Der Handelsverband hat am Freitag einen "Corona-Masterplan" präsentiert. Die Interessensvertretung setzt dabei auf drei Schwerpunkte: "Arbeitsplätze retten, Arbeitsplätze dauerhaft sichern und neue Arbeitsplätze schaffen", "Insolvenzen verhindern, Eigenkapital stärken & Investitionsanreize setzen" sowie "Digitalisierung vorantreiben und digitales Fair Play schaffen".
Dieses "AID-Modell", wie es der Handelsverband nach den Anfangsbuchstaben seiner drei Schwerpunkte nennt, soll ein "Leben und Wirtschaften mit dem Virus" ermöglichen.
Maßnahme 1: Arbeitsplätze retten, Arbeitsplätze sichern & Arbeitsplätze schaffen
Die vom Arbeitsministerium federführend veranlasste Verlängerung der Kurzarbeit um weitere drei Monate bis Ende Juni 2021 sei ein wichtiger Schritt, um akut gefährdete Arbeitsplätze zu retten, ist man beim Handelsverband überzeugt. Gleichzeitig brauche es aber auch flankierende Maßnahmen, um Arbeitsplätze langfristig abzusichern. Das gelte insbesondere für jene KMU-Betriebe, die aufgrund ihrer Größe oder anderer branchenspezifischer Faktoren nicht mehr auf das Instrument der Kurzarbeit zurückgreifen können.
Der Handelsverband empfiehlt hierfür einen COVID-Arbeitsplatzsicherungs-Bonus, der allen Unternehmen zugutekommen kommen soll, die während der Pandemie von behördlichen Schließungen direkt oder indirekt betroffen sowie mit coronabedingten Umsatzrückgängen konfrontiert waren und deren Personalstand sich im Vergleich zu 2019 nicht reduziert hat. "Sinnvoll wäre ein dreimonatiger Bonus von 1.000 Euro für alle angestellten Beschäftigten, die nach Ende der Behaltedauer der Kurzarbeit weiterbeschäftigt werden", so der Handelsverband. Darüber hinaus sollten jene Unternehmen, die neue Jobs schaffen, zumindest bis Mitte 2022 einen COVID-Arbeitsplatzschaffungs-Bonus erhalten – etwa in Form einer Halbierung oder eines vollständigen Erlasses der Sozialversicherungsbeiträge für den Arbeitsgeber bei Neueinstellungen bis 30. Juni 2022. Alternativ könnte je nach lenkungspolitischer Intention auch ein finanzieller Zuschuss pro Arbeitnehmer für jene Arbeitgeber angedacht werden, die frühzeitig neue Jobs schaffen.
"Entscheidend ist, die mehr als 600.000 Arbeitsplätze im österreichischen Handel nachhaltig abzusichern und zukunftssicher aufzustellen. Die Kurzarbeit ist essenziell, um Jobs zu retten. Flankierend dazu braucht es einen befristeten Covid-Arbeitsplatzsicherungs-Bonus für die Zeit nach dem Ende der Kurzarbeit, um Jobs dauerhaft zu sichern", sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. "Zur Förderung neuer Beschäftigungsverhältnisse empfehlen wir einen temporären Covid-Arbeitsplatzschaffungs-Bonus in Form eines finanziellen Zuschusses oder eines Erlasses der Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitgeber. Immerhin ist Corona ein Turboboost für den eCommerce. Diese neuen Chancen müssen wir aus volkswirtschaftlicher Sicht mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen verbinden." Durch Maßnahme 1 soll der jüngste Anstieg der Arbeitslosenzahl im Handel von 33 Prozent abgefedert und bis zu 100.000 gefährdete Jobs gesichert werden.
Maßnahme 2: Insolvenzen verhindern, Eigenkapital stärken & Investitionsanreize setzen
Im Corona-Jahr 2020 hat der heimische Handel "lediglich" 563 Firmeninsolvenzen verzeichnet, über alle Wirtschaftsbereiche hinweg ist die Zahl der Insolvenzen im Vergleich mit 2019 um 38 Prozent gesunken. Allerdings sei diese Entwicklung auf das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht sowie auf die Stundungen bei der Finanz und Krankenkasse zurückzuführen, die bekanntlich Ende März auslaufen sollen, gibt der Handelsverband zu bedenken. Das wahre Ausmaß spiegle sich darin wider, dass bereits jeder vierte Händler nicht mehr in der Lage sei, eingehende Rechnungen vollständig zu bedienen.
"Daher braucht es Investitionsfreibeträge, um neue Formen der Firmenbeteiligung aktiv zu fördern, indem Eigenkapital bessergestellt wird und private Investoren einfacher Firmenbeteiligungen eingehen und damit Betriebe zukunfts- und krisensicherer machen können", fordert der Handelsverband. Es brauche präventive Restrukturierungsmaßnahmen, um coronabedingten Insolvenzen zuvorzukommen. In der EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz, die in Österreich bis dato noch nicht umgesetzt wurde, seien genau solche Restrukturierungsmaßnahmen vorgesehen. Es wäre genau jetzt an der Zeit, diese Richtlinie zeitnahe umzusetzen.
Will: "Die Politik hat durch staatliche Hilfen wesentlich zum Erhalt des Wirtschaftsstandortes beigetragen. Mit einer stärkeren Verankerung der 'zweiten Chance' in den staatlichen Corona-Maßnahmen, präventiven Restrukturierungsmöglichkeiten und einem leichteren Zugang zu Eigenkapital würde man ein wichtiges Signal setzen, idealerweise schon bevor die Insolvenzregelungen wieder in Kraft gesetzt werden. Das wäre ein win-win für den österreichischen Wirtschaftsstandort und alle Beteiligten – Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Banken, Gläubiger und Zulieferbetriebe." Mit Maßnahme 2 sollen "mindestens 7.500 Handelsbetriebe", die coronabedingt mit dem Geschäftsbetrieb in Schieflage geraten sind und heuer aufgeben müssten, noch aufgefangen werden.
Maßnahme 3: Digitalisierung vorantreiben & digitales Fair Play sicherstellen
Akuter Handlungsbedarf bestehe auch in der Digitalwirtschaft. "Niemand versteht, warum die führenden Digitalkonzerne im Schnitt nur neun Prozent an Gewinnsteuern zahlen, während jedes österreichische Unternehmen mit durchschnittlich 23 Prozent besteuert wird", kritisiert der Handelsverband. Auch die immer stärkere Marktkonzentration im Onlinehandel durch digitale Giganten ohne Betriebsstätte in Österreich, wie etwa Amazon, sei die Bilanz einer jahrelangen regulatorischen Fehlentwicklung. "Die Coronakrise verschärft das Ungleichgewicht, daher müssen die Steuerschlupflöcher der multinationalen Online-Riesen endlich gestopft werden", fordert die Interessensvertretung.
"Die heimische Wirtschaft bewegt sich in einem Korsett an strengen Vorgaben, während die internationalen Online-Giganten frei wie ein Vogel agieren können. Alle unsere Anstrengungen und Förderungen machen langfristig nur dann Sinn, wenn ein digitaler Binnenmarkt geschaffen wird, der unsere Wettbewerbsfähigkeit sicherstellt", erklärt Rainer Will. "Wir müssen sicherstellen, dass Europa seine Verbraucherinnen und Verbraucher nicht länger als Kunden an digitale Giganten anderer Regionen der Welt verliert und obendrein noch Steuergutschriften nachschickt und den Abfall der Drittstaatensendungen auf eigene Kosten entsorgt." Die Einführung der digitalen Betriebsstätte in der Europäischen Union sei überfällig.
Maßnahme 3 soll einen Beitrag leisten, um Österreich unter die EU-Top-10 im Bereich der Digitalisierung zu katapultieren und zum Innovation-Leader zu machen. Gleichzeitig soll damit dem Kaufkraftabfluss von fast 60 Prozent im Onlinehandel entgegengewirkt und die steuerliche Gleichstellung von Old und New Economy erreicht werden. (red)
www.handelsverband.at
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