LEADERSNET: Sie sind seit 1. September 2018 Geschäftsführer der Wien Holding. Wie fällt Ihr persönliches Resümee nach etwas mehr als zwei Jahren an der Spitze des Konzerns aus?
Gollowitzer: Die Wien Holding ist eines der wichtigsten Instrumente, wenn es darum geht, die Stadt weiterzuentwickeln. Die Stadt wächst und mit ihr wachsen die Aufgaben, aber auch die Verantwortung der Wien Holding. Als Konzern ist die Wien Holding sehr breit aufgestellt: von Immobilien, über Medien und Kultur, bis hin zu Logistik. Das bedeutet, dass es ein sehr herausfordernder aber gleichzeitig auch ein toller Job ist. Und es ist mir eine Ehre, Geschäftsführer der Wien Holding zu sein.
LEADERSNET: Wie viele Unternehmen sind unter dem Dach der Wien Holding vereint?
Gollowitzer: Insgesamt sind es rund 75 Unternehmen, die zum Konzern gehören. Dazu zählen etwa Unternehmen wie der Hafen Wien, die Vereinigten Bühnen Wien mit dem Ronacher, dem Raimund Theater und dem Theater an der Wien, die Wiener Stadthalle, das Haus der Musik, das Jüdische Museum Wien, das Kunst Haus Wien und noch viele mehr. Die Wien Holding beschäftigt in ihren Unternehmen rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Unser Eigentümer ist wiederum die Stadt Wien.
LEADERSNET: Vieles, was Wien ausmacht, ist unter dem Dach der Wien Holding beheimatet. Wie hart trifft Sie die Coronakrise wirtschaftlich?
Gollowitzer: Dank der ausgezeichneten Ergebnisse der letzten Jahre sind wir als Wien Holding gut gerüstet. So konnten wir im Jahr 2019 das beste wirtschaftliche Ergebnis in der Geschichte der Wien Holding vorlegen. Immerhin besteht die Wien Holding bereits seit dem Jahr 1974. Auch in den Jahren davor haben wir sehr gut gewirtschaftet. Und wir haben liquiditätstechnisch vorgesorgt, um diese zweifellos schwierige Situation, die auch noch die kommenden Monate anhalten wird, zu meistern. Aber eines ist klar: Trotz unserer Wirtschaftskraft ist Corona – wie für alle anderen Unternehmen auch – eine ganz große Herausforderung. Oberstes Gebot für uns ist es jetzt, mit ruhiger und vorausschauender Hand unsere Unternehmen zu stabilisieren, ihre Substanz und ihre Arbeitsplätze zu sichern und sie möglichst rasch – soweit es die Corona-Maßnahmen zulassen – wieder in Richtung Normalbetrieb zu führen. Das ist zwar keine einfache Aufgabe, da viele Unternehmen von den Entwicklungen im Tourismus, dem Öffnen der Grenzen, der Kaufkraft der Menschen und der Konjunktur abhängig sind – doch ich bin überzeugt, dass wir das schaffen.
LEADERSNET: Das Portfolio der Wien Holding ist, wie Sie schon erwähnt haben, sehr umfangreich. Welche Firmen performen auch trotz Krise richtig gut?
Gollowitzer: Gute Nachrichten aus der Wirtschaft sind in schwierigen Zeiten oft nicht so dicht gesät. Deshalb freut es mich ganz besonders, dass der Hafen Wien seine Stärken auch in der Coronakrise ausspielen konnte. Er war und ist nicht nur während des Lockdowns ununterbrochen in Betrieb, um die Stadt und das Umland zu versorgen, sondern er konnte auch wirtschaftlich weiterwachsen. Es wurden mehr Container umgeschlagen und wir werden heuer die „magische Marke" von 400.000 Containereinheiten erreichen. Auch die Zugverbindungen zu den europäischen Seehäfen wurden ausgeweitet und neue Sparten und Geschäftsfelder ausgebaut. So konnte die Zahl der wöchentlichen Züge, die im Container-Terminal des Hafen Wien abgefertigt werden, auf aktuell 110 Züge erhöht werden. Das neu aufgebaute Trailer-Geschäft ist trotz anhaltender Coronakrise ein Zusatz-Turbo im Jahr 2020. Dazu kommen die konsequente Verschlankung der Strukturen im letzten Jahr und viele effizienzsteigernde Maßnahmen, die den Hafen Wien noch wettbewerbsfähiger und gewinnträchtiger gemacht haben.
Die Vorschau auf das gesamte Jahr 2020 im Hafen Wien ist sehr positiv. Wir gehen davon aus, dass wir trotz Coronakrise ein Ergebnis haben werden, das in etwa auf dem Niveau des starken Jahres 2019 liegen wird. Zum Vergleich: Damals haben wir einen Umsatz von rund 36 Millionen Euro und einen Gewinn von 3,6 Millionen Euro erwirtschaftet.
LEADERSNET: Und wie ist die Lage im Kulturbereich?
Gollowitzer: Der Kulturbereich ist wohl eine jener Branchen, die von der Coronakrise am stärksten betroffen ist. Die beiden Lockdowns haben unsere Museen, Theater und Eventlocations nahezu komplett zum Stillstand gebracht. Und alle diese Einrichtungen sind noch dazu sehr stark vom Städtetourismus abhängig, der total zum Erliegen gekommen ist. Um die kurzfristigen Auswirkungen der Coronakrise abzufedern, setzt die Wien Holding sehr stark auf das Instrument der Corona-Kurzarbeit, um alle Arbeitsplätze erhalten zu können. Das war hauptsächlich bei den Unternehmen im Kulturbereich, dem Freizeitbereich und der Personenschifffahrt der Fall. Zusätzlich wurden Urlaube und Zeitausgleichsstunden abgebaut und dort wo es möglich war, auf Homeoffice umgestellt und diese Arbeitsform durch die konsequente Digitalisierung forciert.
Aber auch im Kulturbereich wird es eine Zeit nach Corona geben. Dafür rüsten wir uns jetzt. So haben wir in der Zwischenzeit das Raimund Theater komplett saniert, im Jänner 2021 sind wir damit so gut wie fertig. Und wir bereiten unsere Häuser darauf vor, sie möglichst rasch nach dem Lockdown wieder hochfahren zu können. Denn sobald der Kulturbetrieb wieder anläuft, sind unsere Häuser ganz wichtige Säulen für die Wertschöpfung in Wien.
LEADERSNET: Welchen Spirit haben Sie den 3.000 Beschäftigten hier mitgebracht?
Gollowitzer: Grundsätzlich ist es wichtig, um überhaupt motivierend zu agieren, dass man selbst motiviert ist. Ich kenne die Wien Holding schon seit 2005. Ich war vorher fünf Jahre Geschäftsführer in der Wiener Stadthalle. Wenn ich sage, ich lebe den Konzern, dann ist es auch wirklich so. Ich lebe den Spirit von frühmorgens bis abends, wenn ich zu Bett gehe – manchmal vielleicht auch zu viel (schmunzelt). Diese Breite, die wir durch die vielen Unternehmungen im Konzern haben, bietet natürlich auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Konzern die Möglichkeit, breites Wissen aufzubauen und sich was Neues anzuschauen, beispielsweise von der Logistik in die Kultur zu wechseln. Auf der anderen Seite haben wir als Konzern die Möglichkeit, für die Stadt Wien an tollen Projekten mitzuarbeiten und neue Projekte an den Start zu bringen. Das ist es, was mich Tag für Tag antreibt und diesen Enthusiasmus versuche ich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Konzern weiterzugeben.
LEADERSNET: Was lieben Sie an Wien ganz besonders?
Gollowitzer: Ich liebe vieles an Wien. Ich liebe die vielen Möglichkeiten, die es hier gibt. Es wird einem nie fad in dieser Stadt, egal was man machen möchte. Man hat in Wien wirklich alle Möglichkeiten. Ich liebe an Wien, dass es gut geführt ist. Ich liebe an Wien, dass es sauber ist. Die Gründe sind im Grunde all jene, die Wien jedes Jahr zur lebenswertesten Stadt der Welt machen.
LEADERSNET: Die Wien Wahl ist geschlagen. Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Stadt?
Gollowitzer: Ich wünsche mir, dass die Stadt auch in Zukunft weiter so gut geführt wird, wie es bis dato der Fall war und dass wir in der Wirtschaft die gleichen guten Rahmenbedingungen vorfinden werden wie bisher. Und natürlich wünschen wir uns alle, dass die Coronakrise erfolgreich bewältigt wird, damit die Menschen, die Wirtschaft und die Stadt wieder im Normalmodus laufen können.
LEADERSNET: Hat der Ausbruch der Corona-Pandemie auch innerhalb der Wien Holding zu einer Beschleunigung der Digitalisierung geführt?
Gollowitzer: Ja, auf alle Fälle. Bei allen negativen Seiten, die COVID-19 mit sich gebracht hat, gibt es auch einen positiven Aspekt: die Digitalisierung. Man wurde sozusagen durch Corona regelrecht dazu gezwungen, die Digitalisierung voranzutreiben. Auch bei uns hat die digitale Welt einen enormen Schub bekommen: von perfekten Homeoffice-Lösungen bis hin zur Digitalisierung des Hafen Wien im großen Stil.
LEADERSNET: Hat die Corona-Pandemie auch Auswirkungen auf den Bau der neuen Wien Holding-Arena, nachdem ja derzeit nicht klar ist, in welcher Form große Events in Zukunft stattfinden können?
Gollowitzer: Unsere Pläne sind nach wie vor aufrecht. Derzeit läuft der Architekturwettbewerb, den wir bis Ende 2020 abgeschlossen haben. Dann liegt ein konkretes Projekt für die neue Wien Holding-Arena vor. Klar ist aber auch, dass die Veranstaltungsbranche weltweit schwer von der Coronakrise betroffen ist und sich die Veranstalterszene Gedanken darüber macht, in welche Richtung sich das Live-Entertainment in Zukunft entwickeln wird. Hier wird die Digitalisierung vor allem auch in Hinblick auf das Streaming viel rascher realisiert werden. Das heißt, man kann bei einem Konzert nicht nur mehr ausschließlich live in einer Arena dabei sein, sondern wahrscheinlich auch viel öfter online von zuhause aus mit VR-Brille. Virtuelle Realität ist das Zauberwort. Auch mit diesen Entwicklungen und weiteren Trends der Branche werden wir uns auseinandersetzen und unser Arenaprojekt nochmals in dieser Hinsicht auch gemeinsam mit den großen Veranstalterinnen und Veranstaltern evaluieren. Denn die neue Wien Holding-Arena soll optimale Rahmenbedingungen für die weltweite Branche auch nach Corona bieten.
www.wienholding.at
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