"Es fehlt der gemeinsame Wille, die lokale Medienlandschaft zu stärken"

| Redaktion 
| 05.06.2023

Andreas Vretscha, CEO der GroupM Switzerland & Austria, spricht im LEADERSNET-Interview über medienpolitische Herausforderungen in Österreich und wie man diesen strategisch begegnen sollte. Der gesamte Branchen-Talk ist auch als Podcast nachzuhören. 

LEADERSNET: Herr Vretscha, wie geht es denn der Medienlandschaft in Österreich?

Andreas Vretscha: Die spannende Zahl ist, dass zwei große, nicht österreichische Vermarkter, nämlich Facebook und Google, mehr als 50 Prozent des ganzen Werbemarktes in Österreich ausmachen. Wenn man zehn Jahre zurückblickt, war das nicht so. Das sagt sehr viel darüber aus, wie es der österreichischen Medienlandschaft geht.

LEADERSNET: Fehlt Ihnen als Werbevermittler die Hälfte des Kuchens?

Vretscha: Prinzipiell finde ich das Wort Werbestratege besser als Werbevermittler. Und nein, uns fehlt er nicht. Wir sind ja Berater für unsere Kunden beim Allokieren von Werbung auf großen Plattformen sowie in österreichischen Medien. Das Income österreichischer Mediengestalter und Medienproduzenten hat sich verringert, weil sehr große Anteile des Kuchens zu Plattformen wandern. Ich denke, es sollte stärkere lokale Allianzen geben, die sich damit beschäftigen, wie sich der österreichische Markt mit österreichischer Wertschöpfung besser aufstellen kann.

LEADERSNET: Haben die österreichischen hier Medien ihre Hausaufgaben gemacht?

Vretscha: Nein.

LEADERSNET: Sind Sie jetzt gefordert, die österreichische Medienlandschaft dorthin zu treiben? Auch als Medienagentur, die unter anderem die Produktion von Content übernommen hat?

Vretscha: Die Contentproduktion ist nur eine Erweiterung unseres Angebotes für ganz spezielle Anliegen unserer Kunden. In der Quantität betrachtet, macht das noch nichts aus. Es wäre sehr schade, wenn wir den österreichischen Medienmarkt antreiben müssten. Es wäre viel besser, wenn es hier einen Commonsense gäbe, der keinen Antreiber benötigt – ein gemeinsamer Wille, den lokalen Markt zu stärken. Und der fehlt.

LEADERSNET: Muss dieser von der Politik kommen oder von den Medien selbst?

Vretscha: Ich denke, es muss in erster Linie wirtschaftlich motiviert sein. Politische Unterstützung kann nicht schaden.

LEADERSNET: Was wird denn die neue Funktion von Medien sein? Bis dato waren sie die Basis einer unabhängigen Meinung.

Vretscha: Ich würde ergänzend sagen, dass es um unabhängig kuratierte Berichterstattung geht. Unabhängige, persönliche Meinungen, die auf Social Media verbreitet sind, gibt es ja unendlich viele, nur sind diese weder kuratiert noch faktengestützt. Man müsste sich viel mehr Gedanken darüber machen, wie die Vielfalt kuratierter Berichterstattung erhalten bleibt und wie sich die Medienhäuser in Österreich in diesem Umfeld neu positionieren.

LEADERNSET: Sie sind unter anderem auch CEO für den Schweizer Markt. Ist das dort anders?

Vretscha: Ja, es ist anders, auch wenn die Herausforderungen die gleichen sind. Der Schweizer Markt ist deutlich protektiver.

LEADERNSET: Was wünschen Sie sich für den österreichischen Markt? Wie sieht die Vision der österreichischen Medien aus, damit wir alle überleben können?

Vretscha: Eine gemeinsame Diskussion unter Einbeziehung aller Stakeholder, und da gehört die Werbung nunmal dazu. Weniger ausgerichtet auf Fragen, wer was darf, sondern wie man gemeinsam stark sein kann. Natürlich hat jeder seinen Schwerpunkt und eigene wirtschaftliche Interessen, aber es wäre gut, an einem übergeordneten Ziel zu arbeiten, das dem ganzen Markt nützt.

LEADERSNET: Sie sprechen jetzt unter anderem auch das Thema ORF an, wo es immer wieder Disharmonien gibt. Warum bekommt man hier keinen gemeinsamen Konsens hin?

Vretscha: Das ist eines der Beispiele. Statt zu fragen, was der ORF darf oder nicht, könnte man die Frage umdrehen: Was kann denn der ORF eigentlich für Printmedien tun und wie kann man gemeinsam von Stärken profitieren?

LEADERSNET: Wie sehen Sie die mittelfristige Entwicklung in Österreich? Steht uns ein großes Mediensterben in der Printlandschaft bevor?

Vretscha: Das wage ich nicht zu prognostizieren. Ich denke, dass die notwendigen Transformationen in vielen Verlagen stattfinden werden. Und wie in jedem anderen Wirtschaftszweig werden manche gestärkt hervorgehen und manche werden wahrscheinlich Probleme haben.

LEADERSNET: Wohin geht die strategische Ausrichtung der GroupM in den nächsten zwei, drei Jahren in Anbetracht dieser Tendenzen?

Vretscha: Die ist heute eine andere als wie sie morgen oder übermorgen sein wird, weil die Entwicklungsgeschwindigkeit so hoch ist. Aber die strategische Ausrichtung ist relativ simpel: Wir verstehen Kommunikation als wichtige Ressource, damit Marken und Businesses wachsen können. Und das verstehen wir immer besser.

LEADERNST: Im Rahmen dieses disruptiven Marktes: dürfen wir uns auf die Zukunft freuen oder müssen wir sie mit großem Respekt erwarten?

Vretscha: Wir müssen uns immer auf die Zukunft freuen und ich würde nicht auf die Zukunft warten, sondern sie gerne gestalten.

Das gesamte Gespräch mit Andreas Vretscha können Sie auch im Podcast nachhören. 

 

www.groupm.com

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