Die Coronakrise hat alle "nicht-lebensnotwendigen" Retailer im Land im Sinne des Allgemeinwohls eine Sperre verordnet: das bedeutet mehr Sicherheit und einen großen Schritt im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus, aber für die Händler auch mehr als empfindliche Umsatzeinbußen. Aber was kostet ein ganzer Tag Shutdown in Österreich die Händler eigentlich wirklich, und was bedeutet dies umsatztechnisch für die "Shopping-Places" des Landes? Diese Fragen versucht das Beratungsunternehmen Standort + Markt in einer aktuellen Erhebung zu beantworten.
Umsatzverlust aus der Sicht der österreichischen Shoppingcenter - Prognose
Unseren ersten Research-Schwerpunkt haben wir in den letzten Tagen auf die Frage des voraussichtlichen täglichen Umsatzrückgangs bei den Shopflächen in Shopping Center, aber auch ausgewählten Innenstädten gerichtet. Auf Basis unserer gerade in Fertigstellung befindlichen S+M Dokumentation Shopping Center Österreich 2019/20 gibt es in Österreich 242 Shopping Center mit insgesamt 4,07 Millionen Quadratmeter vermietbarer Shopfläche, davon 141 Shopping Malls und 101 Retail Parks. Der jährliche Bruttoumsatz dieser 242 Center lag im Jahr 2019 bei einem vorläufigen Wert von rund 13,0 Milliarden Euro, der von gut 8.700 Shops erwirtschaftet wird.
Von den rund 4,1 Millionen Quadratmetern Shopfläche in den österreichischen Einkaufszentren müssen aktuell etwa 77 Prozent, was rund 3,1 Millionen Quadratmetern Shopflächen entspricht, im Zuge der Regierungsmaßnahmen geschlossen bleiben. Auf Basis des Vorjahresbruttoumsatzes dieser Zentren lässt sich für 300 Öffnungstage ein erster theoretischer tagesdurchschnittlicher Umsatzsollwert für sämtliche Shopflächen in den österreichischen Einkaufszentren ermitteln. Dieser Sollwert liegt bei 43,3 Milliarden Euro täglich. Tatsächlich werden nun aber nur 31,5 Prozent des Umsatzes erzielt.
Täglich gehen den Shopbetreibern in österreichischen Einkaufszentren damit aufgrund des Shutdowns 68,5 Prozent des Umsatzes verloren: das sind 29,7 Millionen Euro brutto.
Große Malls stärker betroffen als Retail-Parks
Retail-Parks sind aufgrund ihres deutlich stärker auf die primäre Nahversorgung ausgerichteten Mix von den Umsatzverlusten deutlich schwächer betroffen als Shopping Malls. "Insbesondere größere Malls mit hohem Bekleidungsanteil haben hier besonders zu kämpfen", erklärt Hannes Lindner, Geschäftsführer von Standort + Markt.
Aber nicht nur die Umsätze der Händler bleiben aus, auch die Mieten in den Centern wollen bestritten werden: geht man (konservativ) von einer Netto-Monatsmiete bei Shopping Malls im Österreich-Durchschnitt von 25 Euro pro Quadratmeter vermietbarer Fläche und Betriebskosten von acht Euro pro Quadratmeter aus, so kosten die zwangsgeschlossenen Flächen monatlich in Summe knapp 76 Millionen Euro netto. Bei Retail Parks setzten wir eine Durchschnittsmiete von netto 12,5 Euro pro Quadratmeter monatlich und Betriebskosten von 2,0 Euro pro Quadratmeter monatlich an, womit in Fachmarktzentren die nicht nutzbaren Flächen monatlich mit insgesamt 12,0 Millionen Euro zu Buche schlagen. In Summe stehen damit monatlich knapp 90 Millionen Euro Kosten im Raum, um die wohl zukünftig trefflich diskutiert wird, wer sie zu begleichen hat.
Prognose des täglichen Umsatzverlustes im Auhofcenter
Da die Betrachtung des Shopping-Center-Gesamtmarktes "etwas virtuell und anonym" erscheinen mag, entschloss sich das Beratungsunternehmen Standort + Markt in Abstimmung mit dem Eigentümer dazu, die Auswirkungen des Shutdown anhand des konkreten Beispiels des Auhofcenters im 14. Wiener Bezirk zu analysieren.
Das rund 53.400 Quadratmeter Shopfläche umfassende Center erzielte 2019 gemäß der Einschätzungen von Standort+Markt einen jährlichen Bruttoumsatz von rund 190 Millionen Euro. Lediglich 7.000 Quadratmeter Shopfläche (13 Prozent der gesamten vermietbaren Fläche) sind derzeit noch in Betrieb, der überwiegende Teil der Shopflächen (87 Prozent) musste temporär schließen.Die ersten Berechnungen von S+M ergeben, dass der tägliche Brutto-Sollumsatz der Shopbetreiber des Auhofcenters in der Höhe von 630.000 Euro im Zuge des Shutdown deutlich verfehlt wird, im günstigsten Fall rechnen wir derzeit mit einem durchschnittlichen Tagesumsatz von 125.000 Euro brutto. Der durch den Shutdown verursachte tägliche, durchschnittliche Umsatzverlust im Auhofcenter liegt damit beivoraussichtlich 0,5 Millionen Euro, davon entfällt etwa die Hälfte auf den Modebereich.
Prognose des täglichen Umsatzverlustes in der Grazer City
Die Shopflächen (Einzelhandel, Gastronomie, konsumnahe Dienstleistungen) in der City von Graz belaufen sich in A-, B- und C-Lage auf insgesamt 175.400 Quadratmetern (reine Verkaufsfläche ohne Lager und Sozialräume), das jährliche Brutto-Umsatzvolumen auf dieser Fläche lag unseren Analysen zufolge im Jahr 2019 zuletzt bei gut 790 Millionen Euro. Der Umsatz jener Branchen, die von der verordneten Schließung betroffen sind, liegt jährlich bei rund 670 Millionen Euro. Shopflächen im primären Versorgungsbereich (u.a. Lebensmittelhandel, Drogerien, Apotheken, Trafiken, Tierfutteranbieter) erzielten (ohne die Umsätze von Post und Banken) in der City von Graz zuletzt rund 125 Millionen Euro.
Die Umsatzrückgänge seien "natürlich lagendifferenziert" zu sehen, betont S+M. Besonders stark betroffen von den Umsatzrückgängen sieht man die "A-Lage" in der City von Graz. Dort werden knapp 50 Prozent der gesamten Umsätze in der Innenstadt erzielt, aufgrund des niedrigen Kurzfristbedarfsanteils liegt für diese Zone der zu erwartende durchschnittliche Umsatzrückgang je Shutdown-Tag bei 89 Prozent. Anders verhält es sich in der "C-Lage" (u.a. in der Annenstraße), die einen stärker nahversorgungsorientierten Mix aufweist. Zwar hält diese lediglich einen Umsatzanteil von gut 10 Prozent an der gesamten Grazer City, dafür ist diese nun "nur" mit täglichen Umsatzrückgängen in der Höhe von 65 Prozent konfrontiert. Der Modehandel (Textilien einschließlich Schuhe) in der gesamten Grazer City verliert je Shutdown Tag einen Umsatz von knapp 0,8 Millionen Euro brutto.
Die Stadt Graz begegnet dem Umsatzausfall aktuell mit einem eigenen, umfassenden Hilfsprogramm für alle betroffenen Betriebe. Zudem werden die Grazerinnen und Grazer in einer eigenen Anzeigenkampagne "Jetzt richtig handeln für Graz" dazu ermutigt, im Sinne der Kontaktminimierung vorerst die Einkäufe aufzuschieben und zwischenzeitlich online bei Grazer Unternehmen zu bestellen, bis bessere Zeiten kommen und die Grazer Geschäfte wieder mit offenen Armen ihre Kunden empfangen können.
Ausblick
Es ist evident, dass der Shutdown sowohl Shopbetreiber, als auch Centereigentümer auf eine harte Probe stellt. Das Konfliktpotential sei schon vor "Corona" hoch gelegen, erklärt das Beratungsunternehmen S+M und bezieht sich hier vor allem auf die Mietdiskussion. Primär sei dieses durch Umsatzverschiebungen vom stationären Handel zum Distanzhandel entfacht worden. (red)
www.standort-markt.at