„Kunstschnee kann Winterromantik nicht ersetzen“

Experten kündigten bei der Top Speakers Lounge an, den Bergtourismus „neu zu erfinden". 

Der alpine Tourismus gilt als einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren, doch das gute Geschäft mit den Gästen gerät zunehmend ins Stottern. Neben den bekannten Faktoren wie „Klimawandel“ oder „Skimüdigkeit der Bevölkerung“ sieht der CEO von Schweiz Tourismus Jürg Schmid die Urbanisierung als Grund für den Rückgang. „Die Bevölkerung in den Städten wird bis 2030 um 61 Prozent auf 5 Milliarden wachsen. Vom Trend der globalen Urbanisierung profitiert der Städtetourismus besonders stark, da Städtebesucher primär selber Städtebewohner sind. Man reist öfters und erlebt intensiver. Städte bieten die höchstmögliche Auswahl an leicht und in kurzer Zeit kombinierbaren Erlebnissen. Sie sind einfach rascher und günstiger erreichbar", so Schmid bei der Top Speakers Lounge der  Handelskammer Schweiz – Österreich.

Sehnsucht nach Emotionen

Schmid fordert mehr Authentizität und die Vermittlung von sinnlichen und nachhaltigen Urlaubserlebnissen. „Reisen mit gutem Gewissen aber ohne Entbehrung ist ein wachsendes Bedürfnis. Ökologische Nachhaltigkeit  wird zur Selbstverständlichkeit – allerdings ohne die Bereitschaft, dafür mehr auszugeben. Reisen bedeutet die Sehnsucht nach Emotionen. Kunstschnee erfüllt keine Sehnsucht nach Winterromantik. Authentische und persönliche Erlebnisse einfach zugänglich gemacht, sind zentraler Erfolgsfaktor der alpinen Entwicklung. Wir brauchen Sightfeeling statt Sightseeing“, so Schmid.

Neue Chancen durch Gästeverschiebung

Auch die Gästestruktur wird sich in den nächsten Jahren massiv verändern. Laut Schmid wird der Anteil jener Gäste aus weit entfernten Destinationen von 22 Prozent 2015 auf 33 Prozent im Jahr 2025 ansteigen. Damit eröffnen sich neue Chancen. „Hier kann man mit Innovationen, wie z.B. dem all-in-one Erlebnis ´mein erster Schnee´ oder ,Am Tisch bei der Bäuerin´, punkten“, glaubt Schmid.
Weniger auf die Gäste aus Fernost, sondern auf die heimische Kundschaft, setzt Markus Comploj, Geschäftsführer der Bergbahnen Brandnertal: „Im Brandnertal hatten wir 25 Prozent Schweizer Gäste. Hier ist der starke Franken ein Segen. So konnten wir stark gewinnen. Spätestens ab heute – verursacht durch die Terroranschläge in Belgien  – werden unsere Gäste sorgfältig auswählen, wohin sie im Urlaub fahren. Da ist das Nahumfeld sicher ein Gewinner.“ Ähnlich argumentiert auch Franz Gredler, Prokurist bei Eurotours: „Wir sehen auch diese Irritationen. Viele bleiben lieber in der Schweiz und in Österreich und werden sich ganz genau überlegen, wo sie ihre großen Urlaube machen.“


Hausgemachte Krise

Doch nicht alle Probleme sind von außen verschuldet. Die Krise so mancher Regionen ist hausgemacht. Wolfgang Kleemann, Geschäftsführer Österreichische Hotel- und Tourismusbank GmbH: „Viele haben die Bearbeitung des heimischen Markts vergessen – oder verschlafen. Der Leidensdruck war für Investitionen nicht hoch genug. Das sieht man in Kärnten. Als das Wetter schlecht war, gab`s massive Rückgänge in jenen Betrieben, die schlecht ausgestattet waren.“ Auf Investitionen setzt Arnold Oberacher von conos Tourismusconsulting: „Der Kunde kauft eine Destination, nicht nur ein Hotel oder eine Seilbahn. Es gibt entweder den Rummel oder die Ruhe. Mit ,Ruhe` füllt man nur bedingt die Betten. Es gibt Familie und Party, aber auch Genuss und Wellness. Da muss ich mir schon überlegen, welches Mascherl ich mir umbinde. Das kann vom hippen Skywalk bis zum urigen Bauernherbst gehen. Der Winter wird aber weiterhin mit Skifahrern zu füllen sein und nicht mit Randsportarten. Aber es kommen viele im Schlepptau. Viele haben einen Partner, der nicht Skifahren kann. Für diese Leute muss auch etwas angeboten werden.“ (jw)

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