Qualysoft wurde im Jahr 1999 in Wien gegründet und ist heute einer der führenden IT-Dienstleister im europäischen Raum mit über 500 Mitarbeitern. Im Interview mit LEADERSNET erläutert Florian Werksnies, Geschäftsführer Qualysoft, wie die CEOs des Landes jetzt ihre Verantwortung wahrnehmen müssen, welche begleitenden Maßnahmen durch die Regierung ergriffen werden hätten sollen, wie sein eigener Krisenstab funktioniert hat und wie man schlank und effizient aus der Krise gehen kann.
LEADERSNET: Wie kann man kleine Unternehmen durch die Krise steuern?
Werksnies: Die Corona Krise hat uns sehr überraschend getroffen und das, obwohl wir bereits Anfang Februar die Möglichkeit einer Ausbreitung intern simuliert haben. Das Wichtigste ist, auch in dieser Situation einen kühlen Kopf zu bewahren und keine überhasteten Schritte zu setzen. Einige Kunden von uns haben zu Beginn eine komplette Betriebsschließung angekündigt und haben aber dann ein paar Tage später nur einige Projekte leicht reduziert. Wenn wir hier gleich überhastet Maßnahmen ergriffen hätten, wäre der Schaden irreparabel gewesen.
LEADERSNET: Sind sich die CEO des Landes jetzt ihrer Verantwortung bewusst oder herrscht eher eine "Steck den Kopf in den Sand"-Mentalität?
Werksnies: Nein, eine Steck den Kopf in den Sand-Mentalität herrscht nicht, aber ob sich alle CEOs ihrer Verantwortung bewusst sind, möchte ich bezweifeln. Da bin ich eher von der alten Schule. Mir ist bewusst, dass wir nicht mehr im Zeitalter der Industrialisierung leben, wo Arbeitgeber Wohnhäuser für Ihre MitarbeiterInnen gebaut haben, dennoch sind wir dafür verantwortlich, dass unsere MitarbeiterInnen ihre Miete zahlen können. Beim ersten Gegenwind gleich die gesamte Belegschaft beim AMS anzumelden und als Kapitän die Brücke zu verlassen, erinnert mich eher an ein Schiffsunglück vor der Küste Italiens.
LEADERSNET: Haben mit der Ankündigung von Maßnahmen durch die Bundesregierung auch gleich bei Qualysoft die Alarmglocken geläutet?
Werksnies: Bis zum 10. März wusste ich nicht, dass wir einen Emergency Button haben. Ich bin jedoch sehr stolz darauf, wie gut unser Krisenstab funktioniert hat. Wir haben in kürzester Zeit alle unsere MitarbeiterInnen aktiviert und mit den Kunden Kontakt bzgl. der nächsten Schritte aufgenommen. Das Arbeiten von zu Hause hat uns durch unseren Modern Workplace nicht vor sehr große Herausforderungen gestellt. Hier lag die Schwierigkeit eher darin, dass viele auf engstem Raum im Kreise der Familie weiterarbeiten müssen. Daher haben wir die Maßnahmen der Bundesregierung zu Beginn voll unterstützt, nun müssen schnell begleitende Maßnahmen verabschiedet werden.
LEADERSNET: Welche Entscheidungen schienen vordringlich?
Werksnies: Als Erstes haben wir mit den Kunden abgestimmt, in welchen Bereichen (z.B. sensible Infrastruktur) wir weiterarbeiten und die Einsatzfähigkeit der KollegInnen gesichert. Als Nächstes haben wir die Liquidität abgesichert, da wir uns darauf einstellen mussten, dass viele unserer Geschäftspartner ihre Rechnungen nicht zeitnah zahlen werden. Der wichtigste, jedoch nicht dringlichste Schritt waren die Simulationen der Zukunft und die nötigen Vereinbarungen mit der Belegschaft. Wir haben uns bereits in der ersten Woche mit der Frage „Was ist nach der Corona-Zeit“ beschäftigt.
LEADERSNET: Wie kam es eigentlich zum Entschluss der umgehenden Bezahlung von Rechnungen kleinerer Unternehmen?
Werksnies: Meinem Geschäftsführer-Kollegen und mir war es sehr schnell klar, dass es zu einer Kettenreaktion kommen wird, als die ersten Geschäftspartner ihre Zahlungen eingestellt haben. Wir haben festgestellt, dass wir für diese im wahrsten Sinne des Wortes die "Bank" spielen müssen. Uns war klar, dass wir uns so nicht verhalten möchten und haben daher folgenden Grundsatz festgelegt: ist ein Unternehmen nach Umsatz oder Mitarbeiteranzahl kleiner als wir selbst, zahlen wir anstandslos.
LEADERSNET: Und wie haben sich die großen Enterprise-Unternehmen verhalten?
Werksnies: Hier ist es aus meiner Sicht wichtig, nicht zu verallgemeinern. Einige haben sich sehr partnerschaftlich verhalten, andere haben weitaus größere Probleme als wir selbst da sie z.B. aus der Tourismusbranche stammen. Und leider zeigt sich in solchen Situationen auch schnell wer seine Marktmacht ausnutzt und Druck auf die kleineren Unternehmen ausübt.
LEADERSNET: Was bedeutet die Krise für die eigene Organisation?
Werksnies: Ich rechne stark damit, dass wir als Organisation gestärkt aus der Krise gehen, da wir schnell alle füreinander eingestanden sind. Wir haben schon lange versucht überflüssige Meetings loszuwerden, doch das kennt wahrscheinlich jeder aus der eigenen Organisation: Einmal ausgemacht, gibt es immer einen Grund, warum man es braucht. Jetzt sind sie alle überflüssig und wir können schlank und effizient durchstarten. Unsere Agile Aufstellung ermöglicht es uns mit Daily Standups durch die Krise zu steuern. Wer hier noch keine Versuche in Richtung Agilisierung der eigenen Organisation unternommen hat, sollte dies jetzt starten.
LEADERSNET: Die Qualysoft Gruppe beschäftigt über 500 Mitarbeiter. Kann dieser Stand gehalten werden?
Werksnies: Wir haben Dienstverträge in sieben unterschiedlichen Ländern, hier gelten unterschiedliche Gesetzte mit sehr differenzierten Möglichkeiten. Für die österreichischen Mitarbeiter haben wir ein Kurzarbeitsmodell eingeführt und das Versprechen abgegeben, alles Mögliche zu unternehmen um die Arbeitsplätze zu sichern. Mit den zur Verfügung stehenden Maßnahmen und einer baldigen Lockerung der Beschränkungen wird dies auch möglich sein.
LEADERSNET: Sie haben vorhin gesagt "nun müssen schnell begleitende Maßnahmen verabschiedet werden", was meinen sie damit? Gibt es Beispiele?
Werksnies: Der komplette Shutdown war sehr gut und hat eine Ausbreitung des Virus in Österreich unterbrochen. Mich hat es jedoch sehr gewundert, dass jeglicher Fokus sehr lange und noch immer lediglich auf den Gesundheitsaspekten lag. Aus meiner Sicht hätte der Wertpapierhandel noch vor der Verlautbarung der Regierung ausgesetzt werden müssen, da wir erst in Wochen und Monaten bemerken werden, welche heimischen Unternehmen durch die Kursschwankungen klammheimlich den Eigentümer gewechselt haben. Ein zweites ist, dass wir seit Jahren dagegen arbeiten, dass unsere Innenstädte zu Geisterstädten werden. Wenn nun Tourismusbetriebe die schwierigen Zeiten nicht überstehen, sind dies genau die Gebäude, die interessant für Investoren sind und dazu beitragen, dass dieser Raum zukünftig nicht mehr als Wohnraum zur Verfügung stehen wird. Hier bedarf es begleitender Maßnahmen von Unternehmen, Verbänden und Politik um diese Spirale zu unterbrechen.
LEADERSNET: Worin liegen die Stärken ihres Unternehmens? Welche Potenziale kommen in Krisen-Zeiten zum Tragen?
Werksnies: Wir sind eine extrem flexible Organisation, das bringt teilweise die IT Branche mit, doch wir erfinden uns tatsächlich alle drei Jahre neu. Ich finde es immer sehr interessant, wenn ich mit Kunden die Rollen in Projekten vereinbare. Hier liegt oft die Meinung vor, dass wir von Seniors sprechen, die mindestens 25 Jahre Berufserfahrung haben und dann sind alle sehr überrascht, wenn der Kollege 28 Jahre alt ist. Einige der Technologien die im Einsatz sind, gibt es jedoch erst seit einem halben Jahrzehnt und mit vier Jahren Erfahrung ist man ein Senior. Diese Umstände helfen uns derzeit sehr flexibel auf alle Umstände zu reagieren.
LEADERSNET: Erfordert das Eingehen auf individuelle Kundenwünsche aktuell ein besonderes Gespür?
Werksnies: Es zeigt sich derzeit sehr gut, welche Unternehmen bereits einen Digitalisierungsgrad haben, der es ihnen ermöglicht ihr Geschäftsmodell aufrecht zu erhalten. Ich rate jedem bis zum Herbst einen Webshop und ein CRM einzuführen, bzw. so vorzubereiten, dass alle Prozesse von überall bedient werden können. Die Kundenbedürfnisse haben in Krisenzeiten keinesfalls abgenommen. Es werden sich nach der Krise jene Unternehmen schnell erholen, die den Kontakt zu ihren KundInnen halten konnten.
LEADERSNET: Digitalisierungsstrategien und Co.: Welche Tipps haben Sie für die Krisenkommunikation in B2B-Unternehmen parat?
Werksnies: Jedes Unternehmen sollte einen Kommunikationsplan nach innen und außen aufstellen. Die wichtigen Themen müssen zentral kommuniziert werden, da es sonst zu viele Interpretationen gibt. Für die Kommunikation ist es wichtig die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zu setzen und Technologien bereitzustellen die diese unterstützen.
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