„Unser Ziel ist es, die TVthek zum selbstverständlichen täglichen Informationsmedium der Österreicher zu machen"

Prantner im Interview über fünf Jahre ORF-TVthek, den Online-Anteil der Werbeerlöse, wie es mit der Radiothek läuft und warum der VÖP das österreichische Publikum „attackiert".

Am 16. November 2009 startete mit der Videoplattform ORF-TVthek eine der interessantesten technologischen Innovationen der vergangenen Jahre. Heute bietet die Videoplattform dem Publikum mit 200 als Video-on-Demand angebotenen Sendungen, mehr als 200 Live-Streams und zahlreichen kultur- und zeithistorischen Videoarchiven ein umfassendes Angebot. Aus Anlass des fünfjährigen Bestehens der Multimediaplattform hat leadersnet.at Thomas Prantner, Stv. Direktor für Technik, Online und neue Medien, zum Interview gebeten.  

leadersnet.at: Der Start der ORF-TVthek vor fünf Jahren schien wohl ein Wagnis. Welche Erwartungen haben Sie in das Potenzial der Rezipienten gesetzt?

Prantner: Der Launch einer eigenen ORF-Videoplattform 2009 war aus meiner Sicht weniger ein „Wagnis“ als eine dringende Notwendigkeit. Es war die neue Multimediastrategie von Generaldirektor Wrabetz in der 1. Geschäftsführungsperiode ab 2007, die im Haus ein Umdenken in Richtung neue Verschränkung und Vernetzung von TV, Radio und Online ausgelöst hat. Damit wurde eine Zeitenwende in der Mediencontent-Strategie des ORF eingeläutet und ich danke Dr.Wrabetz, dass er mir damals als Onlinedirektor die Chance gegeben hat, dieses neue multimediale Produkt zu gründen, auf den Markt zu bringen und aufzubauen. Unser Erwartungen waren ganz klar: Wir haben von Anfang an damit gerechnet, dass sich das Mediennutzungsverhalten der Menschen stark verändert, immer mehr User TV-Content dann konsumieren wollen, wann und wo sie wollen und der ORF daher attraktive non-lineare Videoangebote forcieren muss.
 
leadersnet.at: Nun gibt es schon rund 20 Millionen Videonutzer pro Monat. Was zieht die Nutzer an? Welche Steigerungen sind noch denkbar?

Prantner: Der Erfolg der ORF-TVthek zeigt, dass unsere  Strategie, ORF-Content auf alle relevanten Plattformen zu bringen, aufgegangen ist. Die ORF-TVthek ist eine Premium-Marke des ORF und hat sich in fünf Jahren zur größten österreichischen Videoplattform entwickelt. Die aktuellsten Kennzahlen belegen das eindrucksvoll: Erstmals liegt die ORF-TVthek bei der Monatsreichweite mit 1,025.000 Unique Usern pro Monat  über der Millionen-Grenze (ÖWA-Plus/2.Q 2014). Wir haben auf der ORF-TVthek im Schnitt pro Monat mehr als vier Mio. Visits und mehr als 19 Millionen Videoabrufe auf ORF.at-Sites, der überwiegende Teil davon auf der TVthek. Unsere Marktforschungszahlen zeigen deutlich, dass das breite Programmangebot, die Übersichtlichkeit der Site, die verschiedenen Apps und die technische Qualität die wichtigsten Motive der TVthek-Nutzung sind. Rund 25 Prozent der Zugriffe erfolgen mobil, vor allem über unsere verschiedenen Apps. Große Sportevents wie Olympia oder die Fußball-WM bringen natürlich einen gewaltigen Push an Abrufen. Weitere Zugriffssteigerungen sind durchaus möglich, wenngleich wir nicht permanent auf Quotenjagd sind. Unser Ziel ist es, dass die TVthek zum selbstverständlichen täglichen Informationsmedium der Österreicher wird.
 
 leadersnet.at: Stark im Disput stand stets die Frage  der Vermarktung und Erweiterung der Plattform. Konnten Sie hier positive Lösungen erreichen?
 
Prantner: So stark war der Disput gar nicht, da wir der Medienbehörde ein gut vorbereitetes und stimmiges Angebotskonzept übermittelt haben und die Auftragsvorprüfung dann positiv abgeschlossen werden konnte. Der ORF hat von der KommAustria die Genehmigung bekommen, die ORF-TVthek kommerziell zu vermarkten – sowohl mit Video- als auch mit Display-Werbung. Dies ist allerdings mit zahlreichen Einschränkungen verbunden. Komplett werbefrei sind die Videoarchive und die Kinderangebote, bei aktuellen Informationssendungen sind keine Pre-Roll-Spots erlaubt. Darüber hinaus gibt es eine sogenannte 10-Minuten-Regel, d.h. es darf innerhalb einer Nutzungszeit von 10 Minuten nur 1 Pre-Roll gezeigt werden. Im Rahmen dieser Auftragsvorprüfung haben wir neue öffentlich-rechtliche Angebote, wie die Aktion „ORF-TVthek goes school“ angekündigt und bereits umgesetzt.

leadersnet.at: Nun soll die ORF-TVthek als bedeutsamste Innovation am österreichischen Medienmarkt der vergangenen Jahre mit dem New Media Journalism Award ausgezeichnet werden. Welche Innovationen sind für Sie am bedeutendsten?
 
Prantner: Ich freue mich sehr, dass die ORF-TVthek demnächst als ‚bedeutendste Innovation am österreichischen Medienmarkt der vergangenen Jahre‘  (Jurybegründung) mit dem "New Media Journalism Award 2014" des ÖJC ausgezeichnet wird. Das ist eine großartige Anerkennung der Leistung des gesamten ORF-TVthek-Teams. Die wichtigste Innovation der vergangenen fünf Jahre ist für mich die Verbreitung der ORF-TVthek in optimaler Qualität auf allen relevanten technischen Plattformen – von Web, den IOS,Android und W8-Apps bis zu allen wichtigen Kabelnetzen und Smart-TV.
 
leadersnet.at: Wie sehen die Zukunftspläne für die Positionierung der TVthek aus? Wie sehen Sie die Zukunft der Mediennutzung?

Prantner: Der Trend im Medienkonsumverhalten geht weiter stark in Richtung zeit- und ortsunabhängiger Nutzung von TV, dazu kommt die rasant steigende Verbreitung von Smartphones und Tablets. All das begünstigt eine weitere positive Entwicklung der TVthek. Wir werden noch tiefer und noch direkter auf die Programm- und Themenwünsche der User eingehen mit dem Ziel, dass jeder TVthek-Nutzer sein eigener Programmdirektor sein wird. Wir planen eine „My ORF-TVthek“-Funktion, die es unseren Kunden ermöglicht, ihre Lieblingssendungen und ihre Top-Themen einfacher abrufbar zu machen. Die Positionierung der ORF-TVthek als zentrale, öffentlich-rechtliche und kostenlose Livestream- und VOD-Plattform wird konsequent fortgesetzt. ‚Fernsehen wann und wo Sie wollen‘ ist nicht nur ein Marketing-Claim, sondern ein Anspruch, den wir für unsere Kunden erfüllen wollen. Von besonderer Bedeutung ist das Livestream-Angebot, das alle vier Sender ORF eins, ORF 2, ORF III/Kultur und Information sowie ORF-SportPlus umfasst.  Die ORF-TVthek stellte schon bisher mehr als 20 Prozent des ORFeins-Programms bzw. mehr als 60 Prozent des ORF-2-Programms als Live-Stream bereit. Zu den bisher schon ca. 200 regelmäßigen Live-Streams kommen nun mehr als 60 europäische und internationale Kino- und Fernsehfilme sowie zahlreiche Serien hinzu. Der ORF wird sich daher darum bemühen, das Live-Stream-Angebot der ORF-TVthek laufend noch weiter auszubauen. Überall dort, wo wir Livestreamrechte erwerben können, werden wir sie auch nützen.
 
leadersnet.at: Wo schaut man ORF in zehn Jahren? Wird die TVthek dann das Hauptprodukt sein?
 
Prantner: Derzeit zeigen sich für den klassischen TV-Konsum keine negativen Auswirkungen durch die TVthek, die kein Ersatz, sondern eine wichtige Ergänzung zum linearen Fernsehen ist. Erfreulich ist, dass die TVthek-Nutzung, sowohl live als auch on demand, die ORF-TV-Quoten insgesamt positiv unterstützt. Die Zuseher gehen nicht weg vom ORF-Programm, sie konsumieren es nur auf anderen Plattformen und dann, wann und wo sie es wollen. Die für 2015 vorgesehene Zusammenführung von Fernseh- und Online-Videoreichweiten zu einer neuen gemeinsamen "Gesamtquote" wird in der Marktforschung weitere wichtige Erkenntnisse und noch exaktere Daten bringen. Ich bin überzeugt davon, dass es in zehn Jahren das Produkt „Fernsehen“ mit seinen Programmen weiterhin geben wird – jedoch wird es zu einem gewaltigen Change-Prozess kommen, was die Programmformate, Nutzungsarten- und-gewohnheiten und die Kundenbindung betrifft. Die Zukunft sind multimediale Programmguide-Apps, individuell zusammengestellte Sendungs-, Beitrags- und Videomenüs und eine Vielzahl neuer Devices. Die TVthek wird hier eine wichtige Rolle spielen, der ORF ist mit seinen Online- und New media-Aktivitäten gut aufgestellt, um diese spannenden Zukunftsherausforderungen zu meistern.
 
leadersnet.at: Welchen Anteil werden die Werbeerlöse aus der TVthek in Zukunft haben?
 
Prantner: Es ist erfreulich, dass die Vermarktung der ORF-TVthek –trotz der zahlreichen Werbebeschränkungen – so gut läuft. Die ORF-TVthek ist eine  Premium-Marke des ORF und das spüren wir auch bei den Werbeerträgen.  Derzeit macht der Online- Anteil in Summe rund 6% der gesamten Werbeeinnahmen des ORF aus. Ich gehe davon aus, dass dieser Prozentsatz in den kommenden Jahren steigen wird.
 
leadersnet.at: Für das Ziel, ORF Content möglichst auf alle Plattformen zu bringen, ist auch eine Radiothek schon in den Startlöchern. Wie steht es um dieses Projekt?
 
Prantner: Die ORF-Radiothek ist ein technologisch sehr komplexes Projekt, weil es hier um die Erfassung von Metadaten der insgesamt 12 ORF-Radiosender geht. Daher dauert die Umsetzung länger als ursprünglich angenommen. Derzeit stehen wir mitten im gesetzlichen Genehmigungsverfahren. Wir haben ein umfassendes Angebotskonzept abgegeben und damit wurde die Auftragsvorprüfung eingeleitet. Sobald das OK der Behörden da ist, werden wir die Intensiv-Umsetzungsphase starten. Ich gehe derzeit davon aus, dass im ersten Quartal 2015 die ORF-Radiothek als zentrale Live- und On-Demand-Plattform für alle ORF-Radiosender online gehen wird - sofern es zu keinen Verzögerungen kommt. Unsere Strategie heißt, ORF-Content auf alle multimedialen Plattformen zu bringen, und da steht Radio für 2015 ganz stark im Fokus.
 
 leadersnet.at: Was ist unter dem neuen Ö3 Visual Radio zu verstehen,  und welche Maßnahmen sind zur Stärkung aller ORF Radios angedacht?
 
Prantner: Mit dem neuen multimedialen Ö3-Visual Radio ist ein weiteres spannendes Projekt der Kollegen von Ö3 in Vorbereitung. Aber auch hier müssen wir anhand der rechtlichen Rahmenbedingungen einen positiven Abschluss des Genehmigungsverfahrens abwarten. Weiters planen wir eine zentrale App für alle ORF-Radios, um Usability und Marken zu stärken. Diese wird dann mobil und auch auf Smart-TV zur Verfügung stehen.
 
leadersnet.at: Für den VÖP ist eine Radiothek nach Vorbild der TVthek eine "unkontrollierbare Erweiterung des Hörfunkangebots des ORF". Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
 
Prantner: Ich wiederhole gerne, was ich schon vor ein paar Monaten in einem Interview gesagt habe. Der VÖP protestiert reflexartig gegen alles, was vom ORF an innovativen Projekten kommt. Der Vorwurf, die Radiothek sei eine „Erweiterung des ORF-Hörfunkangebots“ ist ein kompletter Unsinn. Die Radiothek ist ein neues multimediales Online-Service für unsere Hörer, für unsere Gebührenzahler und wenn der VÖP die Radiothek attackiert, attackiert er in Wahrheit das österreichische Publikum. Und das wollen und das werden wir nicht zulassen.
 
leadersnet.at: Kritiker befürchten, dass beide Angebote die marktbeherrschende Stellung des ORF noch weiter stärken und negative Konsequenzen für die Wettbewerbssituation der österreichischen Privatsender nach sich ziehen. Kann der ORF dies widerlegen?
 
Prantner: Also wenn die österreichischen Privatsender, die in Wahrheit in der Hand deutscher Medienkonzerne sind und auch dorthin österreichisches Werbegeld überweisen, Angst vor der Radiothek und vor Ö 3-Visual haben, dann scheint es tatsächlich nicht gut um sie bestellt zu sein. Es ist absurd, wenn behauptet wird, dass zwei kleine Multimediaprojekte des ORF den heimischen Radio-Wettbewerb ins Wanken bringen können. Wenn man sich die zu erwartenden Werbeerlöse ansieht, lassen sich diese Vorwürfe ganz leicht widerlegen. (jw)

tvthek.orf.at

 5 Jahre ORF TVthek - Fotos C.Mikes

2014-11-10

(61 Fotos)

ORF-TVthek

Nutzungsplattformen:
TV Geräte:
6 Prozent
Mobile Endgeräte:
24 Prozent
PC/Laptop:
70 Prozent

Top-Einzelsendungen:
Eurovision Song Contest Finale:
965.501 Sichtungen
ZIB 2 mit Stronach:
510.400 Sichtungen
Zeit im Bild (Warnung vor Diclofenac):
473.353 Sichtungen

Monatsreichweite:
2. Quartal 2010:
419.000 Unique User
2. Quartal 2014:
1.025.000 Unique User

ORF-TVthek

Nutzungsplattformen:
TV Geräte:
6 Prozent
Mobile Endgeräte:
24 Prozent
PC/Laptop:
70 Prozent

Top-Einzelsendungen:
Eurovision Song Contest Finale:
965.501 Sichtungen
ZIB 2 mit Stronach:
510.400 Sichtungen
Zeit im Bild (Warnung vor Diclofenac):
473.353 Sichtungen

Monatsreichweite:
2. Quartal 2010:
419.000 Unique User
2. Quartal 2014:
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