Mein letzter Gastkommentar liegt nun über drei Wochen zurück, und ich hoffe, dass Sie, geschätzte Leser:innen, diese Zeit für einen erholsamen Sommerurlaub nutzen konnten (...und vielleicht meine Beiträge sogar ein wenig vermisst haben).
Ich selbst habe die vergangenen Wochen vor allem in Salzburg verbracht und dabei die wunderschöne Kultur sowie zahlreiche interessante und inspirierende Gespräche genossen. Leider hat sich die weltpolitische Lage während dieser Zeit nicht verbessert. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine dauert nun schon fast zweieinhalb Jahre an und wird immer brutaler geführt. Im Nahen Osten droht eine erhebliche Eskalation des Konflikts. In Deutschland zeichnet sich bei den kommenden Landtagswahlen in den neuen Bundesländern ein besorgniserregender Rechtsruck ab. Wenigstens konnten wir uns an den Olympischen Spielen in Paris erfreuen, und in den USA scheinen die Demokraten mit dem neuen Duo Harris/Walz eine realistische Chance gegen die Republikaner Trump/Vance zu haben. All diese Themen würden – zu einem späteren Zeitpunkt – ausreichend Stoff für eigene Gastkommentare liefern.
In den zahlreichen Gesprächen, die ich in den letzten Wochen geführt habe, ist ein Thema immer wieder aufgekommen, das auch mich beschäftigt: die wirtschaftliche Lage in Europa, insbesondere in Deutschland und Österreich. Es steht meiner Meinung nach außer Frage, dass wir uns seit geraumer Zeit in einer Rezession befinden und dass, wenn wir so weitermachen, eine Erholung der Wirtschaft nicht möglich sein wird. Im Hinblick auf die Nationalratswahl am 29. September 2024 habe ich mir die wirtschaftspolitischen Programme der Parteien angesehen. Auf der rechten Seite findet sich bis jetzt zumindest kaum ein Programm, allenfalls rudimentäre Ansätze aus dem Jahr 2017. Viele kleinere Parteien, wie etwa die Bierpartei, bieten ebenfalls keine klaren wirtschaftspolitischen Konzepte. Auf der linken Seite sind bei SPÖ und KPÖ nur ansatzweise sozialromantische Vorstellungen zu erkennen. Nur bei den Mitte-rechts-Parteien lassen sich nachvollziehbare Punkte finden. Angesichts der Bedeutung dieses Themas überrascht mich das sehr. Daher möchte ich aus meiner Sicht die wichtigsten Punkte darlegen, die für die wirtschaftliche Entwicklung notwendig sind.
Notwendige Schritte
Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, dass unser aller Wohlstand, und damit auch die Möglichkeit, jene zu unterstützen, die es benötigen, auf Arbeit, Leistung und Wachstum beruht. Wenn dem so ist, folgt daraus doch logisch, dass wir all diese Faktoren unterstützen müssen. Das bedeutet aber auch, dass Umverteilungsphantasien ausgeschlossen werden sollten, da sie den Wohlstand und die Leistungsbereitschaft zumindest einschränken. Was ist also notwendig?
- Bürokratieabbau: Bürokratie blockiert Leistung und Entwicklung. Obwohl alle Politiker:innen den Abbau der Bürokratie versprechen, wird dies selten umgesetzt. Es bedarf a) einer gründlichen Überprüfung bestehender Gesetze und Regelungen mit dem Ziel, alles Unnötige abzuschaffen, und b) neuer Regelungen, die nur bei wirklicher Notwendigkeit und mit Verfallsklauseln (Sunset Clauses) eingeführt werden sollten.
- Mehr Eigenverantwortung: Wir müssen uns von einem "Nanny-State" hin zu mehr Eigenverantwortung bewegen. Dazu gehört auch, dass wir unseren Wohlfahrtsstaat überdenken. Wir brauchen weniger, nicht mehr Staat. Eine radikale Reform des Pensions- und Sozialsystems ist notwendig, ebenso wie Anreize für private Vorsorge.
- Leistung muss sich lohnen: Das bedeutet, wir brauchen niedrigere Steuern und Abgaben, damit mehr Netto vom Brutto bleibt. Teilzeitarbeit sollte nicht attraktiver sein als Vollzeitarbeit. Die soziale Absicherung darf nicht dazu führen, dass Nicht-Arbeiten attraktiver ist als Arbeiten.
- Fachkräftezuwanderung: Wir brauchen ausländische Fachkräfte und eine gesteuerte Zuwanderung, die von einer funktionierenden und fordernden Integration begleitet wird. Eine Immigration in die Sozialsysteme sollte nicht gefördert werden.
- Weniger Steuern und Abgaben: Insgesamt benötigen wir weniger Steuern und Abgaben und sicherlich keine neuen Steuern, sei es auf Vermögen oder andere Bereiche.
- Bessere Bildung: Ein besseres Bildungssystem unter dem Motto "Fördern und Fordern" ist unerlässlich.
- Änderung der Einstellung zum Staat und Gemeinwesen: Nach dem Motto von Kennedy "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst" sollten wir beispielsweise über eine Dienstpflicht nachdenken.
Position hinterfragen
Auch die oft vorhandene österreichische Mentalität "Wasch mich, aber mach mich nicht nass" sollten wir überdenken. Wenn Österreich in der Welt "mitspielen" und sich wirklich verteidigen möchte, muss es seine Position, wie etwa die Neutralität, zumindest hinterfragen.
Meine geschätzten Leser:innen, das ist nach drei Wochen sicherlich "harter Stoff", und ich habe sicher viele Punkte, wie etwa die Energiesicherheit, vergessen. Vielleicht stimmen Sie mir auch nicht in allen Punkten zu, was durchaus in Ordnung ist. Aber ich glaube, wir müssen all diese Themen diskutieren. Die Parteien müssen sich hierzu und auch zu unangenehmen Fragen positionieren, damit wir wissen, warum wir sie wählen. Denn eines scheint mir klar, und das sagt einem auch schon der gesunde Menschenverstand: Es kann nicht so weitergehen, sonst werden wir wahrscheinlich nicht nur wirtschaftlich weiter zurückfallen. Wir werden Einschnitte und Reformen brauchen, wenn wir aus der Rezession raus wollen und sich die Wirtschaft erholen soll.
Mit Ende der Urlaubszeit wird wohl auch der Wahlkampf deutlicher spürbar werden – der Herbst wird vermutlich ein heißer, und zwar unabhängig von den Außentemperaturen. Was sie bis Ende September jedenfalls noch öfter von mir lesen werden, ist, dass wir nicht nur vor den Wahlen aktiv und laut sein müssen, und dass wir unser Wahlrecht unbedingt wahrnehmen müssen, denn es liegt am Ende auch an uns, die Demokratie und damit die Wirtschaft zu stärken.
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