Geht die Zoll-Politik nach hinten los?
Wieso sich Trump bei seiner neuen Weltwirtschaftsordnung verspekuliert haben könnte

| Tobias Seifried 
| 06.04.2025

Beim Ziel, den US-Dollar abzuwerten und für eine Reindustrialisierung zu sorgen, hat der US-Präsident laut Ökonomen zwei wesentliche Aspekte nicht bedacht. Mittlerweile hat sich sogar sein Berater Elon Musk für eine Null-Zoll-Freihandelszone zwischen den USA und Europa ausgesprochen.

Mit seiner Ankündigung am "Tag der Befreiung", bei der Donald Trump Strafzölle gegen so gut wie alle Handelspartner der USA angekündigte, hat der US-Präsident nicht nur in der heimischen Wirtschaft für großes Unbehagen gesorgt (LEADERSNET berichtete), sondern quasi der ganzen Welt vor den Kopf gestoßen. Trump möchte eine neue weltpolitische Wirtschaftsordnung etablieren und ist davon überzeugt, dass er damit Amerika wieder reich machen könne. Hierfür nimmt der US-Präsident offenbar auch tiefgreifende Handelskonflikte in Kauf. Erste Gegenreaktionen - u.a. verhängte China umgehend Strafzölle von 34 Prozent auf Einfuhren aus den USA - gab es bereits und weitere sind angekündigt. Doch gibt es ein ökonomisches Kalkül hinter dieser Zollpolitik, die über viele Jahrzehnte etablierte Welthandelskonventionen einfach über Bord wirft? Diese Frage stellen sich derzeit viele Ökonom:innen, Politiker:innen, Unternehmer:innen und Konsument:innen. Schließlich ist mehr oder weniger so gut wie jede:r von den Ankündigungen betroffen. Rund um den Globus sind die Börsen gegen Ende der Woche regelrecht eingebrochen, erste Unternehmen - wie der britische Autokonzern Jaguar Land Rover - exportieren ihre Produkte vorerst nicht mehr in die USA, der weltweite wirtschaftliche Unsicherheit ist laut dem Economic Policy Uncertainty Index höher als während der Corona-Pandemie oder der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 und zahlreiche US-Unternehmen befürchten, dass sie ihre Produkte im Ausland nicht mehr loswerden. 

Das Kalkül von Donald Trump und seinem wirtschaftspolitischen Chefberater Stephen Miran, der seine Pläne für eine neue globale Wirtschaftsordnung bereits im November 2024 kundtat, liegt darin, dass sie davon ausgehen, dass die Funktion des US-Dollars als globaler Reservewährung zu einer chronischen Überbewertung des Dollar-Wechselkurses führt. Dieser überhöhte Wechselkurs verteuert amerikanische Exporte im Rest der Welt und sei nach dieser Ansicht hauptverantwortlich für das große Leistungsbilanzdefizit der USA. Um die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie wieder zu erhöhen, sollen Einfuhren aus anderen Ländern durch Zölle verteuert werden. Trump sprach beispielsweise von der Elektronikindustrie, die seiner Meinung nach früher von den USA dominiert wurde. Diesen Zustand möchte er offenbar mithilfe von Zöllen wieder herstellen. Geht es nach ihm, sollen die Unternehmen ihre Produkte wieder in den USA produzieren, wodurch auch Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Mirans Konzept setzt also auf den Einsatz von Zöllen gegen die strukturelle Überbewertung des US-Dollars mit dem langfristigen Ziel einer Reindustrialisierung.

Wieso sich Trump verspekuliert haben könnte

Da Zölle Importe im Inland verteuern, führen sie oft zu höherer Inflation. Trumps Chefberater geht davon aus, dass jene Länder, die viel in die USA exportieren, ihre Marktanteile dort halten wollen und deshalb die Zölle durch eine Senkung ihres Wechselkurses ausgleichen werden. Die scheinbar einfache Rechnung dahinter: Wenn der Wechselkurs ungefähr um den gleichen Prozentsatz sinkt, um den die Zölle angehoben wurden, ändert sich für den Preis der importierten Güter für die amerikanischen Konsument:innen nicht bis kaum. Die erhoffte Wechselkursänderung des US-Dollars zur Verringerung des Leistungsbilanzdefizits bliebe dann aber auch aus, im Gegenteil, der Dollar würde sogar noch gestärkt. Die weitreichenden Folgen eines Handelskonflikts, in dem andere Staaten ihrerseits Vergeltung für die US-Zölle üben, indem sie Importe aus den USA mit Zöllen belegen, scheinen in diesem Konzept auch nicht mitbedacht worden zu sein. Deshalb könnte sich Donald Trump mit seinen Plänen ordentlich verspekuliert haben. Darauf weisen u.a. auch die beiden Ökonomen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Wolfgang Pointner und Paul Ramskogler, in einem Blogbeitrag hin. 

Für Miran sei diese nachhaltige Überbewertung des US-Dollars die wesentliche Ursache für die Deindustrialisierung der USA, die insbesondere mit Blick auf China und sicherheitsrelevanter Lieferketten zu strategischer Verwundbarkeit führe. Doch auch der Verlust gut bezahlter Industriejobs im sogenannten "Rust Belt" der USA habe dazu geführt, dass viele ehemalige Hochburgen der Demokraten in den letzten Jahren immer öfter republikanisch wählten. Deshalb setzt der Trump-Berater laut den OeNB-Experten auf eine offensive Zollpolitik (siehe Infobox). Zentral wäre in Mirans Plan, dass keine Nation Gegenmaßnahmen wie höhere Zölle gegen US-Importe einführt, was aber bisher nicht der Realität entspricht. Darüber hinaus wären demnach für eine erfolgreiche Reindustrialisierung der USA langfristige Investitionen des Unternehmenssektors über viele Jahre nötig – die, so Pointner und Ramskogler, durch eine unberechenbare Wirtschaftspolitik nicht gefördert werden. Diese beiden Aspekte wurden offenbar nicht bedacht oder ausgeblendet.

"Mar-a-Lago Accord" oder "unkonventionelle Fiskalpolitik"?

Besonders ambitioniert sei Stephen Mirans Vorschlag einer koordinierten Währungsanpassung, die sich offenbar das "Plaza-Abkommen" aus dem Jahr 1985 zum Vorbild nimmt. Hier wäre eine kontrollierte Abwertung des US-Dollars durch international koordinierte Wirtschafts- und Wechselkurspolitik das Ziel. Allerdings waren die am Plaza-Abkommen beteiligten Länder, die damals den Großteil der Dollar-Währungsreserven hielten, laut den Ökonomen enge politische Verbündete der USA. Die Staaten, die heute den Großteil der Dollar-Währungsreserven halten, würden hingegen weniger enge politische Beziehungen zu den USA pflegen: Miran schätzt, dass China zehnmal so viele Dollar-Reserven hält wie der Euro-Raum. Daher erscheine es zumindest fraglich, ob die erforderliche Kooperationsbereitschaft, die 1985 aufgrund der geopolitischen Situation gegeben war, heute durch Drohungen ersetzt werden könne. Trumps wirtschaftspolitischer Berater gehe dennoch davon aus und nennt dieses hypothetische Abkommen den "Mar-a-Lago Accord" - benannt nach Donald Trumps Ferienhaus in Florida. Dorthin begab er sich übrigens auch kurz nach der Zoll-Ankündigung. Für den US-Präsidenten stand nämlich ein Golfturnier am Programm.

Es gibt den Experten zufolge aber auch eine Möglichkeit der Abwertung ohne Kooperation. Hierfür müssten die USA ausländische Währungsreserven kaufen oder auf der Grundlage präsidialer Notverordnungen Gebühren für US-Staatsanleihen von ausländischen Käufer:innen einheben und diese so weniger attraktiv machen. Miran sei sich bewusst, dass eine geringere Nachfrage nach US-Staatsanleihen auch zu steigenden Zinsen führen werde, hoffe aber, diesen Effekt durch eine engere Kooperation zwischen US-Finanzministerium und US-Notenbank abschwächen zu können, schreiben Pointner und Ramskogler.

Provokantes Gegenmodell

Den Ökonomen zufolge liefert Miran mit seinem Konzept ein provokantes Gegenmodell zur bestehenden globalen Handels- und Finanzordnung. Es würden jedoch wesentliche Fragen offenbleiben. Wenn das Ziel der Zollpolitik eine Schwächung des US-Dollars ist, wäre eine Abwertung anderer Währungen kontraproduktiv. Ohne diese Abwertungen führten Zölle aber zu Inflation. Die bestehenden Lieferketten der US-Industrie sind oft grenzüberschreitend. Viele Zulieferbetriebe der amerikanischen Autoindustrie sitzen in Kanada und Mexiko. Zölle auf deren Produkte verteuern daher auch die US-Produktion. Das Risiko, dass andere Länder mit Gegenmaßnahmen auf die amerikanischen Zölle reagieren, halte der Chefberater für gering. Er gehe demnach davon aus, dass Drohungen der USA, ihre Sicherheitsgarantien zurückzuziehen ausreichen, um solche Gegenmaßnahmen zu verhindern. Durch diese Haltung der Trump-Administration drohe aber genau jene Weltordnung destabilisiert zu werden, die die Vereinigten Staaten von Amerika bisher dominiert haben.

Weiters wird darauf verwiesen, dass die unvorhersehbar wirkende Mischung aus Ankündigungen von Zöllen und deren Verschiebung oder Aufhebung einem Politikverständnis entspreche, das die internationale Sicherheits- oder Finanzarchitektur allein danach beurteile, ob sie profitabel ist. Die meisten Drohungen der Trump-Regierung dienten demnach in diesem Sinn nur dem Aufbauen variabler Verhandlungspositionen, ein Vorgehen, das von US-Finanzminister Scott Bessent als "escalate to de-escalate" bezeichnet wird. Dass eine solche Vorgangsweise die internationale Kooperation unterlaufe, die ein "Mar-a-Lago Accord" erfordert, gehe jedoch nicht in diese Betrachtung ein.

Miran selbst erkenne zwar viele Risiken, betrachte diese jedoch kalkulierbar. Ob seine Vorschläge umgesetzt werden, bleibt offen – doch sie geben einen Einblick in das wirtschaftspolitische Denken der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump. "Die Debatte um Zölle, Reservewährung und Währungskoordination wird nicht verschwinden – im Gegenteil, sie könnte die nächsten Jahre prägen", so die OeNB-Ökonomen.

Musk plädiert für Freihandelszone

Unterdessen hat sich am Wochenende auch Elon Musk zu Wort gemeldet. Nachdem es letzte Woche einen Bericht gab, laut dem sich der "Effizienz-Beauftragte" und Großspender von Donald Trump in Kürze als Berater der US-Administration zurückziehen werde (LEADERSNET berichtete), um sich wieder mehr um seine Unternehmen (Tesla, SpaceX und X) zu kümmern, ist er am Samstag mit Trumps Zollpolitik auf Konfrontationskurs gegangen.

Konkret sprach sich der reichste Mensch der Welt in einer Videobotschaft beim Parteitag der rechtspopulistischen italienischen Lega in Florenz für die Schaffung einer Freihandelszone zwischen Nordamerika und Europa aus. Das wäre genau das Gegenteil von Trumps aktueller Politik. Geht es nach Musk, sollten die Vereinigten Staaten und Europa idealerweise zu einer "Null-Zoll-Situation übergehen, um so eine Freihandelszone zwischen Europa und Nordamerika zu schaffen". Trump hat sich bisher nicht zu der Aussage geäußert.

Fazit

Ob sich der US-Präsident noch umstimmen lässt, oder ob es mit diversen Handelspartnern im Zuge des Zollkonflikts zu den von ihm so geliebten "Deals" kommt, werden die kommenden Wochen und Monate zeigen. Zunächst scheinen seine Pläne, die USA wieder reich zu machen und die Inflation im eigenen Land zu senken, nicht aufzugehen. Was er mit seiner desruptiven (Zoll-)Politik aber zumindest geschafft hat, ist es, bei Menschen, Unternehmen, Finanzplätzen, etc. rund um den Globus für ein hohes Maß an Unsicherheit zu sorgen. Wenn es Trump vor allem darum gehen sollte, das geopolitische Weltgefüge zu destabilisieren, hat er aus seiner Sicht bisher alles richtig gemacht.

www.oenb.at

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