LEADERSNET: Sie sind erstaunt?
Alcaraz: Ja, ich spreche nicht oft über meine Arbeit. Aber gleichzeitig spornt mich die Begeisterung, die meinen Werken auch in Österreich entgegenschlägt, natürlich immer mehr an, meine Arbeit, meine Kunst fortzusetzen.
LEADERSNET: Sie haben ja heuer Ihre Werke auch im Weingut von Christa und Niki Kodolitsch in Leibnitz präsentiert. Damit waren Sie bereits zum zweiten Mal hier zu Gast. Wie ist Ihre Beziehung zur Steiermark?
Alcaraz: Ich war schon vor zwei Jahren sehr beeindruckt von der Herzlichkeit der Menschen und ihrer Freundlichkeit. Das ist quasi meine „Medizin“. All das, der Enthusiasmus der Sammler, die Großzügigkeit von Christa und Niki Kodolitsch, eine atemberaubende Landschaft, die exquisite Gastfreundschaft und ein ganz besonderer Wein haben mich dazu bewogen, hierher zu kommen. Und so war es auch vor kurzem wieder. Wieder einmal unvergesslich, fast wie zu Hause.
LEADERSNET: Sonst sind Sie auch gerne und viel bei Alessandro Rosada in der Galleria Torbandena in Triest, wo Ihre Werke auch ausgestellt sind … Was bedeutet Alessandro als Galerist für Sie?
Alcaraz: Wir haben eine besondere Beziehung. Nicht nur beruflich, sondern auch familiär, in echter Freundschaft. Mit Alessandro reise ich oft und die Gespräche mit ihm sind immer sehr anregend. Nicht nur über Kunst, sondern auch über Literatur. Unsere Reisen in die Steiermark oder nach Finnland (wie vor einem Jahr) sind immer magische Momente. Und im Hotel schlafen wir in einem Zimmer, so dass wir bis spät in die Nacht reden können. Und am frühen Morgen nehmen wir das Gespräch wieder auf.
Manchmal kommt Allessandro mit dem Flieger von Venedig nach Barcelona, ich hole ihn am Flughafen ab und wir gehen essen. Nach ein paar Stunden bringe ich ihn zurück zum Flughafen.
LEADERSNET: Sie sind sicherlich einer der zeitgenössischen spanischen Künstler mit der größten internationalen Sichtbarkeit – und haben einen nicht minder berühmten „Namensvetter“. Calors Alcaraz. Der 20-Jährige war bzw. ist ja die jüngste Nummer eins der Welt im Herrentennis. Was sagen Sie dazu?
Alcaraz: Nun, Carlos Alacaraz ist 40 Jahre älter als ich, ein hervorragender Tennisspieler, aber nicht verwandt. Sagen wir einfach, dass wir beide unser Katalonien auf außerordentliche Weise repräsentieren: Ich in der Kunst und Carlos als Tennisgröße im Sport. Jetzt, mit Carlos' Ruhm, wird mich außerdem niemand mehr Jordi ALCATRAZ nennen ... (lacht).
Der spanische Künstler Jordi Alcaraz mit einem seiner Werke © Art-Inspirations
LEADERSNET: Was meinen Sie, welches Feedback auf Ihre Kunst – verbal oder nonverbal – würde sie zum Lächeln bringen, Ihnen Freude bereiten?
Alcaraz: Was mich vor allem interessiert, ist die vollständige Beherrschung der Materialien, die ich verwende: weder Pinsel noch Farbe. Sondern Plexiglas, Holzkohle, Schweißbrenner, Klebstoff, Stahl, Draht. Durch den perfekten Einsatz dieser Materialien kann ich den Konzepten, den Gedanken eine fast figurative Idee geben. Wie zum Beispiel ein Portrait oder Selbstportrait als ein Loch im Karton oder ein Abdruck meines Fußes im Plexiglas – oder Löcher in einem alten Buch, aus denen Teer austritt, als eine Idee von Kultur.
LEADERSNET: Dann könnte man Sie eventuell auch einen Konzeptkünstler nennen – oder nicht nur?
Alcaraz: Vielleicht könnte man sagen, mir liegt daran, Grenzen aufzuheben, aufzulösen.
LEADERSNET: Als vielseitiger Bildhauer, Grafiker und Maler sind Sie bekannt für die Verschmelzung von allen drei Medien und die daraus resultierenden ätherischen, auch poetisch genannten Werke. Ein Kritiker hat einmal gesagt, Sie heben die Formbarkeit von Materialien und damit gleichzeitig die sich ständig verändernde Natur unserer Realität und Umwelt hervor …
Alcaraz: The surface of the works has a plastic behavior – similar to the surface of water … Können Sie vielleicht verstehen, was ich meine?
LEADERSNET: Soweit ich weiß, bedeutet plastisches Verhalten die Eigenschaft eines Materials, sich unter einem bestimmten Druck irreversibel zu verformen – und das in Verbindung mit Wasser …?
Alcaraz: Ja, Wasser, das das sich ununterbrochen irreversibel verformt und daraus ununterbrochen neu entsteht. Und damit alle Grenzen überwindet. In Bezug auf eines meiner bekannten Werke „Exercise in Disappearance" habe ich einmal gesagt: Es ist die Abwesenheit von fast allem, die Rolle des Werks ist verschwindend, was bleibt ist die Dauerhaftigkeit der Aktion, des Handelns.
Leadersnet: Was möchten Sie, dass eine Betrachterin, ein Betrachter ihre Werke mitnimmt?
Alcaraz: Das Erlebnis einer unmittelbaren und direkten Konfrontation. Es fasziniert mich allerdings auch, mich zu fragen, wie eines meiner Werke wohl von einem Anwalt, einem Zahnarzt, einem Postboten oder einem ganz normalen Menschen gemacht worden wäre.
Jordi Alcaraz in der Steiermark und in Triest:
Jordi Alacaraz präsentierte seine Werke heuer im Rahmen des Programms „Wein & Kunst“ im Weingut von Christa und Niki Kodolitsch in Leibnitz. Jordis Werke findet man auf den großen Kunstmessen in Maastrich, London, Berlin, Paris und New York und in der Galleria d’Arte Torbandena Trieste.
Die Galleria Torbandena, 1964 in Triest gegründet, präsentiert Werke europäischer und amerikanischer Künstler des 20. Jahrhunderts sowie internationale zeitgenössische Kunst. Geleitet wird sie seit 1977 von Andy und Alessandro Rosada.
www.kodolitsch.at
www.torbandena.com