Die Zeugnisse sind verteilt und die Schüler:innen im Osten konnten bereits die erste Ferienwoche in vollen Zügen genießen, für alle anderen geht es diese Woche so richtig los. Und nicht nur die Schüler:innen freuen sich, sondern auch die Lehrkräfte schnaufen erst mal kräftig durch. Und wie jedes Jahr zu Beginn der Sommerferien wird in Österreich diskutiert, ob diese neun Wochen nicht eigentlich viel zu lange sind, also schauen wir uns das mal genauer an.
Aufwändiges Projektmanagement
Bei den Eltern mag die Begeisterung zweigeteilt sein, einerseits freut man sich selbst auf die Ferien und vor allem auch auf die gemeinsame Zeit. Aber bei fünf, vielleicht auch sechs Wochen Urlaubsanspruch, die man ja nicht am Stück im Sommer konsumieren kann und möchte, stellt sich zwangsläufig die Frage, wie sich in der restlichen Zeit eine vernünftige Kinderbetreuung realisieren lässt. Hier startet für viele ein aufwändiges Projektmanagement, das teilweise mit Kosten verbunden ist, die schon gar nicht alle stemmen können.
Option A: Betreuungspflichten innerhalb der Familie aufteilen, also Großeltern, Onkel, Tanten etc. ist für die einen machbar, für die anderen wiederum nicht – ganz zu schweigen von den Abstimmungsherausforderungen getrennt lebender Elternteile oder dem kompletten Fehlen dieser Option für Alleinerzieher:innen. Also Plan B: ein Sommerkurs oder Feriencamp, welches sicher spaßig und auch lehrreich sein kann, allerdings mit Kosten verbunden ist, die auch nicht für jeden leistbar sind. Dritte Möglichkeit, die allerdings nur für schon ältere Kinder klappt: ihnen ihre "Freiheit" lassen und darauf vertrauen, dass sie keinen Blödsinn anstellen.
"Die" optimale Lösung gibt es nicht
Sie merken schon, alle Optionen sind mit einem großen "Aber" versehen und "die" optimale Lösung für alle gibt es nicht. Es ist ja zudem unbestritten, dass Ferien nicht nur für die Kinder, sondern auch für das Lehrpersonal wichtig sind. Über die Dauer lässt sich indes jedes Jahr aufs Neue diskutieren, und es gibt viele Argumente, die dagegensprechen. Zu den oben bereits genannten gesellt sich allen voran die Vergessenskurve, die besonders weniger gute Schüler:innen ungleich härter trifft. Zusätzlich verschärft wird dieses Phänomen, wenn die Kinder aufgrund der Arbeitspflichten ihrer Eltern zu den Großeltern ins Ausland geschickt werden, wo sich mühsam erlernte Deutschkenntnisse auch nicht gerade verbessern. Aber auch Musterschüler:innen tun sich manchmal schwer, nach so langer "Brachezeit" wieder ins Tun, ins Lernen zu kommen.
Neun Wochen sind einfach eine unfassbar lange Zeit, die sich einfach besser verteilen ließen. Gerade rund um die Urlaubszeit tauchen – gleichzeitig zu den Diskussionen um die Feriendauer – Studien auf, die beschreiben, dass ein Erholungseffekt nach zwei, besser noch drei Wochen, eintritt. Legte man den Schüler:innen und Lehrer:innen noch eine vierte, meinetwegen fünfte Woche drauf und verteilte die vier bzw. fünf restlichen Wochen auf andere Art und Weise um, dann könnte das sonst unter dem Jahr für manche zu dicht gedrängte Programm entzerrt werden. Lernstoff und Lehrpläne könnten angepasst werden, um dringende Lücken im Schulsystem zu füllen. Es könnten auch informelle Formate, wie Projekt- und Kennenlerntage oder Teambuilding ausgeweitet werden, die sich nicht nur auf die sozialen Kompetenzen der Kinder positiv auswirken würden, sondern auch den Lehrkräften unterschiedliche Perspektiven auf die Stärken und Bedürfnisse ihrer Schützlinge abseits der reinen Notengebung eröffnen könnten.
Es ließen sich noch viele Argumente finden, wie sich ein verbessertes Zeitmanagement positiv auswirken könnte, doch ist klar: Dies allein wird das Bildungssystem in Österreich nicht ganz auf Vordermann bringen. Dafür liegt zu viel im Argen und wie auch beim Gesundheitssystem pumpt Österreich im EU-Vergleich extrem hohe Mittel ins Bildungssystem – jedoch mit nur mittelmäßigen Erfolg.
Der Vorschlag der gesamten Verkürzung der Ferien scheint daher in mehrerlei Hinsicht wirkungsvoll – und zwar nicht nur für das Schulsystem, wie oben bereits beschrieben, sondern auch für die Eltern, die ja auch Arbeitskräfte sind. Nicht nur würde es Druck, vor allem infolge der zeitlichen Belastung, von ihnen nehmen, sondern auch schlechtes Gewissen, das sich bei vielen unweigerlich breit macht. Schlechtes Gewissen, das sie auch hindert, ihrer Arbeit – die viele ja trotzdem grundsätzlich gerne machen – gewissenhaft nachzugehen. Beim herrschenden Arbeitskräftemangel sind dies Auswirkungen, die die Wirtschaft aktuell so gar nicht brauchen kann.
"Dritte Instanz"
Und während sich eben diese Wirtschaft in vielen Dingen verändert hat, hängt das Bildungssystem noch in Mechanismen fest, die davon ausgehen, dass es (traditionell männlich) einen Hauptverdiener gibt und (traditionell weiblich) eine, die sich um die Kinder kümmert. Das ist nun mal nicht die Realität von Eltern, und zwar schon lange nicht mehr! Vielleicht braucht es auch eine dritte Instanz, die – meinetwegen von Wirtschaftsverbänden gestützt – hier helfend eingreift und nicht nur Kinderbetreuung im Sinne von "Bespaßung" sondern tatsächlich in Hinblick auf das Gesamtvolumen (an Wissen und Kompetenzen) bietet, welches sich Schüler:innen in dieser Lebensphase aneignen sollten. Es kann jedenfalls nicht (ausschließlich) Aufgabe einzelner Unternehmen sein, auf eigene Initiative und Kosten hier ihren Mitarbeiter:innen Angebote zu unterbreiten.
Und auch, wenn mir völlig bewusst ist, dass ich mich mit meinem Vorschlag weder bei Schüler:innen noch beim Lehrpersonal besonders beliebt mache – das Bildungssystem weist dringenden Handlungsbedarf auf und wir brauchen neue Ideen, die nicht neun Wochen herumdümpeln heißen.
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