürlichem Stickstoff versorgt. Wir pflanzen sehr eng, um bewusst weniger Ertrag pro Stock zu erzielen, denn weniger Ertrag bedeutet eine höhere Qualität. In Österreich dürfen höchstens 10.000 kg pro Hektar geerntet werden, um die Bezeichnung Qualitätswein verwenden zu dürfen. Bei unseren Weingärten liegen wir momentan bei einem durchschnittlichen Ertrag von 5.000 bis 7.000 kg pro Hektar – also weit unter dem Ertrag, den wir eigentlich erwirtschaften dürften.
LEADERSNET: Was sind Ihre Zukunftsvisionen für das Weingut Leo Hillinger und welche neuen Projekte oder Innovationen können wir in den kommenden Jahren von Ihnen erwarten?
Hillinger: Ich habe alles erreicht, was ich erreichen wollte, und noch mehr! Nun wünsche ich mir, dass meine Kinder Leo und Vivienne mein Lebenswerk weiterführen und auf das nächste Level heben, um auch die zukünftigen Generationen für unsere Produkte zu begeistern. Ich selbst möchte mich sukzessive aus der Öffentlichkeit zurückziehen, um mich wieder vermehrt den Dingen und Aufgaben zu widmen, die mir am meisten Freude bereiten und worin ich am besten bin: die Arbeiten im Keller und im Weingarten Seite an Seite mit meinem großartigen Team.
LEADERSNET: Abschließend, was motiviert und inspiriert Sie persönlich in Ihrer Arbeit als Winzer und Unternehmer? Gibt es eine spezifische Philosophie, die Ihre Entscheidungen leitet?
Hillinger: Mein Job ist für mich keine Arbeit – es ist meine Leidenschaft, meine Berufung, der ich jeden Tag folgen darf. Das Schönste daran ist, dass meine Aufgaben so vielfältig sind und ich in viele verschiedene Rollen schlüpfen kann. Ich bin nicht nur Weinbauer, Winzer und Landwirt – ich bin auch Unternehmer, Stratege, Investor und Marketingexperte. Mein Job ermöglicht es mir, das alles in einer Person zu sein. Das Schönste ist, ich bin dabei nicht alleine. Ich darf mit Menschen zusammenarbeiten, auf die ich mich verlassen kann. Und damit meine ich nicht nur mein Team, sondern auch Partner, Lieferant:innen und Kund:innen. Viele davon ticken genauso wie ich, sind offen für Neues und aus vielen langjährigen Wegbegleiter:innen sind Freunde fürs Leben geworden. Das bereichert mein Leben ungemein. Das, was ich jeden Tag tue, ist für mich mehr als Weinmachen. Es ist more than wine! Daher kommt auch unser gleichnamiger Slogan. Er steht für alles, was hinter dem Weinmachen steht, dafür, den Wein nicht nur zu trinken, sondern ihn auch zu leben, zu spüren und mit allen Sinnen zu erfahren. Das alles ist more than wine – das alles ist "Leo Hillinger".
www.leo-hillinger.com
Kommentar schreiben