In letzter Zeit wurde heftig darüber gestritten, was "normal" ist und was nicht, und wer dies festlegen darf. Als jemand, der schon ein paarmal im Leben miterlebt hat, wie sich allgemein gültige Parameter grundsätzlich änderten, habe ich mir dazu ein paar Gedanken gemacht:
Die Wahrheit und die Normalität sind, so kommt mir vor, Schwestern – jeder versteht unter ihnen etwas anderes, jeder glaubt, er kenne sie. So kann man die Worte André Gides "Vertrauen Sie denen, die nach der Wahrheit suchen, und misstrauen sie denen, die sie gefunden haben." auch auf die Normalität beziehen. Wir müssen uns die Personen, die ihre Vorstellung als die einzige gültige verstehen, genauer ansehen: Was versteht ein Blinder von der Farbe? Was ein Abstinenzler vom Wein? Ein Vegetarier vom Schnitzel?
Paul Watzlawick hat uns erklärt, dass zwischen zwei Wirklichkeiten entschieden, und zwar 1. und 2. Ordnung: Wasser ist flüssig, Zucker ist süß entspricht einer 1. Ordnung, die 2. Ordnung hängt ab von verschiedenen Bedeutungszuweisungen, abhängig von Werten und Sinnen. Hier ist eine absolute Definition nicht möglich.
Ein Blick auf die Weltkarte zeigt deutlich, dass es nicht normal ist, wenn man sich auf einer Schnellstraße in Schwechat festpickt, während gleichzeitig in China zwanzig Flughäfen eröffnet werden. Es ist nicht normal für einen Republikaner, demokratische Grundsätze willkürlich einzuschränken oder sich eigenmächtig darüber hinwegzusetzen. Es ist nicht normal, Ausnahmen als Standard zu definieren und Standards als veraltete Ausnahmen – das wäre verkehrte Welt.
Damit man mich nicht falsch versteht: Wir brauchen Experimente und Innovation. Trial and Error, anders entwickelt sich die Menschheit nicht weiter. Aber der Fanatismus einer radikalen Minderheit hat noch nie etwas Positives hervorgebracht, mit so häufigen Desastern, dass man von weiteren Experimenten absehen kann. Von daher schätze ich Personen, die in Generationen planen und nicht kurzfristigen Modespäßen nacheilen. Als selbständige Unternehmen müssen wir bereit sein, die Konsequenzen ihres eigenen Handelns zu tragen und nicht nur von anderen etwas Fordern.
Wir können nicht das Auseinanderbrechen der Gesellschaft und den steigenden Egoismus ihrer Mitglieder kritisieren und gleichzeitig sämtliche, von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung als sinnvoll erachtete Verhaltensweisen über Bord schmeißen. Ein gewisses Maß an Normalität sorgt für Sicherheit, Wohlbefinden und Stabilität. Von daher brauchen wir Richtlinien und Standards, die nun einmal von der Mehrheit festgelegt werden, was in der Natur der Sache liegt. Sie müssen mit Sachverstand und Augenmaß geregelt sein und an die Lebenswirklichkeit angepasst sein.
Durch "Don't talk the talk but walk the walk." wird aus einem Spruch im Internet die Normalität. Dann klappt's auch mit dem Miteinander!
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