Interview mit Monika Sandberger
"Lehrberufe werden künftig verstärkt digitale Kompetenzen erfordern"

Im LEADERSNET-Interview spricht Monika Sandberger, Geschäftsführerin von zukunft.lehre.österreich. (z.l.ö.), unter anderem darüber, wie sich das Modell Lehre in Österreich künftig entwickeln wird, wie man Jugendlichen Lehrberufe schmackhafter machen kann und was die neue Regierung konkret ändern muss, um Lehrberufe langfristig zu stärken.

LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Sandberger, sie haben kürzlich mit zukunft.lehre.österreich. eine neue Kampagne vorgestellt. Was möchten Sie mit dieser konkret erreichen?

Monika Sandberger: Es ist mir besonders wichtig zu betonen, dass eine Lehre genauso bedeutend ist wie eine akademische Ausbildung. Sie vermittelt praxisnahes Wissen und spezialisierte Fähigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt dringend gefragt sind. Lehrlinge eröffnen sich vielfältige Karrierechancen und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Österreich, während so aktiv der Fachkräftemangel bekämpft wird. Beide Ausbildungswege ergänzen sich und tragen entscheidend zur wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Stabilität bei. Mit unserer aktuellen Kampagne, in der wir eine fiktive Partei "Die Elite" gegründet haben, wollten wir mit provokanten Aussagen wie "Pension ab 50 für alle Studierten", "Akademikerquote auf 95 Prozent" oder "Lehre abschaffen" aufrütteln und verdeutlichen, dass ohne die Lehre vieles zum Stillstand käme.

LEADERSNET: Wie sehen Sie die Zukunft der Lehre in Österreich? Welche Trends oder Entwicklungen werden Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren besonders wichtig sein?

Sandberger: Die Lehre in Österreich hat eine lange Tradition und ist ein international anerkanntes Erfolgsmodell. Ihre Zukunft sehe ich sehr positiv, allerdings sind Weiterentwicklungen notwendig, um den Anforderungen einer sich ständig verändernden Arbeitswelt gerecht zu werden. Ein zentraler Trend ist die Digitalisierung. Lehrberufe werden künftig verstärkt digitale Kompetenzen erfordern – von der Nutzung modernster Technologien bis hin zur Arbeit mit Künstlicher Intelligenz und Automatisierung. Hier ist es entscheidend, dass die Ausbildungsinhalte laufend angepasst werden, um Lehrlinge optimal auf diese Veränderungen vorzubereiten. Darüber hinaus wird die Rolle der Nachhaltigkeit in den kommenden Jahren stark an Bedeutung gewinnen. Viele Unternehmen setzen zunehmend auf umweltfreundliche Technologien und Geschäftsmodelle, und auch die Lehrausbildung muss diesen Trend abbilden, damit Lehrlinge zukunftsfähige Lösungen entwickeln können. Ein weiterer Punkt ist die Attraktivität der Lehre. Es ist wichtig, dass wir weiterhin daran arbeiten, die Lehre als gleichwertige Alternative zur akademischen Ausbildung zu positionieren. Das erreichen wir durch bessere Information, modernisierte Ausbildungsstätten und vor allem durch die Wertschätzung der Leistungen der Lehrlinge und ihrer Ausbilder:innen.

LEADERSNET: Wie könnte man den Jugendlichen von heute Lehrberufe schmackhafter machen und beispielsweise auch junge Mädchen von Lehrberufen in traditionellen Männerdomänen überzeugen?

Sandberger: Um Jugendliche für die Lehre zu begeistern, müssen wir gezielt ihre Interessen ansprechen und zeigen, wie spannend und zukunftsorientiert Lehrberufe sind. Moderne Lehrinhalte, direkte Einblicke in den Arbeitsalltag und Erfolgsgeschichten von ehemaligen Lehrlingen sind hier entscheidend. Um insbesondere junge Mädchen für Männerdomänen zu gewinnen, braucht es Vorbilder. Sichtbare Role Models und Mentoring-Programme können Hemmschwellen abbauen und zeigen, dass diese Berufe genauso für Frauen geeignet sind. Zusätzlich sollten wir in Schulen stärker aufklären und gezielt mit Eltern, Lehrkräften und Unternehmen zusammenarbeiten, um bestehende Klischees abzubauen. Attraktive Ausbildungsmodelle und eine klare Perspektive für spannende Karrieren sind der Schlüssel, um die Lehre für alle Jugendlichen – unabhängig vom Geschlecht – interessant zu machen.

LEADERSNET: Welche Erwartungen haben Sie an die Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden? Inwiefern müssen Betriebe ihre Ausbildungspraxis an die Anforderungen der modernen Arbeitswelt anpassen?

Sandberger: Ich bin überzeugt davon, dass die allermeisten Unternehmen dies ohnehin tun, aber aus meiner Sicht ist es besonders wichtig, die Wünsche und Bedürfnisse junger Talente in die Ausbildungspläne miteinzubeziehen und auf gegenseitigen Respekt sowie Kommunikation auf Augenhöhe zu setzen. Ein moderner Ausbildungsplatz bedeutet nicht nur digitale Ausstattung, sondern eben auch flexible Strukturen und ein Arbeitsumfeld, das Innovation, Wertschätzung und Eigenverantwortung fördert. Junge Menschen erwarten klare Entwicklungsperspektiven, regelmäßiges Feedback und Aufgaben, die ihnen echten Mehrwert und berufliches Vorankommen ermöglichen. Die Ausbildungsinhalte müssen den Anforderungen der modernen Arbeitswelt entsprechen – von digitalen Kompetenzen über agiles Arbeiten bis hin zu interdisziplinären Projekten. Damit Betriebe langfristig die besten Talente gewinnen und halten können, ist es entscheidend, ihre Ausbildungsprogramme regelmäßig zu überprüfen und an die schnelllebige Arbeitswelt anzupassen.

LEADERSNET: Für die neue Regierung hat z.l.ö. bereits zahlreiche, konkrete Forderungen formuliert. Wo müsste die Politik ihrer Meinung nach verstärkt ansetzen, um Österreich in den Lehrberufen langfristig gut zu positionieren?

Sandberger: Wir benötigen nachhaltige Maßnahmen, die über eine bloße Imageverbesserung hinausgehen, um Österreich langfristig in den Lehrberufen zu stärken und dem Fachkräftemangel wirkungsvoll entgegenzuwirken. Dabei gibt es mehrere zentrale Forderungen an die Politik: Die Abschaffung der Lehrabschlussprüfungsgebühr ist ebenso wichtig wie eine verbesserte Berufsorientierung an Schulen, die es jungen Menschen ermöglicht, ihre beruflichen Entscheidungen im Einklang mit ihren Talenten zu treffen. Zudem sollte geprüft werden, Lehrlinge unter 18 Jahren von Sozialversicherungsbeiträgen zu befreien, da sie – wie Schüler:innen – über ihre Eltern mitversichert sein könnten. Weitere notwendige Maßnahmen umfassen steuerliche Entlastungen für Unternehmen, die Ausbildungs-Campus oder Lehrwerkstätten aufbauen, sowie die Unterstützung bei internen Ausbildungskosten zur Sicherstellung der Lehrqualität. Schließlich muss auch eine faire Lösung für Lehrlinge in Gebietskörperschaften gefunden werden, um regionale Ungleichbehandlungen zu vermeiden.

www.zukunft-lehre.at

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