"Wir arbeiten schnell und unbürokratisch im Dienste der Menschlichkeit"

Stefan Hawla, Geschäftsführer von Mein Wien-Apartment, im Interview über die erste Adresse für temporäres Wohnen in Wien, soziale Kompetenz, und wie man bedürftigen Menschen innerhalb einer Woche ein vollmöbliertes Apartment besorgt.

Der Fonds für temporäres Wohnen in Wien wurde 1971 von der Stadt Wien und den Sozialpartnern gegründet. Die Aufgabe ist es, schnell und unbürokratisch Menschen in prekären Wohnsituationen zu helfen. "Mein Wien-Apartment" verfügt über 4.000 Kleinwohnungen in fast allen Bezirken von Wien. LEADERSNET hat Prof. Stefan Hawla, Gesamtprokurist der ARWAG Holding-AG und Geschäftsführer des Fonds für temporäres Wohnen in Wien, zum Interview gebeten.

LEADERSNET: Schon der Wortlaut "Mein Wien-Apartment" klingt vielversprechend. Worum geht es dabei eigentlich?

Hawla: Mein Wien-Apartment ist eine Institution der Stadt Wien, getragen durch Sozialpartner und repräsentiert durch den Wiener Finanzstadtrat. Wir bestehen seit 50 Jahren und haben 4.000 Apartments für Menschen in prekären Lebenssituationen. Ein Service in dieser Größenordnung gibt es nur in Wien.

Unser Ziel ist es, Menschen temporär unterzubringen, die eine schwierige Zeit haben: Das können Studenten ebenso sein, wie frisch Geschiedene, Personen, die jobbedingt schnell nach Wien ziehen müssen oder sich in anderen Notsituationen befinden. Wir helfen durch die Zurverfügungstellung von Wohnraum zu Preisen, die höchstens kostendeckend sind, damit die Personen ihre prekären Situationen meistern können.

LEADERSNET: Haben sich die sozialen Bedingungen in Wien in den vergangenen Jahren nachteilig verändert?

Hawla: Allgemein kann man sagen – der Wiener ist weder reicher noch ärmer geworden. Wien ist, was die Wohnungssuche betrifft, aber ein hart umkämpfter Markt. Die Anspannungen am Wiener Wohnungsmarkt haben deutlich zugenommen und wir versuchen die wirklich prekären Verhältnisse – wenn einer nicht weiß "was mach ich heute auf morgen" – abzufedern. Wir sind stolz, Wohnungssuchende innerhalb einer Woche in vollmöblierten Apartments unterbringen zu können.

LEADERSNET: Können sie uns Kosten und Eckdaten kurz skizzieren?

Hawla: Die Apartments sind komplett für maximal zwei Personen möbliert. Die monatlichen Gesamtkosten beinhalten Betriebskosten, Möblierung, Heizung, Warmwasser, Strom und Mehrwertsteuer. Die Mindestwohndauer beträgt sieben Kalendermonate. Die Nutzungsverträge für Apartments des Fonds sind befristet. Es gibt keine Folgekosten. Vorab muss lediglich eine Kaution hinterlegt werden.

LEADERSNET: Wie gestaltet sich das Bewerbungsprocedere, welche Voraussetzungen sind für eine erfolgreiche Bewerbung erforderlich?

Hawla: Unser Service ist unkompliziert und unbürokratisch. Man meldet sich per Telefon oder Mail, kommt vorbei, bekommt für das Apartment einen Schlüssel, schaut es an und kann bei Gefallen nach Unterzeichnung des Heimnutzungsvertrages, Hinterlegung der Kaution und Ausgleich der ersten Nutzungsgebühr gleich einziehen. Damit’s doch noch ein bisserl bürokratisch wird, benötigen wir für die Besichtigung bzw. den Heimnutzungsvertrag einen gültigen amtlichen Lichtbildausweis, die letzte Meldebestätigung, aktuelle Arbeits- bzw. Inskriptionsbestätigung sowie den aktuellen Versicherungsdatenausdruck. Nicht-EU-Bürger müssen zusätzlich die gültige Aufenthaltsbewilligung beibringen.

LEADERSNET: Ist ein Service in diesem gediegenen Ausmaß überhaupt noch zeitgemäß?

Hawla: Es ist mehr als zeitgemäß. Im Gründungsjahr 1971 herrschte Hochkonjunktur. Damals waren erwünschte Zuwanderer die Nutznießer. Heute sind es Menschen, die sich in einer Situation befinden, in der sie ein bis zwei Jahre brauchen, um sich überhaupt wieder neu orientieren zu können.

LEADERSNET: Sie sind seit 25 Jahren "im Dienste der Menschlichkeit" im Amt. Haben Sie immer noch Freude und Spaß an dieser Arbeit?

Hawla: Die Arbeit bereitet mir nach wie vor sehr viel Freude. Ich versuche zu tun, was zu tun ist und setze voll auf menschliches Umgehen in schwierigen Situationen. In 50 Jahren gab es nur drei Geschäftsführer-Generationen – sie haben den Fonds erfolgreich aufgebaut: Von ursprünglich sieben Wohnungen ist das Angebot auf heute unglaubliche 4.000 angewachsen.

LEADERSNET: Können Sie auch Partner für Firmen sein, sind Sie auch im B2B-Bereich tätig?

Hawla: Ja, auch Unternehmen sind bei uns an der richtigen Adresse. Unsere Tochtergesellschaft MIGRA Gemeinnützige Wohnungsges.m.b.H.  ist auf besondere Wohnbau-Aufgaben spezialisiert. Während der Fonds sich mit einer humanistischen Ausprägung auf natürliche Personen konzentriert, kann MIGRA auch Unternehmen kommerziell  betreuen. Ein Beispiel wäre eine Baumfirma, die kurzfristig für einen Großauftrag nach Wien geht und  dabei auch zahlreiche Bauarbeiter ein paar Monate unterbringen muss.

LEADERSNET: Wo befinden sich die Apartments?

Hawla: Die Apartments befinden sich in 27 Häusern, verstreut über nahezu ganz Wien. Fast jeder Bezirk kann mit einer komfortablen Bleibe aufwarten.

LEADERSNET: Ist es Ihnen ein besonderes Anliegen, in sozialer Kompetenz im Dienste der Menschlichkeit tätig sein zu können?

Hawla: Ja, Mein Wien-Apartment ist für die Menschen in besonderen Lebenssituationen da, das macht sehr viel Freude. Natürlich haben kommerzielle Baufirmen und Genossenschaften auch ihre Berechtigung. Sie haben für die Sicherstellung längerfristiger Wohnbedürfnisse zu sorgen. Wir hingegen haben eine hohe soziale Kompetenz und sind zuständig für die rasche Hilfe, für Menschen, denen es nicht so gut geht.

LEADERSNET: Fallen bei Mein Wien-Apartment Gewinne an, wie werden diese verwendet?

Hawla: Mein Wien-Apartment ist gemeinnützig und darf keine Gewinne machen. Sollten sich Rücklagen bilden, fließen diese in die Sanierung und zeitgemäße Instandhaltung der Häuser und Apartments, eben in die Erhaltung der Substanz.

www.mein-wien-apartment.at

leadersnet.TV