Kurz nachdem ein Strategiepapier vom Sora-Institut für SPÖ-Chef Andreas Babler geleakt wurde, hat der ORF die Reißleine gezogen und seine Zusammenarbeit rund um die Wahlberichterstattung (Wahlforschung, Hochrechnungen, Analysen) mit dem Meinungsforschungsinstitut beendet - und zwar mit sofortiger Wirkung, wie der ORF am Mittwoch in einer Aussendung mitteilte.
Publik wurde das 42-Seiten umfassende Strategiepapier mit dem Titel "Das Wahljahr 2024 – Strategische Überlegungen", weil es von Sora versehentlich an 800 Personen verschickt wurde. Insgesamt werden darin sieben Wahlen des nächsten Jahres behandelt - inklusive Nationalrats-, EU-Parlaments-, Arbeiterkammer-Wahl und zwei Landtagswahlen (Steiermark und Vorarlberg).
Glaubwürdigkeit und Objektivität stehe auf dem Spiel
Aufgrund des bekannt gewordenen Strategiepapiers von Sora-Leiter Günther Ogris für die SPÖ sei für den ORF eine weitere Zusammenarbeit rund um die Wahlberichterstattung (Wahlforschung, Hochrechnungen, Analysen) nicht mehr möglich und werde daher mit sofortiger Wirkung beendet. "Insbesondere bei Wahlen sind Glaubwürdigkeit und Objektivität in der ORF-Berichterstattung von essenzieller Bedeutung, auch jeglicher Anschein von Einseitigkeit muss unterbunden werden", so der öffentlich rechtliche Sender.
Gleichzeitig wies der ORF aber auch drauf hin, dass die vergangenen Hochrechnungen von Sora äußerst präzise waren und niemals irgendein Indiz für eine parteipolitische Einseitigkeit gegeben gewesen sei.
Stellungnahme von Sora
Mittlerweile hat sich auch Sora in der Causa zu Wort gemeldet. In einer Mitteilung heißt es: "Günther Ogris arbeitet seit Jahrzehnten neben seiner sozialpolitischen Forschung und Wahlforschung auch an strategischen Modellen. Bei der nun veröffentlichten Unterlage handelt es sich um eine Hypothesensammlung und Vorversion einer Gesprächsunterlage von Günther Ogris mit persönlichen Überlegungen für eine eventuelle Beratungstätigkeit, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt war. Es besteht dazu auch kein Auftrag der SPÖ."
Sora habe als Institut 22 Mitarbeiter:innen mit unterschiedlichen Orientierungen, Expertisen und Forschungsfeldern und arbeite seit 27 Jahren mit international anerkannter wissenschaftlicher Qualität und methodischer Sorgfalt. Die Arbeit erfolge privat und unabhängig für viele unterschiedliche öffentliche Kund:innen, heißt es weiter. Dass Institute sowohl in der Analyse als auch in der Beratung tätig sind, sei laut Sora international Standard.
Reaktionen von FPÖ und ÖVP
Kurz bevor der ORF die Zusammenarbeit aufkündigte, meldete sich von Seiten der FPÖ Generalsekretär Christian Hafenecker zu Wort: "So wie es aussieht, sind Sora, SPÖ und ORF ziemlich beste Freunde. Das kann für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht so bleiben. Der ORF muss unabhängig sein. Wenn dann aber ein Institut wie Sora seit Jahren vom ORF für diverse Hochrechnungen und andere Analysen rund um Wahlgänge durchführt, deren Chef aber gleichzeitig einen Deal zur Beratung der neuen SPÖ-Spitze an Land ziehen will, dann ist das ein mehr als schiefes Bild." Der ORF müsse Sora vor die Tür setzen, so Hafenecker, denn dieses Institut habe sich mit diesem Strategiepapier disqualifiziert, um weiter für das Medienunternehmen arbeiten zu können.
Kurt Egger, Mediensprecher der Volkspartei, spricht von einem richtigen Schritt: "Es ist die richtige Entscheidung, dass der ORF seine Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Sora einstellt. Denn es ist schlichtweg nicht miteinander vereinbar, dass das Meinungsforschungsinstitut, auf dessen Hochrechnung und Wahlanalysen der zur Objektivität verpflichtete ORF zurückgreift, für die SPÖ ein geheimes Strategie-Papier erstellt. Festzuhalten ist, auch dass sich in diesem Papier eine Vielzahl an bemerkenswerten Details finden." Laut Egger stelle sich etwa die Frage, was die darin beschriebene Kooperation zwischen Sora und der SPÖ an Wahltagen zu bedeuten hat und welche Auswirkungen das auf die Kooperation mit dem ORF gehabt habe. Der Vertrag solle offengelegt werden.
www.sora.at
www.orf.at
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