"Es wäre fatal, wenn wir das Rad neu erfinden würden"

media.at-Chef Andreas Martin und Dentsu-CEO Andreas Weiss über Österreich-Kompetenz, den Zugriff auf globales Know-how und die Auswirkungen für die Mitarbeiter durch die neue Unternehmensstruktur.

Im Juli hat die Dentsu Gruppe die renommierte Mediaagentur media.at übernommen und in ihr internationales Netzwerk integriert. Im Zuge des Integrationsprozesses nach der Übernahme durch Dentsu Aegis wurde Andreas Martin mit 1. Oktober 2017 zum Managing Director der gesamten media.at-Gruppe befördert.

LEADERSNET hat Martin sowie Dentsu Aegis Network Austria-CEO Andreas Weiss zum Interview getroffen und sich mit ihnen darüber unterhalten, welche konkreten Veränderungen die Übernahme gebracht hat und noch bringen wird, ob sich das Leistungsspektrum von media.at ändern wird, wie man sich gegen die konzerninterne Konkurrenz von Vizeum und Carat abgrenzen will und auf welches internationale Know-how die von Martin geführte Mediaagentur jetzt zurückgreifen kann.

LEADERSNET: Herr Martin, Sie sind seit Oktober Geschäftsführer der media.at-Gruppe, die seit Sommer in das Dentsu Aegis Network Austria integriert ist. Was hat sich für Sie durch die neue Position verändert?

Martin: Die Aufgabe als solche ist natürlich eine viel größere geworden. Nichtsdestotrotz kenne ich die Agenturgruppe media.at ja sehr gut, weil ich 2013 begonnen habe das digitale Joint Venture Unternehmen aufzubauen. Auch im Zuge des langanhaltenden Verkaufsprozesses und einem zeitweisen Vakuum in der Geschäftsführung habe ich das Haus sehr gut kennengelernt. Nicht zuletzt war meine Ernennung zum Managing Director sowohl für mich als auch für den neuen Shareholder ein erhoffter Schritt. Es freut mich sehr, dass mir von Dentsu und insbesondere CEO Andreas Weiss dieses Vertrauen entgegengebracht wurde. Seit dem Closing am 18. Juli arbeitet ein breit aufgestelltes Integrationsteam in unterschiedlichen Aspekten an der Zusammenführung der beiden Unternehmen. Es wird an verschiedenen Themensträngen – wie etwa IT, Legal, Personal oder Commercial – gearbeitet. Die Teams bestehen jeweils aus Vertretern beider Häuser.

LEADERSNET: Wie sieht diese Zusammenführung in der Praxis aus?

Weiss: Wir haben jetzt eine etwas geänderte Organisationsform, die es erlaubt, dass die media.at auch in Zukunft in allen Aspekten breiter aufgestellt ist und auf die Expertise des Dentsu-Netzwerkes uneingeschränkt zugreifen kann. So kann das media.at-Team wie auch ein Carat-Team beispielsweise auf all unsere Spezialagenturen und zentrales Know-how zugreifen. Dies birgt natürlich große Skalierungsvorteile für uns alle. Am wichtigsten: Dieses breite Portfolio steht jetzt allen Kunden zur Verfügung.

LEADERSNET: Heißt das, dass Sie Ihren bestehenden Kunden als Erweiterung der jetzigen Deals Leistungen einer Fullservice Agentur anbieten werden oder konzentrieren Sie sich weiterhin ausschließlich Medialeistungen?

Weiss: Selbstverständlich werden wir es den Kunden anbieten, wenn von deren Seite der Bedarf dafür besteht. Es gibt in diesem Zusammenhang einige sehr visionäre Produkte, auf die wir zurückgreifen können. Dazu gehört etwa der Emotion Analyzer "Brainwaves" Hierbei handelt es sich um eine Software-Hardware-Kombination, die von Dentsu über einen Zeitraum von 19 Jahren entwickelt wurde. Die Hardware ähnelt optisch einem Headset. Man kann damit Gehirnströme messen und erkennen, welche Emotionen die Testperson gerade durchlebt. Etwa ob sie gestresst, erfreut oder niedergeschlagen ist. Derartige Technologien können in weiterer Folge in der Marktforschung eingesetzt werden, beispielsweise bei der Abtestung von TV Spots. Das haben wir auch schon für einige media.at-Kunden eingesetzt. Damit ist media.at eben eine Mediaagentur – aber mit einem sehr weiten Spektrum an Medialeistungen.

LEADERSNET: Ab wann werden Sie wieder aktiv in die Neukundenakquise gehen und welchen Einfluss wird das neue Unternehmenskonstrukt darauf haben?

Martin: Nachdem der Verkaufsprozess nun endgültig abgeschlossen ist, geht es jetzt erneut und verstärkt in die Neukundenakquise und wir werden wieder aktiv an Pitches teilnehmen. Richtig konkret wird es aber sicherlich erst mit 2018, da Ende des Jahres die meisten Pitches in der Regel schon entschieden sind. Das bedeutet auch, dass wir uns als Full Service-Mediaagentur differenzieren müssen, auch gegenüber Vizeum oder Carat, die ebenfalls zu Dentsu gehören. Das heißt aber nicht, dass wir das Rad neu erfinden müssen, was in meinen Augen fatal wäre. Wir haben eine ganz starke Österreich-Kompetenz sowohl was die Kenntnis der lokalen Medienmärkte als auch der weiterführenden Dienstleistungen betrifft. Genau diese Stärken müssen wir auch kommunizieren. Viele media.at-Kunden sind beispielsweise Medientransparenzgesetz-pflichtig und deshalb müssen wir in diesem Bereich auch absolut kompetent sein. Wir werden aber auch verstärkt auf das Thema Qualität setzen. Ich werde hier enge Kooperationen mit österreichischen Medien- und Vermarktern suchen. Ich ignoriere nicht die Googles und Facebooks – das wäre einfältig. Aber wir haben sehr viele heimische Angebote, die ähnliches bieten. Manchmal halt ungeschickt präsentiert oder vermarktet – aber da helfen wir gerne.

LEADERSNET: Hat die Übernahme durch Dentsu auch Auswirkungen auf die Kommunikation der Marke media.at nach außen?

Martin: Wir werden in Zukunft eine Dachmarkenstrategie fahren. media.at wird dadurch noch mehr im Vordergrund stehen. Die Töchterunternehmen Omnimedia und mediastrategen werden nichtsdestotrotz weiter bestehen bleiben – sowohl mit ihrer Struktur als auch mit ihren Dienstleistungen. Aber rein kommunikativ möchten wir die Marke media.at stärken, weil es innerhalb des Dentsu-Netzwerkes weitere andere Marken gibt und wir keine Verwirrung stiften wollen.

© media.at

LEADERSNET: Wird es durch die Übernahme durch Dentsu auch Synergien in der Infrastruktur geben?

Weiss: Das fällt in den Integrationsprozess, in dem wir uns gerade befinden. Beim Buchungssystem ist es beispielsweise so, dass sowohl media.at als auch Dentsu das gleiche System benutzen. Sprich hier müssen wir die Systeme nur gegenseitig adaptieren. In anderen Bereichen, wie Buchhaltung, Finanz- oder Personalwesen, wird es Veränderungen geben bzw. wir müssen uns anschauen, was man zusammenführen kann oder welches System das bessere ist. Synergien zu nutzen ist in meinen Augen eine natürliche Konsequenz aus einer Fusion.

LEADERSNET: Wird es auch zu Kündigungen kommen?

Weiss: Wenn wir das Thema ehrlich ansprechen wollen: Zum einen gibt es Mitarbeiter, die sich in dem neuen Set-up nicht wohl fühlen oder es schlicht nicht wollen. Dann gibt es einzelne Positionen, wo es eine personelle Entscheidung geben muss, da wir nicht alles doppelt besetzen können. Aber am Ende wird das alles sehr überschaubar sein, denn wir wollen uns jetzt wieder verstärkt nach außen orientieren und weiterentwickeln. Und da ist jede gute Kraft gefragt. Deshalb geht es weniger um Stellenabbau, sondern eher um neue Rollenbilder und eventuell Neuausrichtungen. (as)

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