LEADERSNET: Seit rund zwei Jahren sitzen Sie im redaktionellen Chefsessel der Kurier Freizeit. Wie kam es dazu? Warum wollten sie von B2B zu B2C wechseln?
Auer: Ich beschäftige mich seit fast zehn Jahren mit der Weiterentwicklung von Medien, sowohl in Fachliteratur und Theorie als auch in der Praxis, und bringe mich selbst hier immer wieder auf den neuesten Stand. Es ist äußerst spannend, etablierte Marken neu aufzuladen und mit modernen Rubriken sowie zusätzlichen Geschäftsfeldern anzureichern, die der modernen Mediennutzung entsprechen. Das konnte ich bei den vergangenen Chefredaktionspositionen tun, und das ist auch bei der Kurier Freizeit gefragt. Denn egal ob Print, TV, Radio oder Digital: Ein Medium ist nicht nur mehr ein Ausspielkanal von Nachrichten, sondern ein Markenuniversum. Gerade in Coronazeiten und schon zuvor beim US-Wahlkampf rund um Trumps Lügenpresse-Unkenrufe hat sich gezeigt, dass Menschen Medienmarken wieder mehr vertrauen, da sich das Social Web viel zu unübersichtlich darstellt und Fakt von Fake oft nicht zu unterscheiden ist – weil ein Quellencheck fehlt, der zum Handwerk des Journalismus gehört.
LEADERSNET: Wie fällt ein erstes Resümee aus?
Auer: Sehr gut, wir sind gemeinsam mit viel Energie in den Prozess gestartet, haben das Blatt einem optischen wie auch inhaltlichen Schliff unterzogen, neue redaktionelle Rubriken erschaffen und dabei immer wieder auf das Echo der Leser und User geachtet. Natürlich drehen wir auch jetzt in Print noch einiges weiter, besonderer Fokus wird in nächster Zeit aber auf Digital liegen – denn hier möchten wir zusätzliche Zielgruppen erreichen.
LEADERSNET: Ihre Samstags-Ausgabe erscheint seit 1989 und wirkt nun etwas erfrischt. Wo ist Ihre Handschrift schon zu spüren?
Auer: Im Blattfluss, der Schärfung der redaktionellen Ressorts, der Erschaffung neuer Rubriken sowie in der grafischen Aufbereitung mit klaren Schriften und starken Bildebenen.
LEADERSNET: Wo geht die Reise inhaltlich und optisch hin?
Auer: In Print haben wir hier mit der Neuausrichtung bereits große Schritte gesetzt, die wir digital verlängern möchten. Reisestorys etwa sollen digital mit zusätzlichen Bildergalerien und Videos angereichert werden, um noch mehr Lese-Erlebnis zu bieten. Dasselbe gilt für Langfassungen von Interviews, Zusatzmaterial von Shootings oder Hinter-den-Kulissen-Eindrücken, die in Print keinen Platz mehr hatten. Natürlich gibt es digital aber auch tagesaktuellen Inhalt, der ständig wechselt und die User damit up-to-date hält. Die Struktur dahinter setzen wir gerade auf.
LEADERSNET: Wie sieht es mit den "Währungen" Auflage und Reichweite aus?
Auer: Die Freizeit ist wesentliches Kaufargument der Samstagsausgabe, trotz der Corona-Lockdowns mit damit verbundenen Schließungen im Handel, wurde die Auflage der ÖAK stabil gehalten – das ist ein schönes Lob der Leserschaft, denn das zeigt, wie stark die Freizeit bewusst nachgefragt wurde. Auch in der jüngsten Media-Analyse ist die Reichweite stabil, bei der Frauenzielgruppe liegen wir hier in unserem Stammgebiet Wien, Niederösterreich und Burgenland sogar vor Handelsmagazinen.
LEADERSNET: Freizeit ist auch mit Line Extensions präsent. Was ist hier alles geplant?
Auer: Dieses Portfolio ist im Zuge des Relaunch-Prozesses ebenfalls weiterentwickelt worden – so gibt es den Gasthausguide Tafelspitz nun mit neuem Konzept und in neuem Design, auch das Extra-Weihnachtsmagazin kommt in neuem Stil daher und ganz neu haben wir zum Beispiel auch das Weekender-Reisemagazin gelauncht. Etabliert haben wir außerdem eigene Freizeit-Editionen zum Thema Lebenslust: Hier bringen wir in regelmäßigen Abständen Spezial-Ausgaben heraus mit deutlich erhöhtem Umfang für besonders viel Lesevergnügen.
LEADERSNET: Kann Print noch immer als eine tragende Säule im leisure-Bereich bestehen?
Auer: Ja, gerade Österreich zeigt wie stark Print sein kann, im internationalen Vergleich sind wir hier unter den Spitzenreitern. Allerdings verschiebt sich natürlich auch hierzulande das Nutzungsverhalten je nach Nachrichtengenre. Als das Internet Fahrt aufnahm, wurde Print für tot erklärt. Heute sehen wir: Das ist nicht so, und wird auch nicht so kommen. Laut einer vom Kurier aktuell durchgeführten Studie ist bei Magazinen die Print-Version deutlich beliebter (zwei von drei bevorzugen sie in Print), jeder zweite der Befragten liest Wochenendmagazine von Tageszeitungen. Und was mich besonders stolz macht – Kurier Freizeit wird nach der Krone Bunt am liebsten als Wochenendbeilage von 16,6 Prozent genutzt.
Gerade im Magazinsektor ergeben sich sogar neue Möglichkeiten, da Menschen durch die digitale Reizüberflutung auch Off-Pausen brauchen und das Haptische schätzen. Spannend wird die Frage, wie reine Tagesnachrichten künftig transportiert werden. Hier verschiebt sich alles in Richtung Digital, Paid Content, Push-Nachrichten, Newsletter-Strategien und Social Media-Content. Es wird unsere Aufgabe als Medienmacher sein, diese Ausspielkanäle im Umkehrschluss auch lukrativ für uns zu machen, denn Journalismus kostet natürlich und muss finanziert werden. Print-Tageszeitungen hingegen könnten ihre Stärke in der Einordnung, Analyse und Hintergrundberichterstattung noch mehr in den Fokus rücken.
LEADERSNET: Wie steht es um den Online-Auftritt?
Auer: Wir planen derzeit den Launch von freizeit.at als Lifestyle-Plattform. Sie soll über das Print-Magazin hinausgehen, auch tagesaktuelle Inhalte und sämtliche Medienkanäle umfassen, denen wir uns bedienen können. Natürlich wird auch Social Media ein großes Thema werden. So sollen zusätzliche Zielgruppen angesprochen werden, und an die Marke Freizeit sowie an den Kurier herangeführt werden. Derzeit sind wir im Stadium der Konzeption, geplanter Launch ist noch in diesem Herbst.
LEADERSNET: Können Sie dort die werberelevante junge Zielgruppe abholen oder braucht es da andere Maßnahmen?
Auer: Ein Ziel der Digitalplattform ist natürlich, dort junge Zielgruppen zu adressieren und in weiterer Folge zu binden. Weiters ist eine freizeit-Eventschiene in Planung, die durch Corona nun noch etwas warten muss, aber demnächst wieder auf unsere Projektagenda kommen wird.
LEADERSNET: Sind Sie mit den Zugriffszahlen zufrieden?
Auer: Wir sehen bereits bei unseren derzeitigen Statistiken, dass Lifestyle-Inhalte gut nachgefragt werden, wenn sie userfreundlich aufbereitet werden. Durch das Erschaffen von freizeit.at als eigene Landing-Page soll dieser Content dort gebündelt werden und noch präsenter sein – das wird, so hoffen wir, viele Stamm-User generieren. Seitens der Werbewirtschaft gibt es ebenso bereits großes Interesse.
LEADERSNET: Gibt es corona-bedingte Einbrüche in den Werbespendings?
Auer: Wir haben in der Freizeit glücklicherweise einen stabilen Kundenstock, der auch in der Krise und während der Lockdowns gebucht hat. Einbrüche konnte unsere Verkaufsmannschaft im Rahmen halten, denn viele Luxusmarken, die bei uns inserieren, zahlen wie wir auf das Thema Sehnsucht ein. Redaktionell haben wir hier zuletzt etwa Reisereportagen durch Gedankenreisen ersetzt, Restaurantkritiken durch Take-away-Tipps und Veranstaltungskalender durch Serien-Guides. Damit konnten wir die Leser auch in diesen Zeiten mit relevanten Inhalten erreichen. Was den Werbemarkt betrifft, so waren es die internationalen Kampagnen, bei denen es teilweise hakte, denn hier wurden seitens mancher Headquarters während des Handels-Lockdowns vorübergehend Budgets eingefroren.
LEADERSNET: Was raten Sie jungen Frauen, die im Journalismus Fuß fassen wollen?
Auer: Durchhaltevermögen bewahren, Biss haben, Mut beweisen. Ich wünsche mir, dass noch viele Frauen in der Branche Fuß fassen und auch Führungspositionen übernehmen. Generell ist der Weg im Journalismus kein Spaziergang, aber wer es schafft, ist Teil einer faszinierenden und spannenden Branche.
LEADERSNET: Welche Hürden mussten Sie auf Ihrem Karriereweg bis dato überwinden?
Auer: Ich war gerade einmal 24 Jahre alt, als ich die erste Chefredaktionsposition inne hatte. Da wehte ein rauer Wind, denn man muss sich auch in solchen Ebenen erst beweisen. Je mehr Jahre vergingen und je mehr Verantwortungsbereiche dazu kamen, desto mehr legte sich dieser Sturm. Weil ich das selbst so erlebte, ist es mir ein besonderes Anliegen, junge Talente stark zu fördern, wo immer es mir möglich ist. (jw)
www.kurier.at/freizeit
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