In der öffentlichen Diskussion gibt es immer wieder Menschen, die für eine Abschaffung des Bargelds plädieren. Bargeld ist anonym und gesetzlich festgelegtes offizielles Zahlungsmittel. Doch die zunehmende Verbreitung von kontaktlosen Zahlungen in den letzten Jahren drängt Bargeld weiter zurück. Das kontroverse Konzept einer bargeldlosen Gesellschaft sorgt sowohl in den Medien als auch in der Bevölkerung immer wieder für Diskussionspotenzial. Vor diesem Hintergrund hat das digitale Markt- und Meinungsforschungsinstitut Marketagent eine großangelegte Studie mit 26.584 Befragten aus zehn europäischen Ländern (Österreich, Kroatien, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Polen, Spanien und Schweiz) durchgeführt. Diese sollte aufdecken, wie die Bürger:innen zu Bargeld stehen, ob sie sich ein Leben ohne Cash vorstellen könnten und wie sie auf einen Umstieg auf rein elektronische Zahlungsmethoden reagieren würden.
Bargeld bleibt die Nummer 1
Die aktuelle Studie zeigt, dass, auch wenn moderne Zahlungsmöglichkeiten immer stärker Einzug in den Alltag halten, das altbewährte Bargeld in Sachen Beliebtheit die Nummer 1 bleibt. 82 Prozent der Umfrageteilnehmer:innen finden Bares sympathisch und 92 Prozent empfinden es als sicher. Auf Platz zwei im Ranking folgt die Kreditkarte, die von 81 Prozent als sympathisch und von 86 Prozent als sicher wahrgenommen wird. Der direkte Vergleich mit den Teilnehmer:innen aus den anderen neun Ländern zeigt, dass die Österreicher:innen ganz besonders bargeldaffin sind. Hierzulande liegt der Sympathiewert von Münzen und Scheinen liegt bei 91 Prozent. Die Kreditkarte schafft es zum Vergleich in Österreich auf 75 Prozent.
Neuere Zahlungsmethoden schneiden europaweit von West nach Ost dagegen deutlich schlechter ab. Mobile Payment, bei dem mittels Smartphone oder Smartwatch gezahlt wird, finden immerhin 61 Prozent der Befragten sympathisch bzw. 63 Prozent als sicher, Krypto- und digitale Währung können dagegen mit 21 Prozent in Sachen Sympathie und 25 Prozent in Sachen Sicherheit kaum überzeugen.
Durchschnittlich 45 Prozent der alltäglichen Zahlungen werden mit einem Griff ins Börserl beglichen, die restlichen 55 Prozent entfallen auf elektronische Zahlungsmittel wie Kreditkarte, Onlineüberweisung und PayPal. Auch hier zeigt sich der Unterschied zwischen Österreich und dem Rest. Die Österreicher:innen bezahlen im Schnitt noch etwas mehr als die Hälfte (51 Prozent) ihrer Ausgaben in Cash. Einigkeit herrscht hingegen, dass Bargeld Tradition hat. 56 Prozent sehen diese Aussage als korrekt. Neben pragmatischen Ansätzen, wie der dadurch gegebenen Anonymität mit 49 Prozent und der praktischen, unkomplizierten Verfügbarkeit mit 44 Prozent, schwingt auch eine emotionale Komponente mit. 45 Prozent der Studien-Teilnehmer:innen bekommen durch Bargeld das Gefühl vermittelt, etwas "Greifbares" zu besitzen, für 41 Prozent vermittelt Cash "Unabhängigkeit". Im Speziellen der Faktor Anonymität wiegt für 65 Prozent der Österreicher:innen deutlich stärker als für die europäischen Nachbarn mit 49 Prozent.
Als sicher wahrgenommene Zahlungsmittel © Marketagent
Akzeptanz, Anonymität und Trinkgeld
68 Prozent der Österreicher:innen und 63 Prozent aus den übrigen europäischen Ländern schätzen an Bargeld vor allem, dass es nahezu überall akzeptiert und dank fehlender elektronischer Aufzeichnung die eigene Anonymität gewahrt wird (Europa-Auswahl 55 Prozent und Österreich: 66 Prozent). Ein weiterer Vorteil für die heimischen Befragten ist, dass es mit Bargeld ganz einfach ist, Trinkgeld zu geben. 68 Prozent der Österreicher:innen heben diesen Faktor positiv hervor. In Europa sind es 53 Prozent.
Nur zwei Prozent tragen im Länder-Durchschnitt gar kein Bargeld bei sich, im Mittel (Median) befinden sich quer über Europa aktuell 50 Euro im Portemonnaie. Die bargeldaffinen Österreicher:innen haben mit im Mittel 80 Euro ein paar mehr Scheine in der Tasche.
Skepsis gegenüber einer bargeldlosen Zukunft
Trotzdem gaben sechs von zehn Befragten an, heute seltener bar zu zahlen als noch vor zehn Jahren. „Auch wenn der Trend im Allgemeinen hin zu elektronischen Zahlungsmethoden geht, gilt für viele weiterhin der Grundsatz ‚Nur Bares ist Wahres'. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) kann sich eine bargeldlose Gesellschaft in ihrem Land nicht vorstellen. In Österreich halten dies sogar fast zwei Drittel (64 Prozent) für ausgeschlossen", sagt Thomas Schwabl, Gründer und Geschäftsführer von Marketagent.
Das Jahr 2040 (Mittelwert) wird als realistischer Zeithorizont für die Umsetzung einer völlig bargeldlosen Gesellschaft genannt. Europaweit würden 58 Prozent diese Entwicklung wenig bis gar nicht begrüßen, lediglich 25 Prozent outen sich als Befürworter:innen. Im Einklang mit den bisherigen Ergebnissen steht man in Österreicher einer bargeldlosen Gesellschaft besonders kritisch gegenüber: Fast 73 Prozent würden diese ablehnen.
Trotz der Skepsis gegenüber einer Abschaffung von Cash glauben europaweit 57 Prozent, dass ihnen der Umstieg auf bargeldlose Zahlungen kaum Schwierigkeiten bereiten würde. Vier von zehn Österreicher:innen gehen davon aus, dass sie mit einem kompletten Verzicht auf Bargeld Probleme hätten. In Anbetracht dessen verwundert es kaum, dass die Österreicher:innen ihren Scheinen und Münzen ganz besonders hinterhertrauern würden. 85 Prozent würden Bargeld vermissen, davon 60 Prozent sogar stark. Im europäischen Ländermix hängt man zwar etwas weniger am Cash, doch auch hier würden 75 Prozent die Mäuse im Börserl fehlen.
Technischen Ausfälle, Kriminalität und Verlust der Anonymität
Neben dem Trennungsschmerz macht den Befragten vor allem technische Defekte und der mögliche verwehrte Zugriff auf das eigene Geld sorgen. (Österreich: 70 Prozent). 60 Prozent fürchten eine Zunahme von digitaler Kriminalität. Als kritisch wird zudem erachtet, dass die neuen Technologien speziell älteren Personen Schwierigkeiten bereiten können. 55 Prozent sehen das so. Auch die fehlende Anonymität mit 51 Prozent sowie vollständige elektronische Erfassung (und mögliche Überwachung) aller Transaktionen (47 Prozent) tauchen hier wieder als Kritikpunkte auf. 50 Prozent im Europa-Vergleich 39 Prozent würden es außerdem bedauern, wenn es nicht mehr möglich wäre, jemandem ein bisschen Geld zuzustecken.
Den größten Vorteil sehen 43 Prozent darin, dass sie nicht mehr in Gefahr laufen würden, Falschgeld zu erhalten. Für das Kassenpersonal würde die Umstellung auf rein elektronische Zahlungen eine Vereinfachung bedeuten (42 Prozent) und ebenso könnten Fehler beim Herausgeben von Wechselgeld vermieden werden (36 Prozent). 39 Prozent finden zudem bargeldlose Bezahlung praktisch, einfach und schnell. 16 Prozent können dem Verzicht auf Bares keinerlei Vorteile abgewinnen.
Werden die antizipierten Vor- und Nachteile einer bargeldlosen Gesellschaft gegeneinander aufgewogen, zeichnet sich ein klares Bild. In den befragten europäischen Ländern denken 47 Prozent, dass die Nachteile überwiegen würden. In Österreich ist das Ergebnis noch deutlicher: hier rechnen sechs von zehn mit mehr Mängeln als Nutzeffekten.
Die Bevölkerung scheint also nicht bereit, sich in naher Zukunft vollständig vom Bargeld zu verabschieden.
www.marketagent.com
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