"Erfolgreich künstliche Intelligenz zu erschaffen wäre das größte Ereignis in der Geschichte der Menschheit. Leider wäre es vielleicht auch das letzte": Stephen Hawking
Seit dem Hype um ChatGPT ist der Begriff Künstliche Intelligenz in aller Munde und gilt als das non plus ultra der fortgeschrittenen Gesellschaft. Dabei sind Big Data und reaktive Maschinen längst Teil unseres Alltags. Denken Sie nur an Schachcomputer, Smartphone-Assistenten oder auch selbstfahrende Autos. Software durchforstet eingespeicherte Datensätze, kann vergangene und aktuelle Daten betrachten, kennt Verkehrsregeln, weiß wie Autos fahren, wie Menschen und Radfahrer:innen aussehen. Erleichterungen im menschlichen Alltag durch solche Anwendungen sind offensichtlich, aber nicht spektakulär. Auch ChatGPT sucht immer nur das nächste mögliche Wort oder Pixel auf Basis des zugängigen Datenmaterials. Nicht mehr und nicht weniger – nur genauer als bisher bekannt. Stellen Sie die idente Frage mehrmals hintereinander und Sie erhalten unterschiedliche – wenn auch realistisch erscheinende – Antworten. Das hat noch nichts mit der vom KI-Guru Sam Altman propagierten Artificial General Intelligence (AGI) zu tun, die immer komplexere Aufgaben ohne menschliches Zutun löst.
Düstere Schatten
Nichtsdestotrotz sehen viele düstere Schatten am Horizont aufziehen. So flammt die öffentliche Debatte über tiefgreifende Konsequenzen einer Künstlichen Intelligenz, welche die menschliche Intelligenz überflügelt, immer häufiger in Medienkanälen und Diskussionsforen auf. Denn viele der propagierten Helferlein haben Lenkungsrechte, führen uns, ändern unser Selbstverständnis gegenüber der äußeren und inneren Welt. Die Frage nach Regulierung und Kontrolle ist mehr als berechtigt, kommt vermutlich aber schon zu spät. Und unweigerlich stellt sich die Frage : Cui bono. Denn immer klarer zeigt sich, dass der Einsatz unregulierter KI-Entwicklungen insbesondere der Machtkonzentration der KI-Industrie und ihrer Multiplikatoren dient.
Werden wir also zu rechtlosen Nutzer:innen oder, schlimmer noch, gelangen wir durch scheinbare Vorteile von Anwendungen in einen Strudel aus Abhängigkeiten, der unsere Existenz bestimmt? Kann Künstliche Intelligenz so etwas? Auf der Suche nach Antwort sollten wir zuvorderst klarlegen, wie wir Intelligenz definieren. Intelligenz ist die Fähigkeit, komplexe Informationen zu verstehen, abstrakt zu denken und daraus zweckgebundenes Handeln zu generieren. Darauf basierend wird Künstliche Intelligenz zur Fähigkeit einer Software, die "Welt" wahrzunehmen, Selbstbewusstsein zu entwickeln und aufgrund von Lernprozessen Verbesserungen zu generieren, inklusive Parameter wie Umfeld, Zeit und Erinnerung.
Navigieren wir zwischen möglichen Zukunftspotenzialen, so zeigt sich ein weiteres Phänomen: Privatsphäre existiert nicht mehr. Dazu kommt die oft unglaubliche Arroganz der Entwickler:innen, die sich mit Aussagen wie "Uns kann man nichts vorwerfen. Wir haben nur die Komplexität höhergeschraubt" aus dem Staub machen. Erschreckenderweise liegen sie damit gar nicht so falsch, denn in der Hoffnung, dass höhere Intelligenz alles besser macht, hat sich ein bedeutsamer Teil der Bevölkerung ohnehin bereits unterworfen und ihre Zustimmung zu Datenraub und Manipulation gegeben.
Ruf nach Regulierung
Zeitgleich wird aber auch der Ruf nach Regulierung immer lauter. Aber kann KI überhaupt reguliert werden? Eher nein. Die Neugierde der Wissenschaft ist zu groß, die Politik keucht bestenfalls hinterher. Und die Exekutiven? Sie sind logischerweise gegen eine Regulierung in der Hoffnung, den Kontrahenten den bedeutsamen Schritt voraus zu sein. Diese Branche ist das neue Gold. Nicht ohne Grund bewerben sich große US-Firmen wie IBM, Google etc. um Aufträge bei Militärs und Strafverfolgung.
Aktuell wird vorhandenes Wissen endlos vervielfältigt. Diese Vielfältigkeit generiert neuronale Netze, die für Spracherkennung und Videobearbeitung schon in Telefonen unbemerkt arbeiten. Aber das sind wohl nur Nebenprodukte auf dem Weg zum Ziel: Lernen, wie das Lernen verbessert werden kann. Wie sich die KI selbst etwas beibringen kann. Wie sie Fragen stellen kann und lernt, Antworten zu erhalten. Es ist der Weg der Evolution, bei dem Millionen Versuche irgendwann zu einem Ergebnis führen, dem wir nicht mehr kontern können. Am Ende könnte tatsächlich die Artificial General Intelligence AGI stehen, die ein eigenes Wesen mit eigenen Zielen darstellt. Ob diese mit unseren Zielen übereinstimmen? Fraglich.
Darüber hinaus verschleiert das Selbstlernen der KI auch ihre Funktionsfähigkeit. Sie ist nicht mehr determiniert. Sie erhält ihre Intelligenz in einer Blackbox, in die wir nicht Einsicht nehmen können. Wir haben also keine Ahnung, wie sie funktioniert. Das macht sie tatsächlich gefährlich. Wir erschaffen Technologie, die Technologie erschafft. Der Heilige Gral soll alles besser können als wir. Und das wird er auch. Alles nur eine Frage der Zeit. Daher müssen wir rechtzeitig zurücktreten, um einen freien Blick auf das Geschehen zu erhalten. Wir dürfen nicht wie im Höhlengleichnis des Platon gefesselt dasitzen und das Geschehen als bloße Schatten an der Wand betrachten. Wir müssen uns aber auch befreien wollen, wohl im Wissen, dass wir dabei auch in das die Schatten werfende Feuer blicken müssen. Aber die Zeit drängt. Denn was hält Menschen ab, autonome Maschinen zum Einsatz zu bringen? Und was hält autonome Maschinen ab, sich zusammen zu schließen und als Schwarmleistung zu agieren?
Wir schwanken also zwischen Argwohn und Euphorie, zwischen El Dorado und Terminator. Unbestritten leistet KI aktuell einen enormen positiven Beitrag beim Lösen großer Herausforderungen. Dazu gehören Medizin, Unterricht, Industrie, Cybersicherheit, persönliche Assistenten oder Internet der Dinge. Insbesondere Erfolge sind im Bereich der Analytik beim Durchforsten großer Datenmengen zur Mustererkennung zu verzeichnen. So können uns Algorithmen in der Medizin helfen, gesund zu werden oder gesund zu bleiben. Hautkrebs kann heute bereits von Maschinen besser beurteilt werden als von einem Arzt. Oder die Sicherheit im Verkehr. Algorithmen durchlaufen rasend schnell technologische Entwicklungen. Bildgeneratoren erschaffen Bilder aus Spracheingaben. Sie generieren eine neue Realität. Aber damit auch Fakes wie den Papst im weißen Daunenmantel als spektakuläres aber ungefährliches Ergebnis. Trotzdem : Aktuell arbeiten Bildprogramme noch auf Anweisung. In der gewünschten Zukunft wird das Programm ein Bild erdenken.
Privatsphäre existiert nicht mehr
Probleme zu lösen bedeutet auch immer, Probleme zu schaffen. Dabei überholt die Technologie regelmäßig die Gesellschaft und ihre Strukturen. Die Kommunikationsökonomie bestimmt, wer profitiert und wer nicht. Es scheint unfassbar, dass nur noch Bits und Bytes verkauft werden. Überwachungsmaschinen und Datenhändler haben Hochsaison. Wir stehen vor einem Beeinflussungsdilemma durch süchtig machende Technologien. Vermittels Handychecking werden festgestellte Vorlieben verstärkt und entsprechende Botschaften immer und immer wieder zugestellt. Gefangen im eigenen Echoraum sind Polarisierung und Radikalisierung die logischen Folgen. Die Frage, welche Gesellschaft wir haben wollen, wird sich bald gar nicht mehr stellen. Der Missbrauch von Überwachungsdaten liegt nahe. Privatsphäre existiert nicht mehr. Eine Handvoll Menschen in einer Handvoll Unternehmen lenken das Denken von Milliarden Menschen. Das ist bereits Realität. Was ist der nächste Schritt?
Datengetriebene Gesellschaft
Wir leben in einer datengetriebenen Gesellschaft. Staat, Militär und Polizei forcieren den Einsatz großer Datenmengen zur Gewährleistung von Sicherheit. Datensammler sind die Goldgräber des Jetzt. China setzt Kameras als Datengeneratoren ein und verknüpft diese mit einer Plattform zur Gesichtserkennung. Die bereits als Aberglauben und Rassismus abgetane Frenologie scheint erneut zum Leben erweckt. Jetzt soll der Algorithmus aus der Gesichtsstruktur die sexuelle Orientierung eines Menschen ablesen! KI soll Voraussagen zu möglichen Verbrechen erstellen, die Polizei auf Basis der Voraussage agieren, festgestellte Aktivitäten wieder in das System zurückfließen. Wir navigieren zwischen möglichen Zukunftspotentialen. Zwischen rosarot und rabenschwarz. Dabei ist die Entwicklung immer von Investoren abhängig, die sich Rechte – an was auch immer – sichern. Das Wohlergehen der Menschen steht also dem finanziellen Erfolg gegenüber. Der wiederum könnte durch den enormen Energieverbrauch neuronaler Netze entscheidend gebremst werden. Scheitert diese Zukunft vielleicht daran? Wie auch immer, die Effizienz unserer Anstrengungen steigt. Seit 100 Jahren wird körperliche Arbeit immer überflüssiger. Mit Einsatz der KI wird menschliche Intelligenz immer überflüssiger. Das kann zu Millionen Arbeitslosen und sozialen Konflikten führen oder zu einem Leben im gelobten Land.
KI – eine Geschichte von Macht und Rasanz, sie ist noch lange nicht zu Ende erzählt.
Künstliche Intelligenz hat das Potential, fast jeden Aspekt unseres Lebens zu verbessern. Sie birgt aber auch ernsthafte Risiken : Sam Altman, Mai 2023, vor dem US-Kongress.
www.wko.at
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